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Digitale Innovation
Start-up-Studie: Scheitern gehört zum Lebenslauf

Der Erfolg von Start-ups lässt sich vorhersagen, so eine Studie der Fachhochschule Köln. Direkt nach dem Studium sei der beste Zeitpunkt für eine Gründung, sagte der Verfasser der Studie, Kai Buehler, im Dlf. Vier Faktoren seien entscheidend für Erfolg - und Scheitern sei nicht schlimm.

Kai Buehler im Gespräch mit Thekla Jahn | 26.08.2019
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Ein wichtiger Faktor bei der Gründung ist das Team und hier spielen Berufserfahrung und Diversität eine ausschlaggebende Rolle, so Kai Buehler (imago stock&people)
Thekla Jahn: In puncto "digitale Innovation" sieht es in Deutschland nicht besonders gut aus. Das ist nicht nur ein Gefühl oder innenpolitisches Dauerthema. Die OECD – also die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - hat 36 Mitgliedsländer verglichen, und Deutschland landete dabei auf Platz 15. Das hängt nicht zuletzt auch mit fehlenden Start-ups zusammen, die ja Innovationen bringen. Nur fünf Prozent der Menschen hierzulande gründen ein Unternehmen, der weltweite Durchschnitt liegt bei 12,6 Prozent. Woran liegt die Zurückhaltung? Das habe ich Professor Kai Buehler gefragt, er leitet den Studiengang "Digital Business Management" an der Rheinischen Fachhochschule Köln, und er hat eine Studie vorgelegt. Sie besagt: Der Erfolg von Start-ups lässt sich vorhersagen. Wie? Mit einem 4T-Scoring-Modell. Bevor wir darauf eingehen, zurück zur deutschen Müdigkeit bei der Start-up-Gründung: Woran liegt es?
Kai Buehler: Also die einfache Erklärung ist sicherlich die gute Wirtschaftslage, muss man sagen. Also ich unterrichte ja bei uns an der Rheinischen Fachhochschule auch das Thema Start-up-Management, und ich frage da auch immer meine Studenten, wie viele von euch wollen gründen, und da gehen gerade mal 50 Prozent, wenn überhaupt, der Hände hoch. Das wundert mich auch immer ein bisschen, weil ich mir denke, das Fach heißt ja Start-up-Management, aber dennoch, wie gesagt, ist nur die Hälfte interessiert, auch zu gründen. Die einfache Erklärung ist zum einen die gute Wirtschaftslage, also viele Studenten haben auch schon Jobs, die Unternehmen wollen an diese digital natives drankommen. Dann ist natürlich auch durchaus nachvollziehbar, dass ein junger Mensch, der gerade jetzt seinen Abschluss gemacht hat, sich zweimal überlegt, ob er jetzt den schwierigen Weg gehen soll, ein Start-up zu gründen oder ob er beim Großkonzern anfängt.
4T: Team, Traction, Tech & Product, Timing
Jahn: Wenn wir bei Ihnen hören, dass die Studenten nur zu 50 Prozent vorhaben, ein Start-up zu gründen, in der Gesamtbevölkerung, die im arbeitsfähigen Alter ist, ist das noch ein viel geringerer Prozentsatz, nur fünf Prozent, und von diesen fünf Prozent scheitern dann noch mal mehr oder weniger 70 Prozent, sagt man.
Buehler: Richtig. Von den fünf Prozent scheitern dann noch mal 70 Prozent. Das ist durchaus auch, wenn Sie in einem Unternehmen arbeiten, in Großkonzernen, nur jede 20. Innovationsinvestition rechnet sich am Ende des Tages. Also insofern ist die Scheiterwahrscheinlichkeit von den Start-ups dann, wenn man es so vergleicht, dann durchaus im Rahmen, aber es gibt natürlich eine ganze Reihe von Faktoren, um das hoffentlich auch weiter reduzieren zu können. Da arbeiten wir ja dran, unter anderem jetzt mit dieser Studie, um auch aufzeigen zu können, was sind Optimierungspotenziale, wo kann man sich als einzelner Start-up-Gründer noch verbessern.
Jahn: Dazu haben Sie ja Ihre Studie durchgeführt, über die wir reden wollen. Sie haben ein 4T-Modell entwickelt. 4T, für Team steht das, Traction, Tech and Product und Timing.
Buehler: Ja, das sind so die einzelnen Kategorien, die wir da abgefragt haben, und was wir gesehen haben, warum sie entscheidend sind, weil wir haben sie korreliert mit dem Unternehmenserfolg der Start-ups. Also wir hatten 130 Start-ups befragt, und wir haben dann tatsächlich eine positive Korrelation gesehen zwischen 4T und der Steigerung des Unternehmenswerts.
"Fachkompetenz zu besitzen ist ein wichtiger Faktor"
Jahn: Gehen wir doch mal die vier Ts durch und starten wir beim Team. Was ist da wichtig, damit ein Start-up erfolgreich ist?
Buehler: Bei Team ist es tatsächlich ausschlaggebend oder zumindest förderlich für eine Gründung, wenn das Team sich zusammensetzt aus komplementären Kompetenzen der Gründer. Also mit anderen Worten, dass man vielleicht einen BWLer hat, einen Techniker, einen Designer. Das ist so quasi das Dreamteam, gerade wenn es um App-Entwicklung geht. Ein anderer wichtiger Faktor, den wir gesehen haben, ist Berufserfahrung und ganz wichtig auch die sogenannte Diversität, also das heißt ein komplementäres Gründerteam mit verschiedenen Fachkompetenzen aus unterschiedlichen Bereichen.
Jahn: Wie wichtig sind, wenn wir gerade schon beim Team und der Ausbildung sind, wie wichtig sind da Fortbildungen, möglicherweise Seminare zur Gründung, Gründungsfachkenntnisse, die man sich aneignet, bevor man gründet?
Buehler: Gute Frage. Also zum einen, wie baue ich ein Produkt, aber dann auch, wie bringe ich es auch in den Markt hinein, wie kann ich entsprechende Online-Optimierung vornehmen. Das sind Themenstellungen, wo wir gesehen haben, Fachkompetenz zu besitzen ist ein wichtiger Faktor, und wenn sie noch nicht vorhanden ist, dann kann ich nur empfehlen, sich diese Kompetenzen zumindest, wie Sie sagten, beispielsweise in Weiterbildungs-, Fortbildungsmaßnahmen anzueignen.
"Es ist nicht mehr so schlimm, zu scheitern"
Jahn: Wenn wir jetzt noch mal die anderen Ts uns anschauen, also Traction, Tech and Product und Timing, wie sieht es da aus? Worauf kommt es genau an?
Buehler: Bei diesen vier Ts, die Erfolg vorhersehen könnten von Start-ups, wir hatten gerade über das Team gesprochen, also was ist wichtig beim Team, Traction sind Fragen – also es geht hier um Selbsteinschätzung der Start-ups –, sind Fragen, wie viel hat das Start-up schon erreicht mit wenig Mitteleinsatz. Das fragt so ein bisschen die Kreativität ab, denn interessanterweise sind nicht unbedingt die Höhe der Finanzmittel entscheidend, sondern eher, wie man damit umgeht. Also mit anderen Worten, es gibt auch eine ganze Reihe von Fallstudien, die zeigen, dass auch Start-ups, die weniger Kapital hatten als Wettbewerber, trotzdem am Ende erfolgreicher waren. Eine Variable ist hier Traction, also das heißt, wie viel kann man mit wenig erreichen, die Kreativität der Gründer, Kanäle zu finden, die die Nutzer befriedigen mit den Produkten, mit dem Service und entsprechend das auszubauen. Also das ist so die Kategorie Traction, und die haben wir getestet. Jede Kategorie haben wir über fünf Fragen abgefragt. Bei Tech and Product geht es um auch die Vision und die Umsetzung, das heißt, wie wird das Produkt, die Geschäftsidee in den Markt gebracht, und wie wird es entsprechend implementiert. Beim Timing haben wir Fragen auch zu Viralität gestellt, also beispielsweise gibt es mehr Weiterempfehlungen, Vorbestellungen als eigentliche Bestellungen, das kann so eine Indikation sein. Daraus haben wir dann auch erfühlen können, wie weit das Unternehmen in puncto Timing fortgeschritten ist und ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist.
Jahn: Gibt es denn als solches auch ein richtiges Timing für das Gründen eines Start-ups für den Gründer?
Buehler: Mit der beste Zeitpunkt zu gründen ist tatsächlich direkt nach dem Studium. Da gibt es auch eine ganze Reihe von Gründerstipendien, die angeboten werden, zum Beispiel in NRW ein Gründerstipendium für Absolventen von Fachhochschulen und Universitäten zu gründen. Das ist sicherlich ein guter Zeitpunkt, und die Unternehmen warten auch weiterhin auf einen, sagen wir mal, die Gründerzeit und ein, zwei Jahre im Start-up gearbeitet hat. Es ist nicht mehr so schlimm, zu scheitern. In den USA, vielleicht auch noch mal der Vergleich: Scheitern gehört dazu mittlerweile, und das setzt man auch auf seinen Lebenslauf. Das ist quasi schon auf Bucket List, also das muss man mal gemacht haben.
Jahn: Das heißt, heutzutage ist Scheitern im Berufsleben sogar wichtig?
Buehler: Es ist insofern wichtig, dass man die Erfahrungen gesammelt hat, richtig. Die Denke, auch gerade in den USA, ist, ja, Mensch, wenn er die Erfahrung woanders gesammelt hat und ist damit gescheitert, dann wird er das hoffentlich nicht bei mir tun, und damit spare ich wiederum Geld. Also insofern stelle ich lieber Leute ein, die auch entsprechende Erfahrungen schon mal gesammelt haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.