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Digitale Fotografie
Wie die Drone Girls die Welt sehen

Drohnen gelten als Männerspielzeug, das gilt auch in der Fotografie: Die meisten Drohnenfotos in den sozialen Netzwerken stammen von Männern. Eine Gruppe junger Fotografinnen will das ändern - mit spektakulären Bildern und Mut zur Farbigkeit zeigen die Drone Girls ihren eigenen Blick auf die Welt.

Von Julian Ignatowitsch | 09.05.2019
Drohnenfotografie von Marina Vernicos: Eine Frau liegt auf Tetrapoden an der Küste
Drohnenfotografie von Marina Vernicos (Marina Vernicos)
Sie hat gerade ein paar drohnenfreie Tage. Fotografin Serena Coady liegt in Bali am Strand und spricht über ihren letzten Flug: "Meine Drohne ist dabei kaputt gegangen", sagt sie. "Ich war zu Hause in Australien im Wald mit einem Freund. Wir wollten ein paar Fotos machen, ein Kabel ist gerissen."
Rund 1000 US-Dollar Schaden. Jetzt muss sie ihren Urlaub ganz ohne Fotos aus der Luft dokumentieren. Für die 24-Jährige, die seit zwei Jahren mit Drohnen fotografiert und kürzlich ein Buch dazu publiziert hat, ist das wie Entzug.
Zuletzt hat Coady schwarze Strände und Geysire in Neuseeland fotografiert, Wale oder eine verlassene Brauerei in ihrer Heimat New South Wales (in Süd-Westaustralien). Viele der Bilder aus der Vogelperspektive sehen aus wie abstrakte Kunst, manche wie stille Bild-Meditationen, andere wie apokalyptische Endzeitlandschaften.
Coady: "Die Bilder sind so, als wärst du im Flugzeug und du hast einen Fensterplatz und schaust raus. Es ist unglaublich faszinierend, ein anderer Blick, den du normalerweise nicht bekommst."
Opulente Bilder aus der Natur
Die Fotografie mit Drohnen nimmt sukzessive zu. Geschätzt werden mittlerweile 25 Prozent aller Fluggeräte dafür genutzt. Auf Instagram oder Youtube gibt es mittlerweile zahlreiche Kanäle, die die Bilder und Videos zeigen, auch Serena Coady hat mehrere. Meistens sind es opulente Bilder mitten aus der Natur, von massiven Gebirgsketten, kraftstrotzenden Wasserfällen oder (scheinbar) unendlichen Wäldern. Und meistens machen Männer die Fotos, ist Coady aufgefallen, weshalb sie ein besonderes Projekt ins Leben gerufen hat:
"Nur ein bis vier Prozent der Drohnenpiloten sind Frauen. Ich will das ändern, deshalb habe ich den Account ‚Drone Girls‘ gegründet. Ich will zeigen, dass es Frauen gibt, die diese unglaublichen Bilder machen."
"Drone Girls" versammelt die Luft-Aufnahmen von jungen Frauen aus der ganzen Welt. "Wie Frauen die Welt sehen", heißt der daraus entstandene Bildband: Da ist die russische Dolmetscherin Victoria Volchenko, die eine Tongrube nahe Jekaterinburg fotografiert; die arabische Anwältin Huda Bin Redha, die Hochhäuser und Wüstenstraßen in den Vereinigten Arabischen Emiraten ablichtet; oder die Fotografin und Filmemacherin Lina Jakobi aus Frankfurt, die den Sonnenuntergang über einem Forst in Hessen zeigt. Ist das der weibliche Blick?
"Frauen trauen sich vielleicht mehr auf der Farb-Skala, während Männer eher dunkle, eintönige Szenarien fotografieren. Insgesamt sind die Unterschiede aber nicht allzu groß, es kommt immer auf die individuelle Sicht und Vorlieben an."
Handwerklich und kompositorisch erreichen diese die Bilder mühelos das Niveau erfolgreicher Instagram-Seiten wie "From Where I Drone" oder "Drone of the Day" - sie sind vielleicht sogar noch besser, weil nicht so stilisiert und weniger nachbearbeitet. Doch "Drone Girls" erreicht mit rund 3.000 Fans nur einen Bruchteil der männerdominierten Seiten, die sechsstellige Follower-Zahlen haben.
"Wahrscheinlich ist es wie in jeder anderen Industrie mit wenigen Frauen. Traditionell ist Technik etwas für Jungs, Werbung und Marketing in dieser Sparte richten sich an Männer. Das ändert sich aber gerade."
Drohnen vielerorts nicht gern gesehen
Wer Drohnenfotos macht, muss einige Regeln befolgen: Flughöhe, Verbote, zum Beispiel in der Nähe von Flughäfen, Tieren oder Naturparks. Auch gesellschaftlich sind Drohnen vielerorts nicht besonders gern gesehen. Coady war selbst schon in Werbespots, bekommt Aufträge und Geld für Reisen, um aus der Luft zu fotografieren. Die Bilder erscheinen auf Instagram.
"Negativ kann man sagen: Leute planen ihre Reise heute nach den besten Bildern für ihr Instagram-Profil, das ihnen eine Identität gibt. Positiv gewendet sind heute viele neue Orte bekannt und jeder kann sie im Netz sehen."
So wie die sozialen Netzwerke Fotografie und Fotografen verändert haben, wollen die Frauen jetzt die sozialen Netzwerke verändern - und setzen Hashtags wie #girlswhodrone #womenwhodrone oder eben #dronegirls.
Ob bald jeder eine Drohne zum Fotografieren hat? "Warum nicht?", meint Coady. Oder wer hätte zur Jahrtausendwende gedacht, dass bald alle mit ihrem Smartphone knipsen. "Hier in Bali höre ich die Dinger gerade überall fliegen", sagt sie zum Schluss. So ein Entzug ist nicht leicht.
Serena Coady: "Wie Frauen die Welt sehen - Die schönsten Bilder von Drohnenfotografinnen"
Riva Verlag München, 2019. 160 Seiten, 19,99 Euro.