Archiv


Die Zypern-Frage vor der Entscheidung

Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Menschen, die sich an diesem Abend in Göcmenköy, einem Vorort von Nikosia um ein großes Feuer versammelt haben, seien für eine Art Grillfest zusammen gekommen. Doch der Eindruck täuscht. Das hier ist eine politische Demonstration - eine von unzähligen, die fast jeden Tag im türkischen Teil Zyperns stattfinden.. "Barisch ve AB", Frieden und EU, steht auf Transparenten, die über der Menge hängen. Immer wieder skandiert die wütende Menge "Niemand kann einen Frieden auf Zypern verhindern":

Gunnar Köhne |
    Am 15. Januar fand in Nord-Nikosia die größte Demonstration in der Geschichte des türkisch besetzten Landesteils statt. 60.000 Menschen waren gekommen. Diese und alle folgenden Demonstrationen in Nord-Nikosia sind ein verzweifelter Aufschrei - denn mit jedem Tag, der vergeht, schwindet die Hoffnung darauf, dass nach fast 30 Jahren der Trennung dauerhafter Frieden zwischen Griechen und Türken auf der Insel einkehrt. Bis zum 28. Februar haben die Vereinten Nationen und die Europäische Union beiden Seiten Zeit gegeben, sich über einen von UN-Generalsekretär Kofi Annan vorgelegten Wiedervereinigungsplan zu einigen. Um ein paar Tage, vielleicht Wochen dürfte dieses Datum noch überschritten werden. Aber spätestens auf dem nächsten ordentlichen EU-Gipfel in Athen Mitte April wird, wenn es nicht zu einer Einigung beider Seiten kommt, nur der international anerkannte griechische Süden per Unterschrift endgültig der EU beitreten. Die Zyperntürken blieben außen vor, auf lange Zeit abgeschnitten von europäischen Hilfen und Entwicklungen.

    Doch die Führung der Zyperntürken zeigt sich weiter unnachgiebig und von den Demonstrationen unbeeindruckt. Die Führung - das ist vor allem eine Person: Rauf Denktasch, 73 Jahre alt, Präsident der von ihm gegründeten und von niemanden außer von der Türkei anerkannten "Türkischen Republik Nord-Zypern".

    Die sagen Frieden und EU. Ich will auch Frieden und EU. Und alle, die mit mir sind wollen Frieden und EU. Aber ich- wie viele andere auch – habe bestimmte Bedingungen. Ich glaube nicht, dass die jungen Leute mich kennen und wissen, wofür ich stehe. Damit kann ich leben, es ist ein demokratisches Land. Wenn mich die Mehrheit des Parlaments auffordert zurückzutreten, dann tue ich das. Aber nur weil auf Demonstrationen manche Rücktritt! schreien, gehe ich noch lange nicht.

    Seit 40 Jahren vertritt Denktasch die türkische Volksgruppe bei Gesprächen mit der Gegenseite. Seinen Kontrahenten Glafkos Klerides, Präsident der griechisch dominierten Republik Zypern, kennt er noch aus der Zeit vor der Unabhängigkeit. Denktasch und Clerides haben die Tiefen des Konflikts zwischen beiden Volksgruppen erlebt und teilweise mitgestaltet: Das Scheitern einer gemeinsamen Regierung aus Türken und Griechen Anfang der sechziger Jahre. Dann folgten blutige Ausschreitungen gegen die türkische Minderheit. Wenig später – 1974 - der von der Athener Junta geführte Putschversuch gegen den damaligen zypriotischen Präsidenten Makarios mit der Absicht einer Vereinigung mit Griechenland. Schließlich die darauf folgende Invasion türkischer Verbände und die Teilung der Insel.

    Seit 30 Jahren also ist die Insel der Aphrodite geteilt durch eine 180 Kilometer lange Pufferzone, überwacht von 1300 UN-Blauhelmen. Und seit 30 Jahren gibt es von außen Versuche, beide Seiten wieder zusammenzufügen. Die Entwürfe für eine friedliche Lösung des Konflikts stapeln sich in den Schubladen von Griechen und Türken. Aber vor allen die Türken stellten sich bislang quer: Sie fürchteten in einem wie auch immer gestalteten gemeinsamen Staat von den Griechen als Minderheit behandelt zu werden. So wie in den ersten Jahren der Unabhängigkeit von England, als die türkischen Minister nach kurzer Zeit aus der Regierung gedrängt worden sind. In den darauffolgenden blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen wurden die Türken in besondere Zonen getrieben, südafrikanischen Homelands aus der Zeit der Apartheid gleich. Ein Trauma bis heute.

    Die Griechen ihrerseits erschwerten Verhandlungen mit ihrer kategorischen Forderung nach Rückgabe von enteignetem Land und dem Abzug der 30.000 türkischen Soldaten. 200.000 Griechen sind 1974 aus dem Süden vertrieben worden - damit ist heute jeder dritte griechische Zypriote im Süden Vertriebener oder Nachkomme von Vertriebenen. Niemand kann dort eine Wahl gewinnen, der keine Rücksicht nähme auf diese gewichtige Lobby.

    Als Zypern 1998 förmliche Verhandlungen über einen Beitritt zur Europäischen Union aufnahm, kam plötzlich Bewegung in die erstarrten Seiten. Angesichts des Alleinvertretungsrechts der Republik Zypern galt der EU-Antrag auch für die türkischen Zyprioten - vorausgesetzt, bis zum Beitrittstermin gelänge eine friedliche Einigung. Für die türkische Seite vor allem eine ökonomische Verlockung: Wegen der Isolation ihres Landes und des weltweiten Wirtschaftsembargos gegen sie, war dieser Teil der Insel immer mehr verarmt. Heute liegt der Jahresverdienst eines türkischen Zyprioten bei nur 3000 Euro. Sein griechischer Nachbar im Süden verdient das Fünffache. Die Nordzyprioten dagegen sind fast völlig auf die Überweisungen ihres großen Bruders aus Ankara angewiesen.

    Nach Jahren der Funkstille kamen die beiden Kontrahenten Denktasch und Klerides auf Vermittlung der Vereinten Nationen vor zwei Jahren überein, sich wieder regelmäßig zu Gesprächen zu treffen. UN-Generalsekretär Kofi Annan legte im November vergangenen Jahres schließlich einen detaillierten Plan zur Wiedervereinigung der Insel vor – und stieß damit auf ein positives Echo, zumindest beim Volk. Mehmet Ali Talat, Vorsitzender der Republikanisch Türkischen Partei Zypern und schärfster Widersacher Denktaschs, erklärt, dass das nicht bei allen einem Herzenswunsch nach Zusammenleben entsprang:

    Vor allen die Frage der Europäischen Union brachte die Menschen dazu, den Plan zu unterstützen. Das ist eine Frage der Interessen: Die türkischen Zyproten wollen ihre Isolation überwinden. Derzeit können wir nicht einmal ein offizielles Fußballspiel mit einem türkischen Club austragen. Denn der würde umgehend von der Fifa ausgeschlossen. Und die griechischen Zyprioten wollen ihr Eigentum im türkischen Teil wieder haben. Selbst die Jungen wollen ihr Land zurück. In der Frage herrscht viel Nostalgie.

    Worum geht es in dem sogenannte Annan-Plan für Zypern? Unter den zehn wichtigsten Punkten steht das künftige Staatsgebilde an erster Stelle:

    Griechische und türkische Zyprioten einigen sich auf einen unabhängigen Staat mit zwei Teilstaaten. Vorbild ist das schweizerische Kantonsmodell. Der Staat wird nach außen mit nur einer Stimme sprechen. Es wird auch nur eine gemeinsame zypriotische Staatsbürgerschaft geben. Die Teilstaaten verpflichten sich auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie auf die Einhaltung der Regeln der Europäischen Union. Ansonsten können die Teilstaaten über Angelegenheiten wie Polizei und Steuererhebung souverän entscheiden.

    Der Gesamtstaat wird von einem sechsköpfigen Präsidentschaftsrat regiert, zusammengesetzt analog der Bevölkerungsgröße beider Seiten. Die Präsidentschaft wechselt alle zehn Monate zwischen beiden Volksgruppen. Außerdem ist für den gemeinsamen Staat ein Parlament vorgesehen, bestehend aus zwei Kammern mit jeweils 48 Mitgliedern.

    Ein Teil der unter griechisch-zypriotischer Verwaltung lebenden Flüchtlinge, die nach der Invasion türkischer Truppen 1974 den Nordteil verlassen mussten, dürfen zurückkehren - doch nicht sofort und nicht auf einmal: Im ersten Jahr dürfen die Rückkehrer ein Prozent der Bevölkerung des anderen Teilstaates nicht überschreiten. Das würde bedeuten: Gerade einmal 2000 Griechen dürften sich in ihre Heimatorte aufmachen. 20 Jahre später darf ihr Anteil höchstens 20 Prozent der Bevölkerung der anderen Seite ausmachen. Mehmet Ali Talat glaubt, dass es für die türkische Seite gar keine andere Möglichkeit gibt, als dieser vorsichtigen Rückführung von Flüchtlingen zuzustimmen:

    Es gibt zahllose Klagen auf Rückgabe und Entschädigung beim Europäischen Gerichtshof von Menschenrechte. Wenn wir keine Regelung finden, werden wir auf diesem Weg zur Rückgabe gezwungen. Darum ist es für die Sicherheit und einer stabilen Übereinkunft besser, wenn es, wie vorgesehen, begrenzt geschieht. Nur so bekommen wir eine ruhige Atmosphäre, die nicht ständig gestört wird durch Entscheidungen des Menschenrechtsgerichtshofes.

    Ähnlich heikel wie bei der deutschen Wiedervereinung wird in Zypern die Frage des Eigentums angesehen. Bei der Frage "Rückgabe oder Entschädigung" entscheidet sich der Annan-Plan für "Entschädigung" auf Basis des damaligen Wertes zuzüglich der Inflationsrate. Vereinbart ist die Einrichtung eines Büros für Besitzansprüche, in dem eine gleiche Anzahl türkischer und griechischer Mitarbeiter sowie etliche Ausländer beschäftigt sein werden.

    Dem Annan-Plan sind zwei Karten angehängt, in der alternativ eingezeichnet ist, welche von den Türken kontrollierten Gebiete der griechischen Seite zurückgegeben werden sollen. Die türkischen Zyprioten, die 20 Prozent der Gesamtbevölkerung stellen, halten heute 38 Prozent des Landes. Nach dem vorgesehenen Gebietsaustausch wären es nur noch 28,5 Prozent.

    Einer jener Orte, die für einen Rückgabe ausgewählt worden sind, ist Güzelyurt, griechisch Morphou, 80 Kilometer westlich von Nikosia gelegen. 1974 flohen alle griechischen Einwohner vor den herannahenden türkischen Truppen. Ihre Häuser übernahmen türkische Flüchtlinge aus dem Süden. Heute leben in Güzelyurt 12000 Menschen. Nach dem Annan-Plan müssten sie alle umgesiedelt werden. Der Ort nahe der Pufferzone würde danach den Griechen zurückgegeben.

    Doch Denktasch tönt: Wir geben Güzelyurt nie her!, Vor Ort ergibt sich allerdings ein anderes Bild. Eine Bürgerinitiative hat im vergangenen Dezember eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um herauszufinden, ob die hier lebenden Menschen zu einer Aufgabe ihrer Häuser bereit wären. Die Ergebnisse überraschten:

    Von 500 Befragten waren mehr als Zweidrittel selbst Flüchtlinge aus dem griechischen Süden. 85 Prozent unterstützen dennoch einen gemeinsamen Beitritt beider Inselhälften zur EU. 60 Prozent erklärten, dass sie es akzeptieren würden, wenn Güzelyurt wieder griechisch würde - sollte dies die Voraussetzung für einen Friedensschluss mit der anderen Seite sein. Auf die Frage, was sie in diesem Fall machen würden, äußern 65 Prozent den Wunsch, mit ihrem persönlichen Umfeld in eine andere Stadt mit den gleichen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen umziehen zu wollen. Nur knapp vier Prozent können sich vorstellen, auch unter griechischer Verwaltung weiterleben zu wollen.

    Die Bürgerinitiative Güzelyurt hat den Vereinten Nationen ein Areal an der grossen Morphou-Bucht für die Gründung eines "Neu-Güzelyurt" vorgeschlagen. Dort - in Sichtweite ihrer alten Häuser könnten die Umgesiedelten eine neue Heimat finden - vorausgesetzt, die dafür veranschlagten 1,5 Milliarden Euro ließen sich international auftreiben.

    Schließlich sieht der Plan eine Demilitarisierung der Insel vor. 35.000 türkische Soldaten im Norden stehen zur Zeit einer 12000 Mann starken griechisch-zypriotischen Nationalgarde gegenüber. Sie müssen auf beiden Seiten auf unter 10.000 Mann reduziert werden. Ein Vorschlag, der besonders den türkischen Militärs bitter aufstösst.

    Die Versöhnungsbewegung in Nord-Zypern fordert schon lange einen Abbau der Militarpräsenz auf der Insel. Izzet Izcan, Vorsitzende der kleinen türkischen Partei "Vereinigtes Zypern, begrüßt die Idee des Annan-Plans, den Einfluss der alten Garantiemächte Griechenland und Türkei zurückzudrängen:

    Da rufen die Anderen: Ja, aber was wird aus den Garantiemächten, was wird aus unserer Sicherheit? Die Antwort: Die Zyprioten selbst werden zu Garanten ihrer Sicherheit! Der gemeinsame Weg nach Europa wird ihr Garant! Das alte System der Garantiemächte hat doch die Teilung der Insel verursacht! Nach dem Plan sollen nur noch 7500 türkische Soldaten verbleiben. Ja, wie viele wollt ihr denn hier stationieren? 50.000? 100.000? Wir müssen demnächst um Erlaubnis fragen, wenn wir mit zwei LKW aus der Kaserne fahren wollen, wird geklagt. Ja, völlig zu recht, so soll es sein! Dies hier ist eine Touristenregion. Mit welchem Recht dürft ihr mein kleines Land als einen Truppenübungsplatz nutzen? Und das gilt selbstredend auch für die griechische Seite.

    Die machtvollen Generäle in Ankara sehen ihre Präsenz in Zypern dagegen als strategisch unverzichtbar. Nur so, glauben sie, können sie Griechen, aber auch Arabern im Mittelmeerraum Grenzen setzen. Doch die Falken in Ankara geraten zunehmend unter Druck.

    Die Warnung der Nationalisten vor dem aggressiven griechischen Nachbarn zieht in der Türkei nicht mehr. Vor gut drei Jahren setzte ein politisches Tauwetter zwischen den einstigen Rivalen ein, das mit der gegenseitigen Hilfe nach den Erdbeben 1999 begann und mit der massiven Unterstützung Athens für die EU-Bewerbung der Türkei im letzten Jahr ihren Höhepunkt fand.

    Noch entscheidender aber war der Regierungswechsel in der Türkei im vergangenen November. Die gemäßigt religiöse "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" gewann die absolute Mehrheit. Ihr Führer, der frühere Istanbuler Bürgermeister Tayyip Erdogan (SPRICH: ERDOHAN), verschrieb sich innen- und aussenpolitischer Reformen, um die EU-Mitgliedschaft seines Landes zu erreichen. Auf dem EU-Gipfel in Kopenhagen im Dezember erhielt die Türkei die Zusage, Beitrittsverhandlungen könnten im Jahre 2005 beginnen - wenn bis dahin alle notwendigen Bedingungen erfüllt seien. Und dazu gehöre auch, dass die Türkei eine aktive Rolle beim Friedensprozess in Zypern spielt.

    Erdogan hat die Botschaft verstanden. Mitte Januar sagte er in einem Interview:

    Ich bin nicht dafür, auf Zypern die Politik der letzten vierzig Jahre fortzuführen. Diese Politik ist gescheitert und hat nicht zu einer Einigung geführt. Dieses Problem geht nicht nur Herrn Denktasch etwas an.

    Nie zuvor war ein türkischer Regierungschef so deutlich auf Distanz zu Denktasch gegangen. Bislang konnte er sich stets der Protektion Ankaras sicher sein. Doch nun schwenkten auch die türkischen Medien um. Sie begannen Nord-Nikosia zunehmend zu kritisieren. Enthüllungen über dunkle Geschäfte des Denktasch-Clans wurden gedruckt. Fragen nach dem Verbleib von jährlich 200 Millonen Euro Subventionen für die Insel öffentlich gestellt. Den 70 Millionen Türken wurde plötzlich klar, dass ihre eigene politische und wirtschaftliche Zukunft von der Zyperns abhing.

    Seit Denktasch die uneingeschränkte Unterstützung des Mutterlandes verloren hat, wirkt er angeschlagen. Die zweimal wöchentlichen Gespräche mit Clerides in der von der UN kontrollierten Pufferzone nimmt er wahr. Fast jedesmal präsentiert er neue Änderungswünsche. Die UNO hat bereits den dritten, nachgebesserten Entwurf vorgelegt. Doch Denktasch nimmt den türkischen Zyprioten die Hoffnung auf einen Friedensschluss bis Ende Februar:

    Ich sehe leider keine grosse Chance, wenn wir nicht mehr Zeit bekommen. Die Zeit ist zu kurz. Selbst beim besten Willen kann man in dieser Frist nicht alle Fehler des Plans beseitigen. Wir brauchen mehr Zeit. SPRECHER 2

    Doch mehr Zeit als bis zum EU-Gipfel in Athen Mitte April ist die EU nicht bereit beiden Seiten einzugestehen. Mehmet Ali Talat sieht, wie die meisten Zyprioten, den Zeitplan als Chance:

    Alles liegt klar vor uns. Die Datums, der Zeitplan. Und wir wissen, dass wir nach dem 16. April unsere Interessen und unsere Rechte nicht mehr so einfach von der griechischen Seite einfordern können. Darum sind die Menschen so wütend über das Verzögern der Regierung. Es ist nicht nur so, dass sie dabei nur an EU-Beitritt, Euros und Wohlstand denken. Sie spüren einfach, dass dies die letzte Chance ist, ihre Isolation zu überwinden.

    Über 70 Prozent der türkischen Zyprioten befürworten einen gemeinsamen Beitritt beider Hälften zur EU - darunter auch zahlreiche vom Festland eingewanderte Türken, die mittlerweile 40 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Der Anteil türkischer Zyprioten ist in den letzten dreißig Jahren stetig gesunken. Heute leben in London mehr türkische Zyprioten als auf der Insel selbst. Und der Exodus wird im Falle eines Scheiterns der Friedensverhandlungen weitergehen. Stimmen von Jugendlichen aus der türkischen Hälfte des geteilten Nikosia:

    Wenn ich mit dem Studium fertig bin, dann finde ich keine Arbeit als Elektroingenieur. Ich muss wohl in die Türkei gehen. - Ich gehe nach England und komme nicht wieder. Der Süden braucht dringend Arbeitskräfte. Die bieten uns gut bezahlte Jobs, aber außer Bauarbeitern lässt unsere Regierung niemanden hinüber. - Wir sind anders als die Festlandstürken. Wir sind nicht so religiös, wir haben einen anderen Dialekt, wir sind heißblütiger. Ich will nach England. Die dort lebenden griechischen und türkischen Zyprioten können sehr viel zusammen machen, es gibt viele Freundschaften, weil wir uns so ähnlich sind.

    Bei den Präsidentschaftswahlen im Süden am kommenden Sonntag könnte der Kandidat Tassos Papadopoulos gewinnen. Der Chef der konservativen Demokratie-Partei, dessen Kandidatur von der grössten Fraktion im Parlament, der linken AKEL unterstützt wird, ist bekannt für seine kritische Haltung zu der im Annan-Plan vorgesehenen eingeschränkten Rückkehr von Flüchtlingen in den Norden. Nachforderungen des Südens kämen Denktasch gelegen - er könnte versuchen, am Ende den Griechen die Schuld für ein Scheitern der Verhandlungen zuzuschieben.

    Um den Friedensprozess zu retten, hat sich der Veteran Glafkos Klerides trotz seines hohes Alters entschieden, doch noch einmal zu kandidieren - für eine halbe Amtszeit. Er sieht die Versöhnung mit der türkischen Seite als sein Lebenswerk, das er noch zuende bringen möchte.

    Am 25. Februar, drei Tage vor Ablauf des Ultimatums, wird UN-Generalsekretär Kofi Annan noch einmal in Athen, Ankara und nicht zuletzt in beiden Hälften Nikosias für seinen Friedensplan werben. Scheitert er, dann drohen zumindest die türkischen Zyprioten vollends in Vergessenheit zu geraten.