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Digitale Kontrolle

Das Kaufen oder Verkaufen von Wertpapieren übernehmen zum großen Teil Computer. Ein Geschäft, bei dem flinke Händler schnell Milliarden verdienen können oder bei dem ein falscher Klick auf der Tastatur Milliarden Euro kosten kann.

Von Benjamin Hammer | 15.10.2011
    "Der Mensch sollte nie außen vor gelassen werden, ansonsten befinden wir uns hier wirklich in einem Krieg der Maschinen. Das sollte niemals passieren."

    Frankfurt am Main, Handelssaal der Deutschen Börse. Alle vier Sekunden zeigen die Anzeigetafeln einen neuen Stand des Deutschen Aktienindex an. Das monotone Rattern – eigentlich ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Schon seit über 400 Jahren wird in Frankfurt gehandelt - aber wenn man ehrlich ist, dann ist das, was man hier heute sieht, nur noch Kosmetik. Zwar arbeiten noch rund 20 Aktienhändler auf dem Parkett, aber sie blicken auf Computerbildschirme. Die Händler könnten genauso gut in Büros in London, München, Tokio oder Wuppertal sitzen. Den eigentlichen Job – das Kaufen oder Verkaufen von Wertpapieren – haben inzwischen zum großen Teil Rechner übernommen.

    Dies ist die Geschichte von Algorithmen und Glasfaserkabeln, von Bits und Bytes. Es ist eine Welt, in der pro Minute Milliarden von Transaktionen abgewickelt werden – rund um den Globus, rund um die Uhr. Ein Geschäft, bei dem ein falscher Klick auf der Tastatur Milliarden Euro kosten kann.


    Es ist aber auch ein Geschäft, bei dem flinke Händler schnell Milliarden verdienen können.

    "Der Computer beherrscht uns nicht, er ist ein Diener. Der Computer tut etwas für uns. Aber wir könnten ihn auch jederzeit abschalten. Aber warum sollte man das tun?"

    Allein an der Frankfurter Börse werden im elektronischen Handel mittlerweile pro Tag bis zu 40 Millionen Transaktionen getätigt. Eine Zahl, die sich seit dem Jahr 2006 verzehnfacht hat. Für die einen ist der schnelle Computerhandel ein Segen, für die anderen ein Fluch. Jedenfalls werden die elektronischen Hilfsmittel mit viel Argwohn betrachtet. Zu Recht? Kritiker nennen den August dieses Jahres als Beispiel, einen der turbulentesten Monate in der Börsengeschichte.

    "Einen so verheerenden Börsenmonat haben die meisten Händler auf dem Frankfurter noch nie erlebt. Heute beispielsweise ist der DAX am Nachmittag innerhalb weniger Minuten um 200 Punkte nach unten gerauscht."

    Der Deutsche Aktienindex, kurz DAX, verlor fast ein Viertel seines Wertes. In diesen zehn Tagen büßten die börsennotierten Unternehmen weltweit knapp sieben Milliarden US-Dollar an Wert ein.

    "Eine Negativserie, die langsam an den Nerven zehrt und noch lange nicht vorbei ist. Es war der schlechteste Monat seit November 88."

    Seit August setzt sich das Auf und Ab an den Börsen fort. Die Ausschläge sind groß: Mal plus fünf Prozent, mal minus sechs Prozent. Vor Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Denn das Handelsvolumen war kleiner, das Geschäft mit den Aktien langsamer. Es menschelte noch auf dem Parkett:

    Eine alte Fernsehdokumentation zeigt das Treiben an der Hamburger Börse im Jahr 1969. Quer durch den Raum schreien sich die Aktienhändler Kurse zu. Die Männer sind im Stress, ziehen hektisch an glühenden Zigaretten, Zahlen werden auf kleine Zettel gekritzelt. Ein Fernsehreporter kämpft sich durch das Durcheinander und spricht einen Aktienhändler an.

    "Wir machen heute noch wie vor 100 Jahren die Geschäfte in direktem persönlichem Kontakt hier an der Börse. Wobei nach wie vor nur das gesprochene Wort gilt, das ist sonst in der Wirtschaft heute noch kaum noch üblich!"

    Über 40 Jahre später hat sich die Jahrhunderte alte Börsentradition grundlegend gewandelt. Der elektronische Handel hat die Märkte verändert. Die Computer sind schnell, effizient und gnadenlos. Denn Bits und Bytes kennen keine Emotionen. Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Stop-Loss-Orders. Sobald eine Aktie einen bestimmten Wert unterschreitet, setzt bei den Rechnern ein wahrer Verkaufsrausch ein. Die Entscheidung, ob sie verkaufen sollen oder nicht, treffen die elektronischen Händler mit Hilfe von Algorithmen. Das sind Handlungsanweisungen, verpackt in komplizierte mathematische Formeln. Einfach gesagt: Tritt ein Ereignis ein, muss das Computerprogramm reagieren. Die Anweisungen gehen so weit, dass sogar die Meldungen der Nachrichtenagenturen durchforsten werden. Wenn hochrangige Politiker beispielsweise vor einer Wirtschaftskrise warnen, verarbeiten manche Rechner diese Information vollautomatisch, und verkaufen Wertpapiere. Sind die internationalen Börsen einer digitalen Kontrolle unterworfen? Sind die elektronischen Helfer sogar für die jüngsten Kursabstürze verantwortlich? Entsprechende Vorwürfe werden immer wieder laut. Karsten Hiestermann hat die Aufgabe, diesem Verdacht nachzugehen. Er arbeitet bei der Hessischen Börsenaufsicht, die den Handel an der Frankfurter Börse überwacht.

    "Natürlich muss man auch immer wieder die Frage stellen: Wie sicher sind diese Algorithmen, welche Gefahren bestehen, dass ein Computer aus dem Ruder läuft, dass er also etwas tut, was in dieser Marktsituation überhaupt nicht angemessen ist?"


    New York, Wall Street, 6. Mai 2010. Die Glocke läutete wie gewohnt den Handelsstart ein. Am diesem Morgen ahnte noch niemand, dass dieser Tag als "Flash Crash", als "Blitzeinbruch", in die Geschichte eingehen wird. Am Nachmittag raste der Dow Jones Index in wenigen Minuten in die Tiefe. Er verlor 1.000 Punkte und damit fast zehn Prozent. Die Stimmen der Kommentatoren im US-Fernsehen überschlugen sich fast.

    Für 30 Minuten spielte die Wall Street verrückt: Der Preis für eine Aktie des Computerriesen Apple beispielsweise stieg zeitweise um 40.000 Prozent auf 100.000 US-Dollar. Eine Aktie der irischen Unternehmensberatung Accenture hingegen war kurzeitig fast wertlos, lag bei nur einem Cent. Nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei, die Kurse pendelten sich wieder ein.

    Was hat den Flash Crash ausgelöst? Die Analysten waren damals ratlos. Zwar stieg bereits im Sommer 2010 die Sorge um das hoch verschuldete Griechenland, doch ein so gewaltiger Kursfall musste noch andere Ursachen haben. Die US-Börsenaufsicht SEC ermittelte: Am 30. September 2010 veröffentlichte die Behörde einen Untersuchungsbericht. Darin heißt es, dass genau um 13:32 Uhr die Computer des Investmentfonds Waddell & Reed aus Kansas plötzlich hochaktiv wurden. Sie verkauften massenweise Termingeschäfte vom Typ E-Mini. Darin werden 500 Aktien zusammengefasst, die in den USA gehandelt werden. Der Grund für den Blitzverkauf: Der Fonds aus Kansas sorgte sich um die US-Wirtschaft. Darum wollte sich die Firma von den Papieren trennen - möglichst schnell. Wie der Markt reagieren würde, darauf sollte das Computerprogramm keine Rücksicht nehmen. Eine fatale Entscheidung. Und wie sich später herausstellte: wohl eine stümperhafte Programmierung.

    Die Rechner von Waddell & Reed verkauften Termingeschäfte im Wert von 4,1 Milliarden US-Dollar. Die Folge: Die Aktienkurse fielen dramatisch und die Computer anderer Investoren reagierten sofort. Auch sie warfen vollautomatisch Papiere auf den Markt - es kam zu einer wahren Kettenreaktion. Die Händler an der Wall Street konnten nur noch zuschauen, hatten minutenlang keinen Einfluss auf das, was an jenem 6. Mai an der Börse passierte.

    "Wenn wir über Entscheidungszyklen, die ein Computer hat von Millisekunden und Nanosekunden sprechen, das liegt natürlich schon außerhalb unserer menschlichen Wahrnehmbarkeit."

    Karsten Hiestermann ist vorsichtig, wenn er über den Computerhandel spricht. Die Schlagzeilen der vergangenen Wochen, nach denen die elektrischen Helfer wahllos Geld am Markt verbrennen, sieht der Frankfurter Börsenaufseher kritisch. Man sei schlicht noch nicht so weit, um die Vor- und Nachteile des Computerhandels endgültig bewerten zu können.

    "Früher hat man einen Händler gehabt, der seine Handelsentscheidung getroffen hat und den konnte man natürlich, wenn es eine Auffälligkeit gab, dann konnte man diesen Händler befragen und der konnte einem dann in aller Regel auch erklären, welche Absichten hinter seiner Order standen, warum er so und so gehandelt hat und was für Ziele er damit verfolgt hat. Aber wir stoßen zunehmend auf Schwierigkeiten, Personen zu finden, die einem jetzt wirklich konkret erklären können, warum hat der Algorithmus jetzt so gehandelt und warum hat er genau diese konkrete Aktivität in einem bestimmten Zeitpunkt gerade ausgeführt."

    Im Vor-Computer-Zeitalter hätte die Suche nach Aktienhändlern direkt in die Handelssäle der Börsen geführt. Heutzutage ist es viel komplizierter. Verantwortlich sind nicht mehr nur Banker, sondern auch Mathematiker, Physiker und Informatiker. Gefragt sind keine Börsensäle mehr, sondern Rechenzentren. Eines davon liegt in einem Industriegebiet am Frankfurter Ostend.

    Die Räume des IT-Dienstleisters Interxion sind schwer gesichert. In der Personenschleuse steht eine Waage. Bei jedem, der das Rechenzentrum betritt, wird exakt das Gewicht ermittelt und gespeichert. Denn schon wer das Zentrum leichter verlässt als er es betritt, macht sich verdächtig: Er könnte eine Bombe mitgebracht und im Gebäude versteckt haben. Das Gebäude gleicht einem Hochsicherheitstrakt. Interxion stellt Banken und Investmentfonds Computerserver zur Verfügung, die per Datenleitung direkt an das Xetra-System der Deutschen Börse angeschlossen sind.

    Auf diesen Servern schlummern also die vollautomatischen Algorithmen, mit deren Hilfe gehandelt wird. Interxion muss immer größere Kapazitäten stellen – und immer schnellere. Der Grund: Hochfrequenzhändler versuchen früher, als die übrigen Marktteilnehmer an die Börsendaten zu kommen. Und diesen Vorsprung nutzen sie gnadenlos aus. Am Finanzplatz London bietet Interxion deshalb sogar einen sogenannten Collocation-Service – gegen einen Aufpreis steht der Kundenserver ganz nahe am Server der Börse. Peter Knapp ist Geschäftsführer von Interxion in Deutschland.

    "Die Schnelligkeit in den Transaktionen entscheidet sich durch die Nähe. Es kann durchaus einen Unterschied machen, ob eine Glasfaseranbindung hundert Meter oder einen Kilometer entfernt ist. Daher versuchen wir auch als Unternehmen möglichst nah an den Handelsplätzen zu sein. Also es ist sehr wohl auch eine Investitionsschlacht, die sich nicht jeder leisten kann."

    Schnelligkeit, das ist die Welt von Mikro- und Nanosekunden. Das ist die Welt des Hochfrequenzhandels. Ein flinker Aktienhändler kann pro Minute etwa fünf Kauf- oder Verkaufsbefehle manuell in einen Computer eingeben. Im Hochfrequenzhandel dagegen schaffen die Rechner in jeder Minute Millionen Aufträge. Inzwischen wird rund die Hälfte aller Aktiengeschäfte von Hochfrequenzcomputern ausgeführt. Der elektronische Händler nutzt es zum Beispiel aus, wenn eine Aktie an unterschiedlichen Börsenplätzen einen winzigen Preisunterschied aufweist. Der Gewinn pro Sekunde ist überschaubar, pro Tag aber ist er ordentlich und pro Jahr macht die Branche damit Milliardengewinne.

    Oliver Roth analysiert an der Deutschen Börse den Markt für die Frankfurter Privatbank Close Brothers Seydler. Wenn man so will, dann gehört der 43-Jährige zur alten Garde der Aktienhändler. Mit dem Hochfrequenzhandel hat seine Bank nichts zu tun.

    "Es kommt durch Hochfrequenzhandel mit Sicherheit auch zu Wettbewerbsverzerrungen, weil ja einige wenige Ausgesuchte, die sich große Computer leisten können und leistungsstarke Leitungen leisten können, dass die letztendlich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der großen Masse haben und sich, wenn man so will, auf Kosten der Masse letztendlich finanzieren."

    Roth fordert die Wiederentdeckung der Langsamkeit am Aktienmarkt. Er will ein Tempolimit für die Computer.

    "Der computergesteuerte Handel – und der Hochfrequenzhandel ist ein Teil davon – der hat einen sehr hohen Einfluss auf die Märkte und auf die Preisschwankungen an den Märkten."

    Der Hochfrequenzhandel stört die Märkte, er lässt sie überschießen, er ist nicht mehr kontrollierbar. Peter van Kleef kennt diese Vorwürfe – und er kann sie nicht mehr hören. Er ist ein Hochfrequenzhändler.

    "Weil es einfach eine sehr polemische Diskussion ist. Es ist so, dass momentan sogar die Verbindung gezogen wird zwischen der Euro-Staatenschuldenkrise und dem Hochfrequenzhandel, wo wirklich überhaupt kein Zusammenhang besteht. Also wenn Griechenland, Portugal sich zu hoch verschulden, zu wenig Steuern eintreiben, dann hat das mit Hochfrequenzhandel überhaupt nichts zu tun. Es ist absolut unsinnig; und da einen Schuldigen zu suchen ist einfach ein klassisches Mittel der Politik zu sagen: Ok, wir haben etwas verbockt, und jetzt haben wir einfach einen Schuldigen, der Dinge macht, die vielleicht jetzt nicht für den Normalbürger komplett transparent sind."

    Van Kleef ist Chef von Lakeview Capital in Starnberg bei München. Vor 18 Jahren gründete er seine Investmentfirma. Sitz seines Unternehmens ist nicht Frankfurt, aber das ist gar kein Problem: Denn seine Computer stehen meist nur wenige Meter von allen wichtigen Börsen entfernt – und das weltweit. Er beschäftigt extra Physiker und Elektroingenieure.

    "Ich denke, dass es einfach moderne Technik ist, die hier einfach unvermeidlich ist. Heutzutage würde ich auch nicht mit der Pferdekutsche fahren, es ist nur natürlich, mit dem Computer zu handeln."

    Nikolaus Hautsch mag Computer. Im Büro des Wirtschaftsprofessors an der Berliner Humboldt Universität liegt ein Tablet-PC, daneben ein Smartphone. Auf eine Tafel hat Hautsch mathematische Formeln geschrieben. Der 39-Jährige erforscht den Hochfrequenzhandel. Er will ergründen, ob die schnellen Rechner eine gute oder eine schlechte Sache sind.

    "Als Ökonomen müssen wir uns zumindest fragen: Was ist letztendlich der gesellschaftliche Nutzen daraus? Der gesellschaftliche Nutzen könnte darin bestehen, und das ist ja auch ein Argument für den Hochfrequenzhandel, dass die Märkte liquider werden, das heißt, die Hochfrequenzhändler stehen gleichzeitig auf beiden Seiten des Marktes bereit. Das ist etwas, was gut ist. Weil das führt dazu, dass wir als Investoren oder auch als Kleinanleger, wenn wir unsere Transaktionen ausführen wollen und zwar möglichst schnell zu möglichst guten Konditionen, dass wir dann auch eine entsprechende Gegenseite auf dem Markt finden."

    Die Schnelligkeit der Hochfrequenzhändler kann seiner Meinung nach den Markt also beleben. Wer etwa 100 Aktien von BMW verkaufen will, jetzt und nicht erst in zwei Stunden, der kann von den flinken Abnehmern profitieren. Dieser Effekt spart Zeit und senkt damit die Kosten für den gesamten Börsenhandel. Der Wirtschaftswissenschaftler hat eine These. In ruhigen Marktphasen helfe der Hochfrequenzhandel auch den anderen Marktteilnehmern. Dass die schnellen Rechner einen Börsencrash auslösen, daran glaubt Nikolaus Hautsch nicht. Der Ökonom weiß aber, dass in turbulenten Phasen der Hochfrequenzhandel das Auf und Ab der Börsen verstärkt. Computer kennen keine Emotionen kennen, sie hinterfragen nichts. Und das ist das Problem. Hautsch spricht vom "Fat Finger", vom dicken Finger eines Aktienhändlers, der auf der Tastatur aus Versehen eine falsche Taste drückt.
    "Jemand hängt aus Versehen eine Null hintendran, verschiebt eine Kommastelle in die falsche Richtung und auf einmal ist eine normale Order eine riesige Order. Darauf springen dann alle automatisierten Stop-Loss-Orders an, und wir rauschen in den Keller. Und das ist auch meine Haupthypothese, dass da die Gefahr des Hochfrequenzhandels drin besteht. Der Mensch kann die Maschine nicht mehr kontrollieren, die Maschine ist einfach zu schnell, und innerhalb von ein paar Sekunden ist der Preis runtergerauscht, obwohl das Ganze nur ein Fehler war."

    Hochfrequenzhändler machen während der turbulenten Phasen meist richtig Kasse. Und das erzürnt viele. Die Politik beispielsweise. Im August, als an den Aktienmärkten Milliarden versenkt wurden, machten die Hochfrequenzhändler einen Gewinn von 60 Millionen US-Dollar. Das schätzt das US-Marktforschungsunternehmen Tabb.

    Sitzung des Europäischen Parlaments in Straßburg. 28. September 2011. EU-Kommissionspräsident Barroso steht am Rednerpult. Er will dem Plenum erklären, wie man Europa von seiner Schuldenlast befreien kann.

    "Die EU-Staaten, ich sollte sagen, die Steuerzahler, haben dem Finanzsektor Hilfe und Garantien über 4,6 Billionen Euro gegeben. Es ist an der Zeit, dass der Finanzsektor nun seinen Beitrag für die Gesellschaft leistet. Daher bin ich stolz zu verkünden, dass die Kommission heute ein Gesetz vorschlägt für eine Finanztransaktionssteuer."

    Jede Transaktion am Aktienmarkt, so der Kommissionsvorschlag, soll künftig mit 0,1 Prozent besteuert werden. Beim Hochfrequenzhandel werden in Millisekunden Unmengen von Käufen und Verkäufen getätigt. Die Finanztransaktionssteuer wäre für die Branche dann auch so etwas wie das finanzielle Aus. Vielen europäischen Politikern käme das gelegen. Wirtschaftsexperten hingegen finden den Vorschlag polemisch.
    "Wir müssen uns über die Risiken klar sein, wir müssen aber uns aber auch darüber klar sein, dass der Hochfrequenzhändler den Märkten durchaus auch hilft. Und das jetzt komplett wegzuwischen mit einer Transaktionssteuer, die am Ende des Tages wahrscheinlich sowieso wieder an den Verbraucher weitergereicht wird, halte ich nicht für sinnvoll."

    Ökonom Hautsch fordert stattdessen mehr Kontrollmechanismen an den Börsen. Seiner Meinung nach dürfe es einfach nicht mehr passieren, dass eine falsche Eingabe auf der Tastatur oder ein Programmfehler zu Katastrophen führen. Er fordert mehr Handelsunterbrechungen, das heißt: in zu hitzigen Phasen müssen die Börsen reagieren und den Handel kurzerhand aussetzen. Und er fordert, dass sich die Akteure an den Finanzmärkten nicht zu sehr auf die Computer verlassen.

    "In bestimmten Phasen ist der Mensch der Maschine nach wie vor überlegen und wird meiner Meinung nach auch immer überlegen sein. Und das darf man nicht vergessen."

    Der Flash Crash von 2010 und die öffentliche Debatte haben die Finanzmärkte vorsichtiger gemacht im Umgang mit Computern. Am 25. August etwa, als der Deutsche Aktienindex in wenigen Minuten vier Prozent verlor, stoppte die Deutsche Börse den Handel 26 Mal. Ausgelöst wurden diese Unterbrechungen von einem Überwachungssystem. Es läuft - und das ist die Ironie an der Geschichte – vollautomatisch: Auf einem Computer.