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"Dieser Riesenhirsch ist eine Laune der Natur"

Mehr als 99 Prozent seiner Entwicklungszeit auf der Erde lebte der Mensch von der Jagd, sie gehört zu seiner Urgeschichte. Von den Wandmalereien in Lascaux über den Hörnerklang höfischer Jagdmusiken bis zum Hirsch als beliebtem Kitschsymbol prägt die Jagd unsere Kultur. Sie hat ihre Rituale, ihre Sprache und zu jeder Zeit ihre erbitterten Gegner. Sie ist Privileg der Mächtigen und sie ist volkstümlich. Jagd ist Passion.

Von Irmgard Maenner | 07.10.2006
    Eng mit der Jagd verbunden stellen sich philosophische Grundfragen: In welchem Verhältnis steht der Mensch zur Natur? Wie stark leiten uns Instinkt oder Zivilisation? Wer darf Tiere töten, wo und wie? Was ist überhaupt Natur? Jede Zeit gibt andere Antworten auf diese Fragen.

    Irmgard Maenner begleitete Jäger bei Treibjagden, auf dem Ansitz und am Lagerfeuer, besuchte einen Falkner, sprach mit Kulturwissenschaftlern und fand die Jagd in Literatur und Philosophie. Die Lange Nacht der Jagd erzählt von pflichtsäumigen Kaisern, gefährlichen Sauen, religiösen Erscheinungen und Wildrezepten.
    Schon in der Altsteinzeit wurde von Menschen gejagt - "Jäger und Sammler" ist die gängige Bezeichnung für die Menschen dieser Zeit. Die Jagd diente hauptsächlich zur Nahrungsversorgung und lieferte neben Fleisch wertvolle tierische Nebenprodukte wie Knochen und Felle.

    Mit der zunehmenden Sesshaftigkeit und der damit verbundenen Domestizierung von Tieren trat die Jagd als Lebensgrundlage bei weiten Teilen der Bevölkerung zunehmend in den Hintergrund. Schon in den antiken Hochkulturen wurde die Jagd als Freizeitvergnügen betrachtet. Sie wurde zunehmend nur noch von einem kleinen Teil der Gesamtbevölkerung ausgeübt. Doch gab es jagdbezogene Kulte für Gottheiten, denen das Jagen besonders geheiligt war - so die griechische Göttin Artemis und die römische Göttin Diana. Auch unter den Heiligen der katholischen Kirche ist ein Patron der Jäger, der Hl. Hubertus. Weiterlesen: Wikipedia: Jagd

    Prof. Dr. Sigrid Schwenk: Leiterin des Forschungsstelle für Jagdkultur an der Technischen Universität München
    Sigrid Schwenk: "Das Interessante ist, dass in allen Kulturen, und zwar sowohl in den Kulturen dieser ursprünglichen Völker wie in den Hochkulturen die Jagd immer eine ganz große Rolle spielte. Und zwar die Jagd gerade dann ihren Wert steigerte, als sie nicht mehr überlebensnotwendig war ... dass man sehr frühzeitig festgestellt hat, dass diejenigen, die später ein verantwortungsvolles Amt im Staat ausüben sollten, dieses lernen konnten, indem sie jagen lernten. Denn -und es war meistens die männliche Jugend - sie lernten beim Jagen einmal, modern ausgedrückt: Teamwork. Und auch da war es: in der Gruppe etwas Positives zu tun. Und zweitens, wenn sie hinausgingen, mussten sie in der Landschaft sehr schnell eine vielleicht sogar sehr komplizierte Situation, die sich beim Jagen einstellt, sehr schnell erfassen, richtig einordnen und dann die richtige Entscheidung treffen. Und diese richtige Entscheidung schnell treffen, denn oft lässt ihnen das Tier, das Wild nicht sehr viel Möglichkeiten da lange drüber nachzudenken und diese Entscheidung sehr schnell auszuüben. Und als Beispiel, das jedem einleuchtet, der auch nichts mit der Jagd zu tun hat, ist, wie man einer angeregten Sau, einem Wildschwein mit einem Sauspieß gegenüber steht. Da die falsche Entscheidung, oder die technisch nicht richtig ausgeübte Entscheidung wäre die letzte gewesen in ihrem Leben. "

    Eberhard von Gemmingen-Hornberg, Grundbesitzer und Jäger": "Geschichten um die Jagd nehmen oft unvorhergesehene Wendungen: Der riesige Hirsch ist ein Zuchttier. Wahrscheinlich stammt er aus einem Gehege in Österreich. Gehegetiere erhalten Calcium, deshalb wachsen ihnen größere Geweihe als wild lebenden Artgenossen. Der Hirsch wurde in die Wälder Bulgariens transportiert und sein Abschuss über eine Jagdreisefirma mit Sitz in New York teuer verkauft. Der Jäger deckte den Betrug auf, nachdem er im Internet ein Foto fand, das seinen Hirsch an einer Futterkrippe zeigt."
    Der Rothirsch, der am 1. September in Bulgarien zur Strecke gekommen
    ist, stammt aus einem Gatter. Der Internationale Jagdrat zur Erhaltung
    des Wildes (CIC) hat das Ergebnis einer ad hoc zusammengekommenen
    Trophäenkommission (278, 03 CIC-Punkte) annulliert. Eine kurze
    Chronologie: Jagen Weltweit

    Die Rückkehr des Luchses im Landkreis Tirschenreuth von Eberhard Freiherr von Gemmingen-Hornberg

    Hans Werner Schäfer, Jäger: "Wenn ich auf einen Ansitz gehe und ich bin ja viele Stunden ganz allein mit mir selbst und der umgebenden Natur, dann hat man sehr viel Zeit über vieles nachzudenken. Man wird ruhig, man kriegt sich selbst wieder ein. Und dann erfährt man etwas von diesem Naturbegriff. Wenn ich zum Beispiel den Sternenhimmeln nehme. ...Das ist so gewaltig. Wenn man jetzt an den Tsunami denkt. Da kann man sehen, was Natur ist. Das ist Natur. Und da hat sich etwas geregt, was etwas völlig Normales ist für die Natur, aber nach unseren moralischen Vorstellungen passt so etwas nicht ins Bild. Das ist Natur und innerhalb dieser gewaltigen Natur, die im Grunde macht, was sie will, da leben wir Menschen und ich glaube so rum wird erst ein Bild von der Wirklichkeit. Und nicht nur, was wir uns zusammenschnitzen, wenn wir glauben, Natur sei das was wir zuhause in unseren kleinen Gärten haben, was wir pflegen und nach unseren Vorstellungen zurechtschneiden und -formen können. Ich denke, das ist eine sehr große Illusion. "

    Den Grundstock der Sammlung bilden fast 1000 präparierte Tiere (Fische, Vögel, Haarwild). Hinzu kommen Schädel und biologische Präparate. Überragende Bedeutung haben die Gemälde, Handzeichnungen und Grafiken, die Sammlung von Gläsern und Porzellan mit vielfältigen Jagd- und Tiermotiven. Reichhaltig ist die Sammlung der Jagdwaffen mit kunstvollen Gravierungen, Intarsien und figürlichen Reliefs. Weiterlesen: Deutsches Jagd- und Fischereimuseum München

    Ausschnitt aus dem Manuskript:

    Winselnd zerren Hunde an ihren Leinen. Angeregte Spannung herrscht auf der Lichtung. Die Männer sammeln sich um Revierinhaber Malte Eberwein, der seine Jagdgäste begrüßt. Die Ansprache macht deutlich: der Jagdtag ist aufs Genaueste organisiert und durchgeplant. Es liegt fest, von wann bis wann geschossen werden darf, was und wie geschossen wird. Rotwild: also der klassische Hirsch, Damwild, etwas kleiner und gefleckt, Rehe und Schwarzwild, also Wildscheine. Die Fachsprache der Jäger differenziert genauer. Da ist die Rede von 'Schmaltieren', 'Hirschen bis zum ungeraden Achter', 'Spiessern, die nur ein Horn haben' und 'Kniepern mit Schaufeln'. Beim Schwarzwild sind es 'Überläufer, die sind kniehoch'. 'Reife Keiler' können ebenfalls geschossen werden. Reif sind Keiler ab fünf Jahren und das Alter sieht man an den Zähnen. Eberwein zieht eine Zigarette aus der Hosentasche und sagt: Wenn die Zähne so lang sind, dann ist er reif. Die Männer lachen.

    Dann wird auf's Regelwerk verwiesen: Die Jäger sollen "sorgfältig ansprechen", das heißt das Wild genau identifizieren bevor sie schießen. Jungtiere werden grundsätzlich vor den Muttertieren geschossen. Weitschüsse, oder Schüsse auf hochflüchtiges sehr schnelles Wild soll es nicht geben. "Schiessen Sie bitte sauber, so dass wir das Wild nachher noch verwerten können." sagt er.

    Danach geht es um die Vermeidung von Gefahren "Die Waffe wird erst auf dem Stand geladen und auch dort wieder entladen, bitte. Achten Sie, bevor Sie schießen, unbedingt darauf, dass Sie Kugelfang haben. Heute ist der Boden hart gefroren und es kann zu Querschlägern kommen. Diejenigen, die Hochsitze haben, werden gewarnt: Seien sie vorsichtig beim Rauf- und Runtersteigen. Es ist alles glatt."

    Eberwein wünscht allen einen "guten Anblick und Weidmannsheil!"

    Sofort gerät der ganze Platz in Bewegung. Namen werden aufgerufen, Gruppen eingeteilt. Trupps von Männern formieren sich und verschwinden in Autos oder im Wald. Sie werden an durchnummerierten, strategisch günstigen Standorten abgesetzt, dort, wo sie gute Chancen haben, Wild zu sehen und gleichzeitig so weit von den anderen Jägern entfernt sind, dass kein Schuss einen der ihren trifft. Ihr 'Stand', das bedeutet vielleicht nicht mehr als eine Nummer, die an einen Baumstamm gepinselt wurde. Diesen Platz während der Jagd zu verlassen, ist streng verboten. Hier sind die Jäger dann allein.

    Gerhard Schneider, Forstamtsleiter: "Das ist der alte Konflikt, der bei dieser Diskussion Wald - Wild immer aufkommt. Weil wir Förster natürlich in erster Linie den Wald sehen, so steht es auch im bayerischen Waldgesetz: "Wald vor Wild" Da hat der Gesetzgeber Gott sei Dank auch eine klare Aussage getroffen. Weil früher hieß das immer Wald und Wild, da waren keine Prioritäten gesetzt. Jetzt ist es klar und dann haben wir da den Rücken frei für unsere Arbeit und wir reduzieren das Rehwild. Jetzt stellen Sie sich mal so einen Laubholzbaum vor, der ist so hoch und hat ja immer einen Gipfeltrieb und das ist die größte und saftigste, beste und schmackhafteste Knospe, die zwicken's ab und dann haben Sie erst einmal für 5/6 Jahre kein Höhenwachstum mehr, sondern der wächst erst einmal zur Seite, und dann haben Sie so lange kein Wachstum mehr bis dann ein Seitentrieb den Höhenersatztrieb ausformt. Dann haben Sie natürlich einen Riesenzeitverlust und auch einen Riesenqualitätsverlust, weil sie dann auf einem Meter Höhe so ein Knie drin haben, das das Holz entwertet. Und das alles nur wegen des Abbeißens einer einzigen Knospe. "
    Herbert Strößenreuther, Forstleiter im Privatforst und Jäger: "Es wird immer stiller. Sie hören die verschiedenen Vogelstimmen. ... Eine fast totale Stille ist eigentlich fast immer ein tolles Erlebnis. Sie hören dann, wenn es dunkel ist relativ wenig, aber Sie hören etwas anderes. Es knistert dann da wieder mal im Busch oder so. Es ist ganz toll, einfach das Lautspektrum aufzunehmen und zu verinnerlichen. Was hörst du da? Was könnte das gewesen sein? Und die verschiedenen Gerüche, - zu jeder Jahreszeit sind sie anders. Wenn Heuernte ist, haben sie den Geruch des Heus, im Winter des Laubs. Wenn es regnet, haben Sie den Geruch, wenn die Sonne wiederkommt und das frische Regenwasser zu verdunsten anfängt. Das ist eigentlich ganz toll. Mit den ganzen Sinnen dabei zu sein, ist auch ein Grund auf die Jagd zu gehen."
    Deutscher Falkenorden
    Auszug aus dem Manuskript:

    Er soll nicht sehr verschlafen seyn: denn er muss offt spaet zu Bett gehen, bey der Nacht seinen Vogel suchen, und vor Tags aufstehen: Er soll einen leisen Schlaf haben, damit er die Bell hoere, oder wenn sein Vogel unruhig ist: Er soll nicht gar zu gefreßig seyn, dass er, wann er ausser seinem Hauß oder auf dem Feld ist, oder auch seinen Vogel verlohren hat, nicht zuvor nach Hauß gehe zu essen, und seinen Vogel darueber vergesse: Er soll kein Saeuffer seyn, weil die Trunckenheit eine Art der Raserey ist, wodurch er gar leicht seinen Vogel verderben wird, ob er schon meint, er gehe recht mit ihm um: Er soll nicht hitzig noch jaehzornig seyn: Dann der Vogel koennte leicht was thun, darueber er sich erzoerne, und in dem Zorn eine boese Bewegung mache, dadurch er den Vogel, der ohnehin schwach ist, gar leicht verderbe: Er soll nicht faul oder nachlaeßig seyn, weil diese Kunst viel Muehe und Arbeit erfordert: Er soll einen langen Handschuh anhaben, der bis an den Elenbogen geht, und weit ist, dass er ihn geschwind an= und ausziehen kan, und der von einem dicken Leder gemacht ist, dann der Falck wird sich nicht so sehr in dem Handschuh halten, und mit dem Bec und Klauen nicht so leicht durchgreiffen koennen. Uber das soll er an seinem Guertel eine Tasche haben, worein er das Fleisch und Zieget thut, welche deswegen die Falcken oder Waid=Tasche heißt.

    Eckart Mikisch: Falkner: "Hallo, Mädele, ja wo bist du denn? Das ist die tägliche Begrüßung, Das Klingeln das sind Glocken die sie an den Füssen haben, damit ich sie später, wenn ich sie fliegen lasse auch wieder finde. Wenn sie irgendwo am Baum sitzen, dann kann ich praktisch den Glocken nachgehen, dass ich sie finde. Des hinten rechts ist ein Weib, die ist 15 Jahre alt, Steinadlerweib. Sie hat bis jetzt neun Junge hervorgebracht. Vorne rechts, des ist a Terzl, der ist dreijährig. Links von mir, das ist auch ein Terzl, auch von mir gezüchtet, der hat also einen massiv goldenen Ring, weil es der erste Terzl war, den ich gezüchtet hab. Also mit die Terzl gehe ich hauptsächlich auf die Jagd nach Hasen und mit die Weiber auf Fuchs oder auf Reh. Hinten links das ist das zweite Weib, auch ein Weib, sie ist drei Jahre alt. Das hört man am dunkleren Klang. Das ist der Hauptvogel für die Jagd. Mir ihr gehe ich dann hauptsächlich auf Rehe jagen."

    Sigrid Schwenk: "Falknerei ist ein besonders faszinierender Teil der Jagd, weil sie das natürliche Gefüge widerspiegelt, denn hier ist es ein wildes Tier, ein Greifvogel, der vom Menschen abgerichtet ist, der auf Wild geflogen wird, und der dieses so fängt ist wie es in der Natur ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass bei der Falknerei in der Regel fünf bis sechs Flüge notwendig sind, bis ein Flug die Beute bringt, das heißt, es ist eine Ausgewogenheit zwischen dem Jäger und der Beute da, die sonst nicht mehr gegeben ist. Wir haben immer die Schwierigkeit in der Jagd, dass wir hin und her gerissen sind. Auf der einen Seite sollten wir alle Möglichkeit der Technik ausnutzen, um das richtige Wild möglichst schnell und schmerzlos zu töten. Auf der anderen Seite ist jede technische Neuerung ja wieder ein Verschieben des Gleichgewichts zwischen dem bejagten Tier und dem Jäger. Und das macht schon Schwierigkeiten. Ich würde zwar immer sagen, dass der Tierschutz vorgeht. Das Tier soll möglichst keine Schmerzen erleiden, aber man fühlt sich manchmal nicht so ganz wohl wegen der technischen Überlegenheit. Bei der Beizjagd ist das etwas anderes. Etwas Zweites macht die Faszination aus. Der Beizvogel bleibt ja immer ein wildes Tier. das heißt anders als ein Hund, der doch sehr auf den Menschen geprägt ist bleibt der Beizvogel wild. Er hat die Möglichkeit jederzeit zu entschwinden. Er kehrt immer freiwillig zurück. Das ist also eine ganz große Partnerschaft zwischen dem Beizvogel und dem Falkner und auch zwischen dem Hund, der bei vielen Beizjagden mit dabei ist. Und ganz faszinierend wird es dort, wo auch noch das Pferd mit eingebunden ist. "

    Links.

    www. oejv.de
    Ökologischer Jagdverband

    www.weiberrevier.de
    Frauen auf der Jagd
    Studienfakultät für Forstwissenschaft und Ressourcenmanagement

    jagd.de

    DJV intern - Adressen von A bis Z

    Das Jagd-Portal

    PIRSCH-Online

    NABU - Naturschutzbund zu Themen der Jagd

    Verband deutscher Sportfischer

    Deutsche Jagdzeitung

    Textausschnitte:
    "Manito lehrt seine roten Kinder das Jagen", Indianermärchen
    "Die Jagdabenteuer des Herkules", aus: Gustav Schwab, Die schönsten Sagen des klassischen Altertums.
    'Betrachtungen über die Jagd' Ortega y Gasset.
    Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen: 'De arte venandi cum avibus'.
    Gottfried August Bürger:' Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande - Feldzüge
    Die Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen'