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Digital und hitzefest

Technik. - Seit mehr als einem Jahr entwickeln 36 Firmen und Forschungsorganisationen im EU-Projekt wearIT@work Wearable-Computing-Lösungen für die Feuerwehr - also mit Computertechnik gespickte Kleidung. Um nicht am Bedarf vorbei zu forschen, arbeiten die Wissenschaftler eng mit Praktikern zusammen, hin und wieder testen sie ihre Entwicklungen sogar in fast realen Einsätzen. Etwa Ende letzter Woche im Trainingszentrum der Pariser Feuerwehr.

Von Mirko Smiljanic | 18.10.2005
    François Neff und sein Kollege Jean Fouquet haben ein Problem. Eingezwängt in signalrote ABC-Schutzanzüge und auf dem Rücken 25 Kilogramm schwere Sauerstoffflaschen, knien die beiden Feuerwehrmänner im Trainingszentrum der Pariser Feuerwehr ratlos vor dem Ventil einer chemischen Anlage.

    "Angenommen wird, dass eine Leitung leckgeschlagen ist und dass jetzt bestimmte Ventile geschlossen werden müssen, die Anlage befindet sich in einem destabilen Zustand und muss durch das Nachfüllen von Kühlflüssigkeit wieder in einen stabilen Zustand gebracht werden", "

    …erläutert Markus Klann vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik in Troisdorf. Minutiös lässt der Manager des Projektes wearIT@work jede Aktion, jede Bewegung der beiden Feuerwehrmänner auf Video bannen. Dazu zählt auch die Kommunikation mit dem Einsatzleiter. Womit ein weiteres Problem aufgedeckt worden ist: Die analoge Funktechnik versagt in den stahlbetonbewehrten Gängen des Pariser Trainingszentrums - und zwar grandios! So hört sich der Funkverkehr über Entscheidungen an, die Hunderten von Menschen das Leben kosten können. Analoge Funktechnik eben, die ersetzt werden soll durch Digitaltechnik.

    ""Die Annahme ist, dass die Feuerwehrleute tragbare Computer haben, die mit Drahtlosinterfaces ausgerüstet sind und eben über digitale drahtlose Kommunikation kommunizieren, also Daten austauschen, Sprachkommunikation zu betreiben, für Videostreaming", "

    …erläutert Philipp Hofmann von der Firma DoCoMo in München. Der Rechner wiegt 100 Gramm und ist im Gürtel des Feuerwehrmannes untergebracht. Er steuert die Kommunikation, wozu auch die Übertragung von Videobildern zählt. Über eine kleine Kamera macht der Feuerwehrmann etwa Aufnahmen von den geborstenen Ventilen der chemischen Anlage. Diese Aufnahmen werden in die Zentrale gefunkt, von Fachleuten ausgewertet und an den Feuerwehrmann mit entsprechenden Befehlen auf sein Helmdisplay zurückgeschickt. Noch ist die Technik nicht ausgereift, die Übertragungsraten sind zu gering, weshalb die Leistung des tragbaren Rechners erhöht werden müsst, womit er aber schwerer würde und die Belastung für die Feuerwehrmänner steigt. Und noch etwas anders testen die wearIT@work-Ingenieure. Um sicher zu gehen, dass ein Befehl auch verstanden worden ist, bestätigen Feuerwehrmänner ihn üblicherweise mit Gesten. Diese Gesten möchte Markus Klann elektronisch erfassen:

    ""Man kann zum Beispiel Sensoren in den Handschuh integrieren, so dass bestimmte Formen oder Konfigurationen der Finger, bestimmte Haltungen, erkannt werden können, vielleicht könnte man auch über Kontakte arbeiten zwischen den Fingerspitzen, das ist noch unklar, das muss erforscht werden."

    Ein nach oben gestreckter Daumen würde in der Sprachausgabe des Kollegen ein "Alles okay!" auslösen. Allerdings sind die Systeme noch nicht ausgereift. Bei der Feuerwehr kommt nur sichere Ausrüstung zum Einsatz. Denn auch das haben die Forscher herausbekommen:

    "Dass Technologie nie eine Abhängigkeit schaffen darf, so, dass wenn die Technologie einen Fehler hat, dass das Leben dann davon abhängt."

    Das ist vernünftig, keine Frage, aber sollte deshalb diese momentane Technologie beibehalten werden?