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"Diese Generation verhält sich absolut rational"

Die sogenannte Generation Y verlange ausreichend Freizeit, sei aber nicht bereit, dafür auf Geld oder einen sicheren Arbeitsplatz zu verzichten, sagt Jutta Rump, Professorin für Arbeitswissenschaften an der Hochschule Ludwigshafen. Das sei mit Blick auf die hohen Anforderungen der Arbeitgeber vernünftig.

Jutta Rump im Gespräch mit Sandra Pfister | 08.08.2013
    Sandra Pfister: Viele Unternehmen suchen händeringend nach Bewerbern, doch sie treffen auf eine Generation, in der offenbar viele junge Leute sagen, ich mach’ nicht mehr jeden Job und auch nicht um jeden Preis. Was für Lehrberufe vielleicht gilt, zeichnet sich um so stärker im akademischen Bereich ab. Die "Generation Y", wie sie genannt wird, die Generation Y also, viele, die nach 1980 geboren sind, sind anspruchsvoll. Sie wollen angeblich nicht Karriere um jeden Preis machen, sie wollen mehr Zeit fürs Privatleben. Ein Firmenwagen ist ihnen egal, dafür aber wollen sie von ihrem Arbeitgeber Feedback und dass er sich wirklich um sie kümmert. Das bestätigt eben noch mal eine Absolventenstudie der Beratungsfirma Ernst & Young. Wir reden darüber mit der Arbeitswissenschaftlerin Jutta Rump von der Hochschule in Ludwigshafen. Frau Rump, Sie haben ein Buch über "Generation Y" geschrieben. Warum will die denn so ganz anders leben als ihre Eltern?

    Jutta Rump: Die "Generation Y" ist eine Generation, die sehr wohl weiß, dass sie 45 bis 50 Jahre auf dem Arbeitsmarkt unterwegs sein werden, dass man von ihnen sehr hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erwartet, dass sie eine einmal erworbene Berufsausbildung nicht ein ganzes Leben lang haben werden als Sicherungsanker, und gleichzeitig haben sie oder nicht wenige bei den eigenen Eltern gesehen, wie viel Arbeit und wie viel Workload und wie wenig Freizeit eigentlich übrig bleibt. Und genau das führt dazu, dass diese Generation sagt, ja, wir sind leistungsbereit, wir sind wirklich aktiv, wir sind engagiert, aber ich muss in Bewegung bleiben, ohne die Balance zu verlieren.

    Pfister: Nun ist die Frage, überschätzt diese Generation sich, oder kann die sich das wirklich leisten, sich so eine Work-Life-Balance vom Arbeitgeber zu wünschen?

    Rump: Na ja, da muss man ein klein wenig schauen, über welche Zeiträume man redet. Wenn wir das Jahr 2030 in den Blick nehmen – das ist nun zugegebenermaßen sehr weit weg, aber im Jahr 2030 werden uns wahrscheinlich 6,5 Millionen Arbeitskräfte auf dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen. Und dann werden wir logischerweise händeringend nach guten Fachleuten auch suchen und dann hat genau diese Generation eine wirkliche Marktmacht auf dem Arbeitsmarkt.
    Wenn wir etwas kurzfristiger gehen, dann muss man tatsächlich auch heute schon konstatieren, dass nicht wenige, weil sie genau die gesuchten Berufe gewählt haben, auch tatsächlich diese Macht auf dem Arbeitsmarkt haben und letztendlich auch einen Einfluss haben auf die Gestaltung hin bezüglich des Arbeitsverhältnisses und der Arbeitsbedingungen. Es sind im Moment nicht alle in dieser Generation, die diese "Macht" haben, aber es sind mehr und mehr und es sind vor allen Dingen diejenigen in den Berufen, in denen wir heute schon einen Fachkräfte-Engpass haben.

    Pfister: Wenn wir darüber reden, dass diese Generation mehr Wert auf Privatleben legt, nicht mehr den ganzen Tag im Büro verbringen will, hat sie auch weniger materielle Ansprüche, oder bleiben die gleich hoch?

    Rump: Ich glaube, zuerst mal muss man ganz wesentlich innehalten und sagen, diese Generation verhält sich absolut rational. Wenn man weiß, was man letztendlich auch bringen muss in den Arbeitsverhältnissen der Zukunft, dann ist es absolut rational zu sagen, das Thema Balance, Work-Life-Balance, neudeutsch ausgedrückt, oder dass ich letztendlich Beruf, Familie und Lebenssituation vereinbaren möchte, ist absolut rational.
    Zu glauben, dass diese Generation dann auf Geld verzichtet, oder auf einen sicheren Arbeitsplatz, oder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis verzichtet, ich glaube, das wäre wirklich zu kurz gesprungen. Diese Generation ist natürlich auch daran interessiert, sich einen ganz bestimmten Lebensstandard leisten zu können, zumal nicht wenige von dieser Generation von ihren Eltern auch einen ganz bestimmten Lebensstandard vorgelebt bekommen haben.

    Pfister: Die wollen gutes Geld verdienen, sie wollen gleichzeitig Freizeitausgleich, einen ganz anderen Arbeitsstil. Sind die Arbeitgeber überhaupt darauf eingestellt, machen die was, kommen die ihnen entgegen?

    Rump: Im Moment muss man sagen, dass die Arbeitgeber, die heute schon einen Fachkräfte-Engpass spüren, langsam aber sicher auf diese Generation sich einstellen, also schon zu überlegen, was muss ich eigentlich diesen gesuchten Nachwuchskräften bieten, wie kann ich die im Unternehmen halten. Genau diese Unternehmen machen sich derzeit auf den Weg.
    Die Unternehmen, die derzeit noch keinen Fachkräfte-Engpass spüren und letztendlich auch keinen Arbeitskräftemangel als solches spüren, die sind da eher noch ein bisschen in der alten Welt unterwegs und denken so nach dem Motto, die sollen froh sein, dass sie einen Arbeitsplatz haben.

    Pfister: Jutta Rump war das, Professorin für Personalmanagement an der Hochschule in Ludwigshafen. Sie hat ein Buch über die "Generation Y" geschrieben, der Ernst & Young jetzt noch mal bestätigt, dass sie Arbeitgebern gegenüber sehr fordernd auftritt und nicht Karriere um jeden Preis machen möchte. Danke, Frau Rump.

    Rump: Ich danke Ihnen!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.