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Digitale Kluft beim Lernen

Zwar wird derzeit der Nord-Süd-Konflikt vom Kampf gegen den Terrorismus in den Hintergrund gedrängt, doch die Spaltung der Welt in zwei verschiedene Entwicklungshemisphären besteht weiter und nimmt sogar noch zu. Ein Feld mit wachsender Bedeutung ist dabei die Kommunikationstechnik: Während etwa in Europa knapp 15 Prozent aller Bürger ungehinderten Zugriff auf das Internet haben, ist es in Afrika noch nicht einmal ein Prozent. Und wo das Internet nicht hinkommt, da können auch neue Bildungskonzepte nur schwer greifen. Spezielle E-Learning-Konzepte für Entwicklungsländer waren daher ein Thema auf der Bildungsmesse Learntec, die vom 5. bis 8. Februar in Karlsruhe stattfand.

Pia Grund-Ludwig |
    Die Zahlen sind eindeutig: Der so genannte Digital Divide, die Grenze zwischen Informationsbesitzern und Informationshabenichtsen, verläuft zwischen Nord und Süd. Während in den USA die Zahl der Internet-Nutzer mit 3500 je 10000 Einwohner doppelt so hoch ist wie in Europa, haben in Asien nur 330 und in Afrika gerade 59 von 10.000 Menschen Zugriff das weltumspannende Datennetz. Damit werde IT-Vernetzung immer mehr zu einem Gradmesser für die wirtschaftlichen Chancen eines Landes, konstatiert eine Studie der Harvard University, die anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels in New York diese Woche vorgestellt wurde. Von 75 dabei untersuchten Ländern rangieren die USA vor Kanada und Finnland beim Technologieindex auf den vorderen drei Plätzen, während Nigeria, Paraguay und Bangladesh die letzten Plätze einnehmen.

    Damit aber Länder in den unterentwickelten Regionen der Erde den Anschluss an die digitalen Märkte überhaupt noch schaffen, müssen moderne Informations- und Kommunikationstechnologien so angepasst werden, dass sie für die Menschen auf der südlichen Halbkugel bezahlbar und handhabbar sind. Ein Ansatz dazu ist der "Simputer" des Inders Vijay Chandru, Wissenschaftler am Indian Institute of Science, und wurde in Kooperation mit zusammen mit der UN-Bildungsorganisation Unesco für Lerntechnologien anlässlich der Bildungsmesse Learntec in Karlsruhe vorgestellt. Das Taschenbuch-große Gerät wird mit nur sieben Tasten, per Druck auf den Bildschirm oder mit einem Stift bedient. Die Hardware umfasst einen Prozessor mit 200 Megahertz Takt, einen Flash-Speicher von 32 Megabyte, USB-Anschluss sowie ein eingebautes Modem. "Weil das Gerät einer ganzen Gruppe von Menschen zur Verfügung stehen soll, besitzt der Simputer eine Schnittstelle für Smartcards. Jeder einzelne Benutzer kann sich dann über eine solche Karte individuell identifizieren und damit an das Internet anschließen", erläutert Chandru.

    Ebenfalls auf die gemeinsame Nutzung von Internet-Infrastrukturen setzt ein Projekt Nigerias. Dabei steht die Anbindung von Schulen an das Datennetz im Mittelpunkt. "Unsere Regierung versucht erstens, so viele Schulen wie möglich mit Computern auszustatten, und zweitens will sie als Teil der Initiative Chancen durch regionale Fernstudien-Zentren schaffen", berichtet Professor Olu Jegede, der das Vorhaben im bevölkerungsreichsten Land Afrikas leitet. So sollen 700 Studienzentren entstehen, in denen Menschen Kommunikationsinfrastrukturen nutzen können.

    Weil Quach T Ngoc, in Vietnams Bildungsministerium für Informations- und Kommunikationstechnologien zuständig, die Mittel dafür fehlen, den 20 Millionen Studenten seines Landes einen dauerhaften Internetanschluss zu ermöglichen, ihnen aber dennoch die Natur und Möglichkeiten des globalen Datennetzes näher bringen möchte, geht der Experte ungewöhnliche Wege: "Dazu entwickelten wir eine Internet-Simulation auf CD-Rom, die hilft, das Internet zu benutzen, ohne dabei die Telekommunikationsdienste zu überlasten." Hierzulande würde eine solche Trockenübung auf CD kaum mehr als Hohn ernten, doch der Zwang zum sorgsamen Umgang mit knappen Ressourcen, wie Datenleitungen oder Rechnern, zwingt Ngoc genau wie seine nigerianischen oder indischen Kollegen dazu, ihre Länder über ungewöhnliche Lösungen dennoch an der digitalen Entwicklung teilhaben zu lassen.