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"Diese Gewissensentscheidung sollten wir den Eltern dann selbst überlassen"

Entgegen der knappen Mehrheitsmeinung ihrer Partei ist Saskia Ludwig gegen ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID). Wer die PID verbietet, müsste eigentlich auch Spätabtreibung und künstliche Befruchtung verbieten, sagt Ludwig und wirft ihrer Partei die Instrumentalisierung des Themas vor.

Saskia Ludwig im Gespräch mit Sandra Schulz | 16.11.2010
    Sandra Schulz: Noch sind die Stimmen nicht ausgezählt, aber eine Prognose war ausgesprochen knapp. Die Präimplantationsdiagnostik polarisiert. Am Vormittag hat die CDU auf ihrem Parteitag in Karlsruhe emotional darüber diskutiert. Dürfen Embryonen bei der künstlichen Befruchtung vor ihrer Einpflanzung auf Gendefekte untersucht werden? Eine heikle ethische Frage, der wir jetzt nachgehen wollen. Saskia Ludwig, CDU-Chefin in Brandenburg und in Grenzen Befürworterin der Präimplantationsdiagnostik, ist uns jetzt in Karlsruhe zugeschaltet. Guten Tag!

    Saskia Ludwig: Herzlichen guten Tag.

    Schulz: Frau Ludwig, mit dem Schutz des ungeborenen Lebens nehmen Sie es nicht so genau wie die Kanzlerin?

    Ludwig: Der Schutz des ungeborenen Lebens, das ist ja die spannende Frage dabei: wo beginnt es und wo ist dann auch eine Wertung. Und wir haben hier eine Diskussion über eine Diagnostik, wo im Vorfeld eben geklärt werden kann, ob tatsächlich so schwere Schäden an dem Embryo vorhanden sind, dass es dann danach eben auch nicht zur Geburt des Kindes selber kommt, und da stellt sich schon die Frage, ob im Vorfeld in der Petrischale selbst man das untersuchen darf, oder dann tatsächlich erst im Körper der Mutter, um dann festzustellen, es sind so schwere Schäden dort vorhanden, eine Spätabtreibung ist erlaubt. Das ist eine Diskussion, die für meine Begriffe da sehr unterschiedlich läuft.

    Schulz: Aber wir wissen, die Grenzen sind schwer zu ziehen. Wo wollen Sie denn den Trennstrich ziehen? Was ist denn dann wertes Leben und was unwertes?

    Ludwig: Ich denke, dass diese Diskussion in diesem Zusammenhang eben nicht die richtige ist. Wenn wir über Präimplantationsdiagnostik diskutieren und sagen, wir wollen es verbieten, dann müsste man Spätabtreibung verbieten und man müsste grundsätzlich künstliche Befruchtung verbieten. Das ist doch die Frage dabei. Wenn es von der Natur her nicht vorgesehen ist, dass ein Elternpaar Kinder bekommen kann, die aber ausdrücklich diesen Wunsch haben, was ja nachzuvollziehen ist, und dann diesen wahnsinnig schweren Weg gehen, das ist die spannende Frage, an welchem Punkt man dort eben eine Grenze zieht. Ich sage ganz klar, ich befürworte das, wenn ein Elternpaar sich entscheidet und wirklich die Sehnsucht nach einem Kind hat, was für jeden nachzuvollziehen ist, dann natürlich auch ein gesundes Kind haben möchte und nicht diesen Leidensweg durchschreitet zu sagen, wir haben schwere Genvorschäden und wir wissen, dass es problematisch wird mit 80, 90 Prozent, wenn wir jetzt eine nicht untersuchte Eizelle einpflanzen, dann eben dieses Kind nicht gebären zu können. Da sage ich ganz klar, es gibt diese Möglichkeit und es gibt diese Möglichkeit auch mit verantwortungsvollen Grenzen, und diese Gewissensentscheidung sollten wir den Eltern dann selbst überlassen.

    Schulz: Aber Frau Ludwig, Sie haben gerade über diesen Wertungswiderspruch gesprochen. Jetzt gibt es ja auch PID-Gegner, die sagen, die Regelungen zur Abtreibung sind eben auch zu lasch. Ist das aus Ihrer Sicht dann die Lösung, den Widerspruch so zu lösen, auch strengere Abtreibungsregeln zu verfassen?

    Ludwig: Wir können gerne darüber diskutieren und es ist für jeden sehr, sehr schwierig, auch so einen Schritt zu machen. Ich bin auch gerade Mutter geworden und glauben Sie mir, einige Dinge ändern sich auch, auch von der Ansicht her und von der Wertung her. Jede Abtreibung, die stattfindet, die schmerzt mich da wahnsinnig, und ich gebe ehrlich zu, ein Stück weit sieht man das natürlich auch anders, oder diskutiert darüber anders von der Gefühlswelt her. Ich kann mir aber nicht vorstellen – und jetzt würde ich gerne auf die PID zurückkommen -, das sind ja Eltern, die sehr verantwortungsvoll auch damit umgehen, dass man ihnen wirklich diese Vorschrift machen sollte zu sagen, weil unsere Vorstellungen, unsere Wertgrenzen so sind, habt ihr dieses Leiden zu tragen. Da sage ich ganz klar, diese Verantwortung übernehme ich nicht an der Stelle, sondern die sehe ich bei den Eltern.

    Schulz: Vor Jahren hat die Kanzlerin diese Frage bei der Präimplantationsdiagnostik ja auch noch anders gesehen. Heißt das, dass Sie sich jetzt von der Kanzlerin im Stich gelassen fühlen?

    Ludwig: Nein. Das muss jeder für sich selber entscheiden. Ich bewerte es entsprechend. Eine Diskussion an einer Diagnostik aufzumachen, um zu zeigen, wir sind eine konservative Partei, das verstehe ich nicht.

    Schulz: Das ist der Vorwurf, den Sie der Kanzlerin machen?

    Ludwig: Ja. Wenn Sie das als Vorwurf bezeichnen wollen, mag das durchaus so sein. Ich halte die PID-Diskussion für die falsche dafür.

    Schulz: Insgesamt, sagen Sie, wird das Thema instrumentalisiert, damit sich die CDU auf ihrem Parteitag in Karlsruhe auch als eine Partei präsentieren kann, die kontrovers diskutiert?

    Ludwig: Ein Stück weit hat es schon den Anschein. Es ist eine Gewissensentscheidung, das will ich niemandem absprechen, das mag durchaus so sein, aber man muss auch Realitäten anerkennen. Der Arzt, der auch diese Selbstanzeige dort gemacht hat, hat für meine Begriffe sehr verantwortungsvoll dort gehandelt und gearbeitet, und das zeigt auch, dass es geht.

    Schulz: Das ist ein ziemlich harscher Vorwurf, den Sie auch der CDU-Spitze da machen. Ist es für Sie überhaupt noch, da wir ja über ethische und moralische Fragen sprechen, vertretbar, in dieser CDU zu bleiben?

    Ludwig: Nein. Das hat auch nichts mit einem harschen Vorwurf zu tun. Wir sind eine große Volkspartei und natürlich auch eine christliche Volkspartei, und da ist es immer gut, auch über solche Dinge zu diskutieren. Es ist eine Gewissensentscheidung. Ich bewerte diese Sachen so für mich: Es ist eine Diagnostik. Wenn wir diese verbieten sollten, müssten wir auch die Diagnostik im Mutterleib selbst verbieten. Wir wissen aber, dass dadurch gerade Müttern sehr stark und sehr intensiv geholfen werden kann. Deswegen möchte ich darauf einfach auch nicht verzichten.

    Schulz: Wie beurteilen Sie denn die Perspektive? Gibt es eine Chance, auch im Bundestag ein PID-Verbot durchzusetzen?

    Ludwig: Nach der Stimmungslage und nach den Diskussionen, die man so hört, glaube ich, wird es schwierig.

    Schulz: Saskia Ludwig war das, die CDU-Chefin in Brandenburg und heute Mittag uns aus Karlsruhe vom Parteitag der CDU zugeschaltet. Danke Ihnen.

    Ludwig: Danke schön!