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Diesel-Motoren
Wie komplex ist die Steuerungssoftware?

Das Herzstück moderner Dieselmotoren sind Steuerungscomputer. Auch in der aktuellen Diskussion um Abgase und Volkswagen spielen sie eine Rolle. Was müssen die Geräte leisten, was dürfen sie berechnen und was nicht?

Von Piotr Heller | 02.10.2015
    Ein Dieselmotor eines VW Golf 2.0 TDI
    Verboten ist beispielsweise, dass ein Auto erkennt, ob es sich auf einem Prüfstand befindet und dann in eine Betriebsart wechselt, die nur für Prüfstände gedacht ist. (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul)
    Die Abgasnormen für Diesel-Autos werden immer strenger. Nimmt man als Beispiel die Stickoxide, so durften Autos in Europa in den 2000er-Jahren noch 500 Milligramm dieser Stoffe pro gefahrenem Kilometer ausstoßen. Heute ist nicht mal ein Sechstel davon erlaubt. Wie schafft man das?
    "Die entscheidenden Dinge passieren während der Verbrennung. Es wird durch den Kolben die angesaugt Luft komprimiert und dann wird da Kraftstoff ganz fein verdüst eingespritzt. Mehrmals. Es gibt eine Voreinspritzung, Haupteinspritzung, auch eine Nacheinspritzung. Das alles wird so optimiert, dass das Drehmoment maximiert wird und gleichzeitig sämtliche Emissionen minimiert werden. Und das ist eine Kunst, das alles zu schaffen",
    erklärt Rolf Isermann, der an der Technischen Universität Darmstadt seit Jahrzehnten auf dem Gebiet der Regelungstechnik forscht. Um diese "Kunst" zu verfeinern, haben Ingenieure einige Methoden entwickelt. Sie können etwa einen Teil der Abgase zurück in den Motor leiten. Das senkt den Ausstoß an giftigen Stickoxiden. Gleichzeitig senkt es aber auch die Motorleistung und erhöht die Rußproduktion.
    Mikrorechner sollen das Motorverhalten optimieren
    Eine andere Methode ist es, Harnstoff in die Abgase zu spritzen, der die Stickoxide in einer chemischen Reaktion unschädlich macht – das wiederum erfordert einen zusätzlichen Tank, der immer Mal wieder nachgefüllt werden muss. Es gibt auch spezielle Katalysatoren zum Abbau der Stickoxide. Die müssen sich aber während der Fahrt regenerieren. Die Ingenieure suchen also nach Kompromissen und legen ihre Motoren danach aus. Dann entwickeln sie die eigentliche Steuerung der Motoren, die auf Mikrorechnern basiert.
    "In den Mikrorechnern, da wird in den ganz kurzen Zeitspannen, je nach Anforderung – Fahrpedal, das ist im Grunde das Drehmoment, das der Fahrer möchte, und der Drehzahl, die man hat - wird jedes Mal abgefragt, ganz schnell abgefragt: Welche Stellung muss nun der Einspritzwinkel haben? Welche Ventilstellungen werden verändert? Welchen Ladedruck stellen wir ein? Und das wird innerhalb von Millisekunden berechnet. Und es ist sagenhaft, was hier gerechnet wird. Das sind Hochleistungsrechner, mit denen das geschieht. Und wir gehen sogar noch weiter. In dieser Zeit berechnen wir über Modelle bereits die nächsten Schritte und optimieren so das Gesamtverhalten."
    Diese Computer steuern den Motor nicht durchgehend auf die gleiche Weise. Wie sie entscheiden, das hängt von der Situation ab:
    "Ich zeige Ihnen so ein kleines Schema, wie im Grunde so eine Steuerung eines Motors aufgebaut ist. Man unterscheidet für die Steuerung selbst den Start, besonders den Kaltstart. Danach kommt der Warmlauf, wo der Motor warm werden muss, damit er richtig verbrennen kann. Dann gibt es den Leerlauf. Und dann gibt es die normale Einstellung des Motors und dann kommt hinzu eine Regeneration von Partikelfilter oder Katalysatoren. Das läuft laufend während des Betriebes ab. Das heißt, jeder Motor hat mindestens fünf verschiedene Betriebsarten. Und die kann man je nach Bedarf an und abschalten. Das ist ganz normal."
    Ebenfalls ganz normal ist, dass die Hersteller ihre Motoren so optimieren, dass sie in den standardisierten Tests auf Prüfständen die gesetzlichen Bedingungen erfüllen. Das ist im Grunde erlaubt. Verboten ist es aber, dass ein Auto erkennt, ob es sich auf einem Prüfstand befindet und dann in eine Betriebsart wechselt, die nur für Prüfstände gedacht ist. Etwas in dieser Art wird Volkswagen nun vorgeworfen. Ob das stimmt und wie das technisch genau funktioniert haben soll – bisher kann man darüber nur spekulieren. Rolf Isermann will sich daran nicht beteiligen.
    "Hier sollten wir die authentischen Berichte des Herstellers abwarten. Da wird sehr viel spekuliert. Angenommen, es ist tatsächlich so, dass eine siebte oder achte Betriebsart zu den Vorhandenen hinzugenommen wird, die nur auf einen Prüfstand ablaufen, dann müsste uns erklärt werden, warum das gemacht wurde."