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Dieselverbot
"Wir dürfen die Kosten nicht bei dem Verbraucher abwälzen"

Um Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge in Großstädten abzuwenden, würden die beispielsweise von VW durchgeführten Softwareupdates nicht ausreichen, sagte Reinhard Kolke vom ADAC im Dlf. Für eine tatsächliche Emissionsminderung bedürfe es einer teuren Nachrüstung der Hardware.

Reinhard Kolke im Gespräch mit Ralf Krauter | 27.07.2017
    Das Wort Diesel steht an der Innenseite des Tankdeckels eines Dieselautos.
    Um die Stickoxid-Konzentration in Großstädten zu senken, könnte es beispielsweise in Stuttgart ab 2018 Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge geben. (dpa / Karl-Josef Hildenbrand)
    Ralf Krauter: Die Hersteller von Dieselfahrzeugen versprechen, ihre Autos nachzurüsten, mit dem Ziel, Fahrverbote, wie sie in Stuttgart ab 2018 drohen, doch noch abzuwenden. Ist die Hoffnung, die überhöhten Stickoxidemissionen in deutschen Großstädten mit diesen Nachrüstaktionen in den Griff zu bekommen, gerechtfertigt?
    Reinhard Kolke: Also ob bewusst oder unbewusst, sehen wir, dass es hier eine Verwirrung bei der Verwendung der Begrifflichkeiten gibt. Eine Nachrüstlösung, darunter stellt man sich – wir kennen das von der Nachrüstung der Dieselrußfilter –, da stellt man sich eine Hardwarenachrüstung vor, aber die Nachrüstlösung wird häufig eben allein mit einem Softwareupdate verglichen. Und wenn ich dann an mein IPhone denke, dann rüste ich ja nicht zweimal im Monat mein IPhone nach, wenn ich ein Softwareupdate bekomme, sondern wir sprechen hier eher über eine Nachbesserung oder vielleicht sogar über eine Reparaturlösung. Das heißt, hier müssen wir unterscheiden zwischen Nachbesserung und Softwareupdate und Nachrüstlösung, wenn es tatsächlich um Hardware im Abgasstreit geht.
    "Softwareupdate bedeutet, am Fahrzeug können wir 20 bis 25 Prozent der Emissionen senken"
    Krauter: Dann sprechen wir erstmal über die Softwareupdates, die VW ja in größerem Stil durchführt seit bald einem Jahr inzwischen. Sie haben ja dazu auch Untersuchungen gemacht. Wie hilfreich sind die wirklich? Machen die aus so einem Diesel der Euronorm 5 dann tatsächlich wieder ein großstadttaugliches Gefährt?
    Kolke: Ein Softwareupdate allein wird ein Euro-5-Fahrzeug nicht auf den Grenzwertstandard Euro 6 heben können. Das Softwareupdate bei Fahrzeugen, die eben nicht über umfangreiche Harnstoff- und Katalysatoren verfügen, erreicht eine Emissionsminderung in realitätsnahen Fahrzyklen von 20 bis 25 Prozent. Also, Softwareupdate bedeutet, am Fahrzeug können wir 20 bis 25 Prozent der Emissionen senken. Sollten Sie ein Fahrzeug haben, was leider selten der Fall ist, was bereits die moderne SCR- und Harnstofftechnik an Bord hat – dort hatten wir auch Nachprüfungen bei VW durchgeführt – konnte Volkswagen sogar die Emissionen um bis zu 60 Prozent senken, weil eben mehr Harnstoff eingedüst wurde in den Abgasstrang, und damit das Abgas auch wesentlich besser gesäubert wurde.
    Krauter: Jetzt haben wir gehört, auch Daimler hat ja zu einer freiwilligen Serviceaktion aufgerufen, wo Dieselfahrzeuge nachgerüstet werden. Sie haben das Stichwort Harnstoff gerade schon angesprochen. Bei Daimler sollen praktisch alle Fahrzeuge, die Euro-5- oder Euro-6-Norm erfüllen, sozusagen in die Werkstatt gerufen werden auf Kosten des Herstellers. Allerdings war da auch zu lesen, dass die Umstellung, die dort erfolgt, gar nicht dazu führt, dass mehr Harnstoff eingespritzt oder verbraucht wird. Kann denn dann so eine Nachrüstung tatsächlich irgendwas bringen?
    Kolke: Ich denke mir, wenn wir sagen, es wird nicht an der Harnstoffschraube gedreht, dann muss man davon ausgehen, dass wir uns hier im Bereich der Reparaturlösung befinden, also ein Softwareupdate, was die sogenannte Abgasrückführrate etwas erhöht. Und hier liegen wir im Bereich von maximal 25 Prozent Emissionsminderung, zumindest, wie wir das bei den VW-Fahrzeugen nachweisen konnten. Und was bringt das dann an der Messstelle, wo die Luftqualität eben entsprechend ungünstig ist? Das wird, wenn man die Hälfte aller Euro-5-Fahrzeuge so updaten würde, etwas unter zehn Prozent an Verbesserung der Luftqualität mit sich bringen. Das wird nicht der alleinige Weg sein, den man gehen kann.
    Kosten für Hardware-Nachrüstlösung werden bei 1.500 Euro liegen
    Krauter: Die Zahl, die Sie jetzt genannt haben, deckt sich ungefähr mit dem, was eine Gutachterin im Stuttgarter Prozess vorgetragen hat. Die kam zu dem Schluss, flächendeckende Nachrüstungen könnten die Werte an den Stuttgarter Hotspots um neun Prozent senken. Das heißt aber im Klartext, diese Nachrüstlösung, die Softwareupdate-Reparaturlösung wird nicht helfen, Stuttgarts Feinstaubproblem in den Griff zu bekommen?
    Kolke: Richtig. Ein flächendeckendes Softwareupdate allein kann es nicht richten. Das heißt, wer tatsächlich deutliche Emissionsminderung erreichen möchte, braucht eine Nachrüstlösung mit Hardware. Hier gibt es leider auch erst nur erste Prototypen, aber die Ergebnisse, die wir dort gemessen haben, sind erfolgversprechend. Emissionsminderungen von mehr als 90 Prozent konnten nachgewiesen werden, und damit könnte man natürlich schon sehr viel mehr erreichen.
    Krauter: Mit welchen Kosten würde so ein Hardwareupdate Pi mal Daumen pro Auto zu Buche schlagen?
    Kolke: Das ist in der Tat die Kröte, die damit geschluckt werden muss. Die Kosten einer solchen Hardware-Nachrüstlösung werden bei gut 1.500 Euro liegen. Wir als ADAC sind natürlich auch der Meinung, diese Kosten sollte nicht der Verbraucher tragen.
    Krauter: Der ADAC rät Verbrauchern unter anderem auch deswegen, gerade beim Dieselneuwagenkauf zumindest zur Zurückhaltung. Sie sagen, man soll warten, bis Modelle rauskommen, die den neuen Euro-6d-Standard erfüllen. Wäre der dann die Antwort auf die überhöhten Stickoxid-Messwerte in deutschen Großstädten?
    Kolke: Der ADAC empfiehlt zunächst, nicht den Kopf zu verlieren und differenziert die Entscheidungen zu treffen, die zu treffen sind. Wer nicht in die Umweltzone hineinfährt, kann auch weiterhin entspannt seinen Euro-4- oder seinen Euro-5-Fahrzeug fahren. Nicht jeder hat das Geld, sich mal eben einen Neuwagen zu kaufen. Aber in der Tat ist es so, dass der Grenzwertstandard Euro-6d der Grenzwertstandard ist, der dann auch nachweisen muss, dass er im Straßenbetrieb entsprechend niedrige Emissionen hat. Das sind die sogenannten RDE-Messungen, Real Driving Emission als Abkürzung. Die ersten Fahrzeugtypen sind zu erwarten Herbst 2017, so sieht es der Gesetzgeber vor. Die werden dann tatsächlich sehr sauber sein. Wir sehen auch heute schon im Eco-Test solche sauberen Fahrzeuge. Leider lassen die Hersteller die Fahrzeuge noch nicht nach diesen sauberen Standards zu, was uns wieder einmal verwirrt.
    "Auch grüne Wellen erreichen eine Minderung der Emissionen"
    Krauter: Zusammengefasst gefragt: Wir haben jetzt darüber gesprochen, dass diese Reparaturaktionen, die gerade laufen, wo man sich also auf ein Softwareupdate im Wesentlichen beschränkt, 20 bis 25 Prozent Reduktion der Stickoxidemissionen bringen können. Ist das also mehr als ein Feigenblatt, was die Automobilhersteller da gerade anbieten, im Vorfeld des Diesel-Gipfels kommende Woche?
    Kolke: Ich denke mir, die Interpretation, ob es ein Feigenblatt ist oder nicht, möchte ich anderen überlassen. Aber wir als ADAC sagen, lasst uns doch alles mitnehmen, was wir mitnehmen können. Und wenn wir die Luftqualität um zehn Prozent an entsprechenden Straßenzügen verbessern können, dann ist auch das eine gute Maßnahme. Aber wenn wir über ein echtes Maßnahmenpaket sprechen, dann müssen wir natürlich auch den öffentlichen Verkehr und die Busse nachrüsten und Taxen nachrüsten. Wir müssen darüber sprechen, dass wir den öffentlichen Verkehr attraktiv gestalten und letzten Endes, auch grüne Wellen erreichen eine Minderung der Emissionen.
    Krauter: Was erwarten Sie von dem Diesel-Gipfel kommenden Mittwoch?
    Kolke: Die Erwartungen an den Diesel-Gipfel sind sicherlich aufseiten der Verbraucherschutzverbände und auch aufseiten des ADAC zunächst eher zurückhaltend, weil letzten Endes Automobilhersteller eingeladen sind, ihre Vorschläge zu unterbreiten. Der Verbraucher, vertreten durch Verbraucherschutzverbände wie den ADAC, ist gar nicht geladen.
    Krauter: Und was müsste idealerweise herauskommen, damit auch Sie als Verbrauchervertreter sagen, das war ein Erfolg, dieser Gipfel?
    Kolke: Wir brauchen ein Gesamtpaket von Maßnahmen, um die Luftqualität in den Innenstädten zu verbessern. Die Maßnahmen hatte ich exemplarisch gerade schon aufgezählt. Wir dürfen die Kosten nicht bei dem Verbraucher abwälzen, der im besten Wissen sich ein Euro-5-Auto gekauft hat und jetzt plötzlich vor der Entscheidung steht, was passiert eigentlich in Zukunft, wenn ich gezwungen bin, noch weiter in die Stadt hineinzufahren. Und letzten Endes ist hier auch die Automobilindustrie und natürlich auch der Staat aufgefordert, entsprechende Maßnahmen festzulegen, sodass Kosten nicht allein beim Verbraucher abgewälzt werden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.