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Digitale Bildung an Schulen
Wo "Medienkunde" an ihre Grenzen stößt

Schon Grundschüler sollen das Programmieren lernen, meint die designierte Staatsministerin für Digitales Dorothee Bär. Datenschützer fordern seit langem die Einführung eines Unterrichtsfachs "Medienkunde". Hinkt Deutschland beim digitalen Wandel tatsächlich derart hinterher?

Von Michael Borgers |
    Letztes Jahr waren Lern-Apps das Thema auf der Bildungsmesser didacta.
    Welche Rolle spielt Medienbildung aktuell in deutschen Klassen? Eine viel zu geringe, findet Walter Staufer von der Bundeszentrale für politische Bildung (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Yvonne Hofstetter ist Juristin, Autorin und IT-Unternehmerin - und eine der lautesten Kritikerinnen technischer Entwicklungen in Deutschland. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat sie zu einer Big-Data-Tagung in Bonn eingeladen, um über ein Thema zu sprechen, das Hofstetter wichtig ist, und über das sie auch schon ein Buch geschrieben hat: "Wie die künstliche Intelligenz die Politik übernimmt und uns entmündigt".
    "Und die Frage ist eben: Wie geht dann das Recht damit um? In der Demokratie ist das Recht eben die Waffe, mit der wir zu tun haben. Und die ist dann eben natürlich erst mal im Anschlag im Nachhinein - weil ganz einfach tatsächlich die Technologie vorläuft."
    Gesetzgebung hinkt hinterher
    Im Visier ihrer Kritik stehen besonders Technik-Großkonzerne wie Facebook und Google. Hofstetter warnt vor zu großer Überwachung durch Big Data und erlebt eine Politik, die in einem Hase- und Igel-Rennen stets das Nachsehen habe.
    "Ja, dann ist es natürlich schon so, dass die Technologie sehr einfallsreich ist und mit dem einen oder anderen Neuen daherkommt, während die Gesetzgebung eigentlich immer noch zu schaffen hat mit Geschäftsmodellen, mit Technologien, die schon einige Jahre alt sind und einfach mit der Regulierung nicht hinterherkommen."
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    Die Juristin und Unternehmerin Yvonne Hofstetter hat 2016 das Buch "Das Ende der Demokratie - Wie künstliche Intelligenz die Politik übernimmt und uns entmündigt" veröffentlicht (C.Bertelsmann)
    Sie blicke dennoch zuversichtlich in die Zukunft, sagt Hofstetter. Und setze dabei auf künftige Generationen, die sich wieder mehr um ihre Grundrechte kümmerten. Im Hier und Heute seien deshalb die Schulen gefragt.
    Lehrer in der Verantwortung
    Doch welche Rolle spielt Medienbildung aktuell in deutschen Klassen? Eine viel zu geringe, beobachtet Walter Staufer von der Bundeszentrale für politische Bildung, und macht dafür vor allem die Lehrer verantwortlich.
    "In dem Moment, wo es um die digitale Welt geht, verweigern die sich, da lässt man die Finger davon, da hat man den Eindruck, Lehrerinnen und Lehrer meinen, die Kinder können doch alles, die haben das mit der Muttermilch eingesogen, sie kommen noch aus der analogen Welt, und die Kinder sind im Digitalen schon aufgewachsen, die sind da besser als sie."
    Doch genau das stimme nicht, findet Bildungsreferent Staufer: "Werte, Regeln, Normen, wie man mit Medien umgeht, muss man als kleines Kind lernen, in Verantwortung, müssen die großen Schüler lernen."
    Datenschützer und andere Experten fordern seit Langem die Einführung eines Unterrichtsfachs "Medienkunde" in Deutschland. Die nordrhein-westfälische Landesregierung überlegt gerade, das Thema verpflichtend einzuführen, allerdings übergreifend, nicht als eigenes Fach.
    "Die Substanz ist eigentlich die digitale Vernetzung"
    Es sei an der Zeit, den Umgang mit dem Internet als Thema an den Schulen stärker in den Blick zu nehmen, fordert auch Sascha Lobo. Doch das Programmieren, wie es die designierte Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär fordert, dürfe hierbei keine zentrale Rolle spielen, sagt der Blogger und selbst ernannte Netz-Erklärer:
    "Programmieren ist für mich nicht die Fähigkeit, die man in Zukunft haben muss, um die digitale Welt besser zu verstehen. Das ist eher 'ne Chiffre, Schulfach Programmieren, dritte Fremdsprache HTML oder was auch immer für ein Unsinn dann gesagt wird."
    Der Blogger und Journalist Sascha Lobo spricht auf der Internetkonferenz Republica in Berlin.
    Der Blogger und Journalist Sascha Lobo hält den Begriff "Medienbildung" für "zu klein gedacht" (Britta Pedersen, dpa picture-alliance)
    Es müsse darum gehen, so Lobo, den Menschen beizubringen, in einer digitalen Gesellschaft die nicht sichtbaren Prozesse besser einschätzen zu können.
    "Und da ist der Begriff Medien aus meiner Sicht ziemlich verengend, auch wenn die großen Entwicklungen im Netz natürlich in vielen Fällen Mediencharakter haben, ist trotzdem die Substanz eigentlich die digitale Vernetzung. Deswegen ist Medienbildung für mich zu klein gedacht, um den Menschen zu vermitteln, was da draußen eigentlich geschieht."
    Um auch bei Schulprojekten nicht das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren: Eine Gesellschaft mitzugestalten, in der nicht Unternehmen und ihre Technik den Menschen beherrschen, sondern umgekehrt.