Michael Köhler: Ob EKD-Präses Schneider bei der Trauerfeier in Duisburg für die Opfer der Loveparade-Katastrophe mit seiner Charakterisierung der Loveparade als Totentanz kunsthistorisch so richtig lag, das wollen wir hier nicht besprechen, aber die Zeremonie mit der Staatsspitze – immerhin aus Bundespräsident, Bundestagspräsident, Bundeskanzlerin, Bundesaußenminister, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin und natürlich den Angehörigen –, sie wurde in mehr als zehn Kirchen auf Großleinwand und ins Fußballstadion des MSV Duisburg auch übertragen. Frage an Bernd Gäbler, Medienhistoriker und Medienpublizist: War es denn so gut besucht wie vermutet und erwartet?
Bernd Gäbler: Natürlich überhaupt nicht, und das fand ich schon sehr interessant bei dieser Trauerfeier: Tatsächlich stand im Zentrum die Kirche und nicht das Stadion. Die ARD hatte zu ihrer Übertragung den Moderatorentisch dort aufgebaut im Stadion, und anfangs erschienen sie fast ein bisschen enttäuscht zu sein, die Moderatoren, über die geringe Teilnehmerzahl. Aber sie zeigt vielleicht was – vielleicht waren die Leute vor Ort besonnen, vielleicht aber auch nur vorsichtig, zumindest wollte man wohl nicht auch noch bei der Trauerfeier diesem Reiz des Massenhaften erliegen.
Köhler: Sie sprechen damit den Punkt an, seit dem Tod und dem Trauern des Fußballtorhüters Robert Enke ist öffentliches Großtrauern, ich will es nicht als zynisch verstanden wissen, aber so eine Art Mode geworden. Diesmal war es offenbar ein bisschen anders: Ein Kreuz, ein Fisch, eine Traube und ein Regenbogen waren auf 21 Kerzen für die Opfer der Loveparade-Katastrophe vom letzten Samstag zu sehen. Wie stufen Sie dieses öffentliche Großtrauern ein, denn immerhin Übertragung auf mehrere Großleinwände – wie hat sich das Ihnen dargeboten?
Gäbler: Also zunächst mal muss ich sagen, dass dieses Bild, was Sie erwähnt haben mit den Kerzen, die entzündet wurden – Helfer haben 21 Kerzen entzündet – für mich das eindrücklichste Bild war. Da wurde zu geschwiegen, so wurde der Toten gedacht. Sie waren noch, kann man vielleicht sagen, entindividualisiert. Es wurden keine Bilder gezeigt, keine Namen aufgezählt der Toten, aber es wurde ihnen so eindrücklich eine Art Denkmal gesetzt. Dieses öffentliche Trauern hat natürlich eine Ambivalenz, weil Trauer ist eigentlich die sehr private Emotion über den Verlust eines Nahestehenden, eines womöglich Geliebten aus der unmittelbaren persönlichen Nähe. Und das wird nun öffentlich zelebriert.
Köhler: Sie würden sich doch sicherlich auch nicht wünschen, dass irgendwie ein Kamerateam dabeisteht, wenn ein Angehöriger von Ihnen beerdigt wird, oder?
Gäbler: So ist es, aber die Kameras waren auch sehr dezent. Sie haben eigentlich eher die Repräsentanten des Staates gezeigt, weniger auf die Angehörigen gehalten. Also es ist eine Ambivalenz da drin, aber es gibt natürlich für Trauer immer auch Riten und Rituale öffentlicher Natur, und die weltliche Rede, die Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin, gehalten hat, war gewissermaßen ein Anhang. Also es war eine deutliche religiöse Dominanz der Feier. Wahrscheinlich entspricht beides einem gewissen Stadium der Trauer, weil eben nicht eine sehr reife Trauer offensichtlich vorhanden war, sondern eine sehr komplexe gemischte Gefühlslage.
Köhler: Also deutlich kein Popevent oder so was. Als 1967 Konrad Adenauer in einer Art Rheinwallfahrt überführt wurde in seinen Heimat Rhöndorf, war ich ein kleines Kind und ich habe das im Fernsehen gesehen und das war auch sehr eindrücklich, demokratisch, man konnte daran teilhaben, ohne gleich anwesend zu sein, und die Menschen standen an den Ufern, schwiegen. Heute hat man so ein bisschen den Eindruck, was nicht gesendet wird, gibt es nicht?
Gäbler: Das mag sein, aber heute hatte man auch den Eindruck, dass die Leute doch eher entweder in die Kirchen gingen oder zu Hause im privaten Kreis via Medien an dieser Trauerfeier teilgenommen haben. Sie wollten sich nicht selbst inszenieren. Ich glaube, das liegt auch daran, dass es besondere Umstände dieser Feier gibt, die wir ja alle wissen, es war eben keine Tragödie, kein einfacher Schicksalsschlag, sondern Produkt menschlicher Fahrlässigkeit oder man könnte die sagen die genehmigte Katastrophe, wie eine Zeitschrift geschrieben hat. Also sind noch sehr viele Fragen offen, und ich glaube, es gab eine – wie gesagt – komplexe Gefühlslage.
Es gab Trauer, aber auch Wut und Scham. Ich glaube, die Scham ist weitgehend unterdrückt. Fast dominant sind die zustimmenden Worte zu der sehr einfachen, sehr unpathetischen, aber gerade darum, glaube ich, den Menschen sehr nahen Rede von Hannelore Kraft, sie wird fast durch die Bank via Twitter gelobt, und manches Unverständnis darüber, dass der Bundespräsident nur stumm getrauert hat und nicht geredet hat. Das war ja bei den anderen großen öffentlichen Trauerfeiern – denken wir Erfurt, denken wir an Winnenden –, sodass die Worte des Bundespräsidenten das Dominante waren, also dass hier auch sozusagen sofort eine live Eins-zu-eins-Begleitung dieser Trauerfeier, die aber insgesamt wohl den Ton , einen ersten Ruhepunkt zu setzen, noch nicht die große Versöhnung zu sein, sondern auszudrücken auch, ja, es gibt eine christliche Hoffnung, aber im Weltlichen ganz viele offene Fragen von Schuld, von Scham, von Verantwortung, von Wut. Das wurde in einer gewissen Weise subkutan mit transportiert in dieser unpathetischen Rede von Hannelore Kraft, die aber die Stimmung traf.
Köhler: Sagt Bernd Gäbler, Medienhistoriker und Publizist, mit einer Art Bildbeschreibung der Trauerfeier von heute Vormittag.
Bernd Gäbler: Natürlich überhaupt nicht, und das fand ich schon sehr interessant bei dieser Trauerfeier: Tatsächlich stand im Zentrum die Kirche und nicht das Stadion. Die ARD hatte zu ihrer Übertragung den Moderatorentisch dort aufgebaut im Stadion, und anfangs erschienen sie fast ein bisschen enttäuscht zu sein, die Moderatoren, über die geringe Teilnehmerzahl. Aber sie zeigt vielleicht was – vielleicht waren die Leute vor Ort besonnen, vielleicht aber auch nur vorsichtig, zumindest wollte man wohl nicht auch noch bei der Trauerfeier diesem Reiz des Massenhaften erliegen.
Köhler: Sie sprechen damit den Punkt an, seit dem Tod und dem Trauern des Fußballtorhüters Robert Enke ist öffentliches Großtrauern, ich will es nicht als zynisch verstanden wissen, aber so eine Art Mode geworden. Diesmal war es offenbar ein bisschen anders: Ein Kreuz, ein Fisch, eine Traube und ein Regenbogen waren auf 21 Kerzen für die Opfer der Loveparade-Katastrophe vom letzten Samstag zu sehen. Wie stufen Sie dieses öffentliche Großtrauern ein, denn immerhin Übertragung auf mehrere Großleinwände – wie hat sich das Ihnen dargeboten?
Gäbler: Also zunächst mal muss ich sagen, dass dieses Bild, was Sie erwähnt haben mit den Kerzen, die entzündet wurden – Helfer haben 21 Kerzen entzündet – für mich das eindrücklichste Bild war. Da wurde zu geschwiegen, so wurde der Toten gedacht. Sie waren noch, kann man vielleicht sagen, entindividualisiert. Es wurden keine Bilder gezeigt, keine Namen aufgezählt der Toten, aber es wurde ihnen so eindrücklich eine Art Denkmal gesetzt. Dieses öffentliche Trauern hat natürlich eine Ambivalenz, weil Trauer ist eigentlich die sehr private Emotion über den Verlust eines Nahestehenden, eines womöglich Geliebten aus der unmittelbaren persönlichen Nähe. Und das wird nun öffentlich zelebriert.
Köhler: Sie würden sich doch sicherlich auch nicht wünschen, dass irgendwie ein Kamerateam dabeisteht, wenn ein Angehöriger von Ihnen beerdigt wird, oder?
Gäbler: So ist es, aber die Kameras waren auch sehr dezent. Sie haben eigentlich eher die Repräsentanten des Staates gezeigt, weniger auf die Angehörigen gehalten. Also es ist eine Ambivalenz da drin, aber es gibt natürlich für Trauer immer auch Riten und Rituale öffentlicher Natur, und die weltliche Rede, die Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin, gehalten hat, war gewissermaßen ein Anhang. Also es war eine deutliche religiöse Dominanz der Feier. Wahrscheinlich entspricht beides einem gewissen Stadium der Trauer, weil eben nicht eine sehr reife Trauer offensichtlich vorhanden war, sondern eine sehr komplexe gemischte Gefühlslage.
Köhler: Also deutlich kein Popevent oder so was. Als 1967 Konrad Adenauer in einer Art Rheinwallfahrt überführt wurde in seinen Heimat Rhöndorf, war ich ein kleines Kind und ich habe das im Fernsehen gesehen und das war auch sehr eindrücklich, demokratisch, man konnte daran teilhaben, ohne gleich anwesend zu sein, und die Menschen standen an den Ufern, schwiegen. Heute hat man so ein bisschen den Eindruck, was nicht gesendet wird, gibt es nicht?
Gäbler: Das mag sein, aber heute hatte man auch den Eindruck, dass die Leute doch eher entweder in die Kirchen gingen oder zu Hause im privaten Kreis via Medien an dieser Trauerfeier teilgenommen haben. Sie wollten sich nicht selbst inszenieren. Ich glaube, das liegt auch daran, dass es besondere Umstände dieser Feier gibt, die wir ja alle wissen, es war eben keine Tragödie, kein einfacher Schicksalsschlag, sondern Produkt menschlicher Fahrlässigkeit oder man könnte die sagen die genehmigte Katastrophe, wie eine Zeitschrift geschrieben hat. Also sind noch sehr viele Fragen offen, und ich glaube, es gab eine – wie gesagt – komplexe Gefühlslage.
Es gab Trauer, aber auch Wut und Scham. Ich glaube, die Scham ist weitgehend unterdrückt. Fast dominant sind die zustimmenden Worte zu der sehr einfachen, sehr unpathetischen, aber gerade darum, glaube ich, den Menschen sehr nahen Rede von Hannelore Kraft, sie wird fast durch die Bank via Twitter gelobt, und manches Unverständnis darüber, dass der Bundespräsident nur stumm getrauert hat und nicht geredet hat. Das war ja bei den anderen großen öffentlichen Trauerfeiern – denken wir Erfurt, denken wir an Winnenden –, sodass die Worte des Bundespräsidenten das Dominante waren, also dass hier auch sozusagen sofort eine live Eins-zu-eins-Begleitung dieser Trauerfeier, die aber insgesamt wohl den Ton , einen ersten Ruhepunkt zu setzen, noch nicht die große Versöhnung zu sein, sondern auszudrücken auch, ja, es gibt eine christliche Hoffnung, aber im Weltlichen ganz viele offene Fragen von Schuld, von Scham, von Verantwortung, von Wut. Das wurde in einer gewissen Weise subkutan mit transportiert in dieser unpathetischen Rede von Hannelore Kraft, die aber die Stimmung traf.
Köhler: Sagt Bernd Gäbler, Medienhistoriker und Publizist, mit einer Art Bildbeschreibung der Trauerfeier von heute Vormittag.