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Dieter Hallervorden
"Ich verdanke Didi viel"

Bekannt geworden ist der Schauspieler, Kabarettist und Theaterbesitzer Dieter Hallervorden, der am Samstag 80 Jahre alt wird, als blödelnder "Didi". Dieser Figur verdanke er sehr viel, sagte Hallervorden im Corso-Gespräch. Da habe er das Geld verdient, mit dem er das Schlosspark Theater wieder eröffnet habe. Und inzwischen traue man ihm auch ernste Rollen zu.

Dieter Hallervorden im Corso-Gespräch mit Eric Leimann | 04.09.2015
    Der Intendant Dieter Hallervorden steht am 25.08.2014 im Anschluss an eine Pressekonferenz vor dem Schlosspark Theater in Berlin.
    Der Intendant Dieter Hallervorden vor dem Schlosspark Theater in Berlin (picture-alliance / dpa / Tim Brakemeier)
    Eric Leimann: "Chuzpe" - wenn ich das so richtig verstanden hab - ist das so eine ähnliche Figur wie die, die Sie in "Sein letztes Rennen" gespielt haben. Also so ein älterer Herr, der sich nicht damit abfinden will, dass alles schon vorbei sein soll und der diverse Aktivitäten unternimmt, um noch mal durchzustarten. Oder habe ich da einen falschen Eindruck gewonnen?
    Dieter Hallervorden: Das ist ein Holocaust-Überlebender, der sich nach über 60 Jahren, die er in Australien verbracht hat, entschließt, doch noch mal den Kontinent zu betreten, vor allem das Land zu betreten, wo er so schreckliche Tage erlebt hat. Und der zu denen gehört, die sagen, von seiner Lebensphilosophie her: Das Glas ist immer halb voll, niemals halb leer, der so optimistisch durchs Leben geht. Aber natürlich ist es so, dass das auch jemand ist, der einfach innerhalb seiner Familie, seines Bekanntenkreises wie ein Fixstern dasteht und alle anderen umkreisen ihn als Satelliten. Er weiß genau, was er will. Er weiß, dass er Lust am Leben noch hat. Er ist jemand, der sein Leben quasi noch mal total umkrempelt. Dazu gehört schon sehr viel "Chuzpe".
    Leimann: Wie viel hat die Figur mit Ihnen zu tun?
    Hallervorden: Alt ist man ja erst dann, wenn man mehr Freude an der Vergangenheit hat als an der Zukunft. Man muss sich auf etwas freuen, das noch vor einem liegt. Das schafft Kräfte frei, da sehe ich den Sinn drin. Und insofern hat das schon was mit mir zu tun. Das ist auch jemand, der mit langem Atem ein Ziel verfolgt, der sich noch mal verlieben kann, der seine eigenen Wege geht und - ja - in dieser Art und Weise sind schon Vergleiche zwischen der Rolle und mir möglich.
    Die Lebensphilosophie vom Vater
    Leimann: Ist denn so eine Sichtweise der Dinge, so eine eigene Lebensphilosophie - ist die angeboren oder haben Sie sich die auch ein bisschen erarbeitet oder vielleicht auch durch Abwägung sich diese Einstellung angeeignet?
    Hallervorden: Alles, was ich so mir an Lebensphilosophie angeeignet habe, stammt eigentlich von meinem Vater. Ich erinnere mich, dass er mir damals ins Poesiealbum schrieb: "Ich will, das Wort ist mächtig, spricht’s einer leis’ und still, die Sterne holt vom Himmel, das kleine Wort: Ich will." Und das ist es! Der Wille muss da sein. Natürlich darf man sich nicht selbst überschätzen. Man muss auch das, was man erreichen will, können. Und ich hab’ das etwas abgewandelt, für mich ist es eben so, dass man sagt: Immer mindestens einmal mehr aufstehen als hinfallen. Das heißt, eine grundsätzlich positive Einstellung und die hat mir mein Vater quasi vorgelebt.
    Leimann: Was waren Ihre Ziele im Leben - und haben die sich verändert?
    Hallervorden: Na - da wo ich jetzt stehe, das war mein Ziel. Also ich wollte gerne Schauspieler werden. Ich wollte gerne, dass nach fünf Jahrzehnten mich nicht jemand im Synchronstudio beschäftigt, sondern ich auf der Bühne stehe. Ich wollte gerne, dass die Leute mich nach fünf Jahrzehnten auch noch kennen und noch auf der Bühne sehen wollen. Ich wollte gerne zeigen, dass ich als Schauspieler eine gewisse Bandbreite habe. Das heißt, ich kann nicht bloß das komische Fach bedienen, ich kann auch Charakterrollen spielen. Und so ist es natürlich für mich sehr erfreulich, dass ich auf meine alten Tage noch mal eine neue Karriere mache - im Charakterfach - mit Rollen, die man mir vor sechs, sieben Jahren mehrheitlich nicht zugetraut hätte.
    Angefangen im klassischen Theater
    Leimann: Aber was für eine Art von Schauspieler wollten Sie sein - also als Sie angefangen haben? Sie haben ja auch mit Kabarett und so angefangen, das heißt: Das Komische war schon das, wo Sie die größte Lust drauf hatten?
    Hallervorden: Nein, absolut nicht. Ich habe auf der Schauspielschule zum Beispiel hauptsächtlich Franz Moor studiert - also den bitterbösen Schurken. Ich habe mit klassischem Theater angefangen, ich habe in "Turandot" von Schiller gespielt. Bin dann eben diesen Weg gegangen über politisch-satirisches Kabarett, weil ich als politisch interessierter Mensch gelte und auch bin. Habe dann einen Weg gewählt - nach der Synchronisation von Marty Feldman - der mit "Nonstop Nonsens" betitelt wurde und bin dann zum satirischen Kabarett zurück. Aber ich hatte nie die Lust, für ewige Zeiten in irgendwelche Schubladen zu schlüpfen. Ich wollte schon gern dem stattgeben, was mir angeboten wurde. Und viele werden sich fragen: Ja warum hast du denn das nicht früher gemacht? Aber ich kann ja als Schauspieler nur spielen, was mir angeboten wird. Und in der Beziehung bin ich eben dem Regisseur von "Sein letztes Rennen", Kilian Riedhof, außerordentlich dankbar. Weil er hat erkannt, dass ich das spielen kann. Er hat das auf mich geschrieben. Wir haben das mit Erfolg durchgesetzt. Und ohne "Sein letztes Rennen" hätte mir Til Schweiger zum Beispiel niemals "Honig im Kopf" angeboten.
    Leimann: Also, es scheint ja so, dass Sie unglaublich viel machen, unheimlich viel arbeiten. Oder - ist es auch ein bisschen weniger geworden? Also: Wo schonen Sie sich oder schonen Sie sich gar nicht in Ihrem Berufsalltag?
    Windsurfen und zwar so ab Windstärke fünf mindestens
    Hallervorden: Naja, ich leite nach wie vor das Kabarett-Theater "Die Wühlmäuse", das ich selbst als junger Springinsfeld 1960, mit 25 Jahren also, mal gegründet habe. Ich habe vor sechs Jahren mit eigenen Mitteln das Schlosspark Theater wieder zum Leben erweckt und den Zuschauern wieder zugänglich gemacht. Ein Theater, das ja sehr renommiert, also eine sehr große Reputation hatte zu früheren Zeiten - und ich sah nicht ein, warum das geschlossen bleiben sollte. So, das sind zwei Dinge. Dazu kommt noch, dass ich eben Film mache, Fernsehen drehe. Außerdem mich noch sehr gerne um meinen 16-jährigen Sohn kümmere. Also ich finde - das Leben - genau so muss es laufen. Man muss zu tun haben. Ich habe auch Hobbys: Ich lese gerne, ich surfe gerne, ich bin Hobbygärtner - aber alles zu seiner Zeit. Jedenfalls, auf den Ruhestand habe ich mich im Vergleich zu anderen Kollegen nie gefreut. Ich hätte keine Lust, mich irgendwo hinzusetzen, um verzweifelt zu versuchen, kleine Segelboote in Weinflaschen zu stecken. Oder, auch wenn ich Hobbygärtner bin, mit einer Nagelschere die Rasenkante in Form zu bringen. Mein Beruf ist aus einem Hobby entstanden, das heißt, da ist eine große Leidenschaft vorhanden - und die kann man nicht einfach austreten, wie man versucht, ein Feuer auszutreten. Die Leidenschaft wird mich hoffentlich noch eine Weile begleiten.
    Leimann: Ich bin gerade bei dem Wort "surfen" hängengeblieben. Sie meinen Windsurfen oder was machen Sie da?
    Hallervorden: Ja, Windsurfen und zwar so ab Windstärke fünf mindestens, im Trapez. Und das habe ich eben vor Jahrzehnten gelernt und das praktiziere ich auch weiter. Erst mal jedenfalls mache ich auf jeden Fall eine Pause in meinem selbst gewählten Exil in Frankreich, um die Batterien erst mal neu aufzuladen.
    Leimann: Das hab’ ich gelesen. Sie wohnen da auf einer winzigen Insel vor der Küste. Wie ist es denn dazu gekommen, dass Sie sich an so einen Ort zurückgezogen haben?
    "Mit der technischen Welt komme ich schwer klar"
    Hallervorden: Ich bin seit Jahrzehnten außerordentlich geräuschempfindlich. Und mit der immer weitergehenden Technisierung unserer Welt wird es ja überall lauter. Ich erinnere nur an die Handys und all die Gespräche, die man mit anhören muss, wenn man in der Bahn sitzt oder im Aufzug fährt oder wie auch immer. Und da hatte ich vor Jahrzehnten schon mich entschlossen zu sagen: Ich möchte gern auf einer Insel leben. So ist es dann auch irgendwann dazu gekommen. Ich habe die Insel zu einem Zeitpunkt gekauft, da war sie billiger als meine Eigentumswohnung in Berlin. Und, ich bin nicht generell geräuschempfindlich. Also das Rauschen der Wellen, der Wind in den Bäumen, das Schreien der Möwen, das sind für mich natürliche Geräusche und die genieße ich. Aber mit der technischen Welt komme ich schwer klar.
    Leimann: Und Sie schaffen es trotzdem, in einer so lauten Stadt wie Berlin auch noch nebenbei zu leben?
    Hallervorden: Ja, sicher. Aber ich lebe ein bisschen am Rande der Stadt. Fast wie im Wald. Und auch da habe ich dann eigentlich eher, neben dem Bellen von Hunden, hab ich natürlich Polizeisirenen, das ist klar. Gehört für mich zwar nicht in die Kategorie Möwenschrei, aber insgesamt gesehen kann ich das Leben in Berlin… das kann ich aushalten.
    Leimann: Man hat mir gesagt: Dieter Hallervorden, bitte nicht "Didi" nennen, bitte nicht auf "Nonstop Nonsens" ansprechen. Warum haben Sie heute nicht so gutes Verhältnis zu diesem Teil Ihrer Vergangenheit?
    Hallervorden: Ich hätte doch Didi niemals gespielt, wenn nicht große Teile von mir in Didi gesteckt hätten. Ich verdanke Didi viel. Ohne Didi hätte ich nicht das Portemonnaie so voll gehabt, das Schlosspark Theater zu eröffnen. Ich glaube, wer möglichst lange Kind bleibt, wird auch älter. Didi ist viel von dem jungen Dieter. Das ist ein Teil von mir, ich verurteile das auch gar nicht. Ich sage doch nur: Ich konnte nicht ein Leben lang nur Didi spielen. Das wäre für mich persönlich zu langweilig gewesen. Das ist alles! Didi ist wie ein Halbbruder für mich, ich werde gern auf diese Zeit angesprochen. Nur - man soll nicht verwechseln: Didi ist eben nicht Dieter. Didi ist eine Kunstfigur, die ich gerne gespielt habe. Aber wer eben tatsächlich Hallervorden reduziert auf die "Flasche Pommes frites“, der tut mir, glaube ich, Unrecht.