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Der deutsche Presseerat, die freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien in Deutschland, hat in dieser Woche seinen neuesten Jahresbericht veröffentlicht. Aus über 500 bearbeiteten Beschwerden verhängte das Gremium 26 Rügen, davon einige auch wegen unlauterer Vermischung von Werbung und redaktionellem Teil. Der Trend zu Werbung und PR auch im redaktionellen Teil ist in den letzten Jahren drastisch angestiegen.

Von Michael Meyer |
    Schleichwerbung ist in allen Printmedien auf dem Vormarsch – so das Fazit der Gutachter des deutschen Presserats. Längst nicht immer sind die Werbemethoden presserechtlich bedenklich, aber: Es gibt eine eindeutige Tendenz, dem Leser nicht mehr deutlich zu zeigen: Hier handelt es sich um Werbung- man will stattdessen einen sanften Übergang schaffen zwischen dem redaktionellen Teil und den werblichen Inhalten.

    Das beginnt bei der Methode, den gleichen Schrifttyp des jeweiligen Mediums zu wählen und dann eine ganze Seite über neue Diätmethoden, neue Autos oder neue Reiseziele zu veröffentlichen. Nur ganz klein, meist oben rechts, steht der Hinweis "Anzeige".

    Der diesjährige Bericht des Presserats, in dem es auch ganz wesentlich auch um die mangelnde Trennung zwischen Werbung und Journalismus geht, listet Beispiele vor allem aus dem Bereich der Fachzeitschriften und der Lokalzeitungen auf. Da wird in einem Text einer Zeitschrift für Radfahrer unverhohlen für Nahrungsergänzungsmittel geworben, eine Fernsehzeitschrift interviewt einen Mediziner zu einem angeblich sehr erfolgreichen Diätprodukt, und das in werblicher Absicht – oder eine Lokalzeitung macht offen Werbung für einen Juwelier, in dem ein Text die vielen zufriedenen Prominenten erwähnt, die der Juwelier als Kunden habe.

    All diese Fälle behandelte der Presserat aufgrund von Beschwerden von Lesern – das Problem der mangelnden Trennung von Werbung und Redaktion beobachte das Gremium aber durchaus auch grundsätzlich und langfristig, sagt die Sprecherin des Deutschen Presserats, Ilka Desgranges:

    Fälle von größerer oder allgemeiner Bedeutung bringen wir ins Plenum – da sind dann alle Mitglieder anwesend, da wird dann darüber gesprochen, und damit gehen wir auch an die Öffentlichkeit. Ein Beispiel: Im neuen Jahrbuch, das wir gerade vorgestellt haben, gibt es Texte zum Trennungsgrundsatz, weil wir der Meinung sind, dass dieser Trennungsgrundsatz beachtet werden muss, dass die Mischung von PR und redaktionellen Inhalten nicht nur Journalisten und ihrem Ruf schadet, sondern möglicherweise auch den Verlagen, denn die haben ja nun auch ein Anzeigengeschäft.

    Immer wieder wird dem Deutschen Presserat vorgeworfen, ein "zahnloser Tiger" zu sein, und auch beim Thema PR und Journalismus ratlos vor einer immer stärker werdenden Vermischung zu stehen. Angesichts einer tiefgreifenden Strukturkrise der Zeitungen werde die Grenze immer durchlässiger, so das einhellige Urteil in der Zeitungsbranche, vor allem im Auto-, Medizin- und Reisejournalismus.

    Wenn die Süddeutsche Zeitung jeden Samstag einen lobendenden Text zum neuen Roman ihrer Buchreihe veröffentlicht, zeige auch dieses kleine Beispiel die Hilflosigkeit des Presserats, meinen Branchenbeobachter. Ein paar kritische Texte im Jahrbuch des Presserats allein würden da nicht weiterhelfen.

    Einen ganz anderen Grund für den immer stärker werdenden Einfluss von PR und Werbung auf den Journalismus sieht Thomas Leif, Chefreporter beim Fernsehen des Südwestrundfunks und Vorsitzender der Initiative Netzwerk Recherche. Leif meint, dass die zunehmende Mittelknappheit in den Redaktionen dazu führt, dass Recherche ein Luxus geworden ist. Kein Wunder also, dass Redakteure oft auf PR-Material zurückgreifen:

    Wir müssen uns nichts vormachen: In der Regel ist das KISS- Prinzip angefragt, keep it small and simple – und eine Produktion, die tagesaktuell ist, sowohl im Hörfunk wie im Pressebereich, Lokalzeitung ganz extrem, da geht es soweit, dass noch mehr PR-Material abgefordert wird, das heißt wir haben es mit einer starken Tendenz der Entwortung im Journalismus zu tun, immer weniger Leute müssen immer mehr produzieren, es muss immer schneller produziert werden, und immer mehr gestützt auf Agenturmaterial, PR-Material, oder Impulse von außen. Das heißt für Recherche ist wenig Platz, recherchierende Journalisten haben es schwer und können nicht damit rechnen, das es bezahlt wird.

    Wie sich der Einfluss von Werbung und PR in den nächsten Jahren verändert, wird also nicht zuletzt von den ökonomischen Möglichkeiten der Medien abhängen – eines steht jedoch jetzt schon fest: Die Zahl der in PR-Agenturen tätigen Mitarbeiter ist in den letzten Jahren beständig gestiegen. Hält die Entwicklung an, wird laut Schätzung des Deutschen Journalistenverbands die Zahl der PR-Mitarbeiter noch in diesem Jahrzehnt die der Journalisten in Deutschland übersteigen.
    Dr. Ilka Desgranges, Sprecherin des Deutschen Presserates
    Dr. Ilka Desgranges, Sprecherin des Deutschen Presserates (Deutscher Presserat)