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Digitale Kluft zwischen Arm und Reich

Informationstechnologie. - In Genf hat Der Weltgipfel für die Informationsgesellschaft begonnen. Auf Einladung der Vereinten Nationen beraten über 10.000 Experten über die digitale Zukunft. Auch mehr als fünfzig Staats- und Regierungschefs sind erschienen. Am Ende der der dreitägigen Verhandlungen soll ein Aktionsplan für den Weg zur globalen Online-Gesellschaft verabschiedet werden. Ob es dazu kommt, ist völlig offen, gab es doch schon im Vorfeld eine Menge strittiger Fragen. So die Forderung von afrikanischen Staaten nach der Einrichtung eines digitalen Solidaritätsfonds um den digitalen Graben zwischen Arm und Reich zu überbrücken.

Manfred Kloiber |
    Er kam zu spät zur Pressekonferenz und war dennoch sichtbar und hörbar erleichtert. Marc Furrer, Schweizer Staatssekretär für Telekommunikation, musste als Gastgeber in den Vorbereitungstreffen zum Weltgipfel über die Informationsgesellschaft bis zur letzten Minute bangen.

    Entschuldigen Sie, dass ich zu spät bin, aber ich habe eine gute Entschuldigung: Wir sind um halb zwei fertig geworden! Wir haben uns auf einen Text verständigt. Und zwar auf den Aktionsplan und die Politische Erklärung. Der letzte Punkt war die Finanzierung, über die wir heute wieder vier Stunden diskutiert haben. Und das war wirklich der schwierigste Punkt.

    Konkret ging es um die Einrichtung eines "Solidaritätsfond zur digitalen Entwicklung", den vor allem Afrikanische Staaten forderten, um damit die nötige Infrastruktur für die Informationsgesellschaft überhaupt aufbauen zu können. Denn noch immer gibt es Milliarden Menschen auf der Welt, die noch nie im Leben telefoniert, geschweige denn im Internet gesurft haben. Und das, obwohl sich der Anschluss der letzten telefonfreien Dörfer mit nur einem Bruchteil der UMTS-Milliarden finanzieren ließe, wie der Chef der UN-Telekommunikationsorganisation, Yoshio Utsumi, betonte:

    Wie können wir es hinnehmen, dass ungefähr anderthalb Millionen Dörfer in den Entwicklungsländern ohne Anschluss an das Telefonnetz sind. Und das, obwohl die Versorgung dieser Dörfer mit Telefon nur rund 1,5 Milliarden Dollar und mit Internet nur 6,3 Milliarden Dollar kosten würde.

    Doch die große Umverteilung von UN-Mitteln für einen Telekommunikationsplan über den Solidaritätsfond, um den Digital Divide, den Digitalen Graben, zu überbrücken, wird es nicht geben. Vor allem die Länder der Europäischen Union waren dagegen. Statt dessen will man nun gezielt schon existieren Projektfonds unterstützen und beobachten.

    Doch das liebe Geld war nicht der einzige Streitpunkt. Jeanette Hofmann, deutsche Vertreterin der Zivilgesellschaft beim Gipfel könnte eine ganze Liste aufzählen. Zum Beispiel Internet-Verwaltung:

    Also einer der wichtigsten Streitpunkte betrifft die Regulierung des Internet. Nämlich, wer soll zukünftig zuständig sein für die Internet-Adressen. Derzeit ist dafür eine private kalifornische Organisation zuständig. Viele Schwellen- und Entwicklungsländer wünschen sich, dass eine förmliche internationale Organisation die Verantwortung für die künftige Entwicklung des Internets übernimmt.

    Streit gibt es auch um das Wissen, dass mittlerweile im Internet verfügbar ist, aber von den Verlagen der Industrienationen mehr und mehr digital gehandelt und damit verknappt wird. Der Zugang zu den Erkenntnissen der Wissenschaft wird durch die Informationsgesellschaft technisch zwar erleichtert, wirtschaftlich aber erschwert. Hier fordern die Entwicklungsländer freien Zugang zum Wissen der Welt, ohne aber Urheberrechte aushebeln zu wollen. Ein Spagat, den die offiziellen Vertreter der Industrienationen so nicht tragen wollten. Doch auch in Deutschland fordern zum Beispiel die Wissenschaftsorganisationen den freien Zugang zu Wissen, das ja meist mit öffentlichen Mitteln entstand.

    Ein ganz heikler Punkt der politischen Erklärung: Das Recht auf freien und unzensierten Zugang zum Internet und das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet und in den Medien. Bis zur letzten Vorbereitungssitzung opponierte zum Beispiel China gegen die ausdrücklich im Dokument aufgeführten Menschenrechte. Diese Kuh ist vom Eis, die entsprechenden Passagen werden nun auch von China akzeptiert. Doch Jeanette Hofmann hält die Kritik des Westens am Reich der Mitte für doppelzüngig.

    Es wird auch bei uns versucht, Zensur im Internet auszuüben und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu beschränken. Die Entscheidung des Regierungspräsidenten von Düsseldorf etwa, der versucht hat, bestimmte Websites zu sperren – immer wieder, nicht nur einmal – und sich da auch sehr hartbeinig verhalten hat. Und da denke ich, muss man aktiv darauf achten, dass man die Frage der Menschenrechte nicht nur mit Problemländern wie China assoziiert, sondern auch bei uns zu Hause guckt, dass die Aufmerksamkeit für die Wahrung der Menschenrechte gewahrt bleibt.