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Digitale Lösungen
Wohnungsbesichtigung mit Virtual-Reality-Brille

Wohnungsbesichtigungen sind oft mühsam. Umso reizvoller scheint da eine Software, die Besichtigungen in der virtuellen Realität ermöglicht. Wo genau sich Makler und Kaufinteressent dabei aufhalten, spielt keine Rolle.

Von Mirko Smiljanic | 17.03.2017
    Ein Besucher hat auf der Computerspielmesse Gamescom in Köln eine Virtual Reality Brille an und spielt "Resident Evil 7".
    Die Firma eachTick macht eine virtuelle und dennoch lebensnahe Wohnungsbesichtigung möglich. (Imago / Rüdiger Wölk)
    Zugegeben, die Brille ist unhandlich, aber sie ist ja auch kein Modeaccessoire, sondern eine VR-Brille, VR steht für Virtual Reality, virtuelle Realität. Wer das klobige Ding aufsetzt taucht ein in neue Welten. In diesem Fall in eine Hamburger Wohnung. Der erste Blick fällt auf das geschmackvoll eingerichtete Wohnzimmer, geradeaus die Sitzgruppe, links ein Kamin, rechts bodentiefe Fenster mit Blick auf die Außenalster. Ein Immobilienmakler sucht Käufer für dieses Luxusobjekt.
    "Jetzt sehe ich natürlich, Sie gucken sich in der Wohnung um, und dann sehen Sie auch schon, hier gibt es viele schöne, kleine Sachen", beschreibt Dirk Rosenlöcher, Designer und App-Entwickler bei der eachTick GmbH, Köln: "Und jetzt sage ich zum Beispiel, gucken Sie doch mal hierhin, dann wissen Sie gar nicht wohin, da blende ich für Sie einen point of interest ein, und so kann ich ihren Blick in der virtuellen Realität lenken. Diesen Punkt kann ich jetzt einfach löschen und sagen, ich möchte Ihnen jetzt gerne mal das Bild zeigen, dann fragen Sie, welches Bild und ich sage dieses Bild, und Sie wissen, ah, genau, also was ich jetzt gemacht habe. Ich setze einen Punkt, den kann ich auf dem Tablet sehen, den kann aber auch der Betrachter in der virtuellen Realität sehen."
    Eine virtuell begehbare Wohnung
    Nichts wackelt oder ruckelt, der Kunde sieht die Wohnung ohne Verzerrung in angenehmen Farben. Möglich machen das spezielle Kameras, die vorab alle Räume mit allen Details filmen. Anschließend verbindet eine Software die Bilder zu einer virtuell begehbaren Einheit. Ein Schwenk nach links durch den Flur führt zum Beispiel in die Küche.
    "Ich kann jetzt auch, wenn ich möchte, Ihnen zum Beispiel Details zur Wohnung zeigen, zum Beispiel kann ich Ihnen Infos zum Kochfeld einblenden, ich kann Ihnen auch noch mal Infos zum Backofen einblenden", legt App-Entwickler Rosenlöcher nach. Entwickelt hat das Präsentationsprogramm für Immobilienmakler die Kölner eachTick GmbH.
    "Gegründet wurde die Firma 2013, also noch ein recht junges Unternehmen, seit 1999 arbeiten wir zusammen, haben auch schon ein paar andere kleinere Firmen gehabt und kommen ursprünglich aus dem Bereich Videospielentwicklung."
    Wurzeln in der Videospielentwicklung
    Klein - so André Weinhold, Geschäftsführer der eachTick GmbH, Köln – sei das Start-up mit vier Mittarbeitern zwar immer noch, man sitze jetzt aber mit den richtigen Leuten an einem Tisch: Softwareentwickler und Informatiker, Designer und Datenbankexperten. Die eachTick-Mitarbeiter arbeiten interdisziplinär. Dass sie ihre Wurzeln im Gaming-Bereich haben, sieht Weinhold als großes Plus.
    "Das verstehen die wenigsten, aber wenn ich zum Beispiel ein Datenbankprogramm habe, drücke ich auf einen Knopf, dann sehe ich einen Fortschrittsbalken, der läuft dann durch, das dauert dann vielleicht eine Minute oder zwei, da fragt dann keiner, aber da steckt meistens was hinter, das ist nicht optimiert, das ist langsam, aber bei einem Computerspiel sehen Sie zum Beispiel, da muss innerhalb von wenigen Millisekunden auf dem Fernseher stehen, es muss Sound abgespielt werden, und es bedingt natürlich viel mehr Leute, die unterschiedlich an so einem Projekt involviert sind, Kreativität, Sound, Musik, Leveldesigne und all solche Dinge, hat man bei einer Datenbanksache natürlich nicht."
    Eine Hightech-Wohn-Arbeits-Gemeinschaft
    eachTick arbeitet in einer großzügigen Wohnung im Kölner Zentrum. Mehr als leistungsstarke Laptops sind nicht notwendig, Speicherkapazität mieten sich die VR-Entwickler nach Bedarf an. Eine Hightech-Wohn-Arbeits-Gemeinschaft im Luxusambiente mit riesigem Fernseher und riesiger Terrasse. Die durchgesessene Couch hat bei der neuen Start-up-Generation ausgedient.
    "Das ist für uns Lebensqualität natürlich auch. Wo wir sagen, wir lieben unsere Arbeit, wir lieben auch gerne zu wohnen, wir möchten eine gute Zeit haben, und das ist das Schönste, was man haben kann, wenn man alles miteinander verbinden kann", beschreibt Geschäftsführer André Weinhold, der an diesem Morgen wie Dirk Rosenlöcher unkonventionell gekleidet am riesigen Küchentisch sitzt.
    Die Palette der Einsatzmöglichkeiten von VR-Systemen ist breit. Über die Entwicklung von Maschinen und Autos, bis hin zur chemisch-pharmazeutischen Industrie, virtuelle Präsentations- und Entwicklungssysteme sind allgegenwärtig. Und sie sind mittlerweile ausgesprochen lebensnah, so Rosenlöcher.
    "Wie sie hören, können wir auch mit Soundunterstützung arbeiten, wir haben dann kleine Vöglein, die zwitschern, den Straßenverkehr, alles, was die Besichtigung noch ein bisschen lebensechter macht und ein bisschen Gefühl dazu bringt. Was ich natürlich auch machen kann, ich kann Ihnen in die virtuelle Realität reinmalen und so kann ich verschiedene Sachen auch noch mal highlighten, das heißt, ich male auf dem Tablet und Sie sehen das in der virtuellen Realität."
    Grenzenlose Digitalisierung
    Wo genau sich Makler und Kaufinteressent aufhalten, spielt keine Rolle, die Digitalisierung ist in diesem Fall tatsächlich grenzenlos. Umsatzzahlen gibt eachTick nicht preis, die Auftragsbücher des Kölner Start-ups sind aber gut gefüllt. Was auch seinen Grund darin hat, dass die Kölner Firma alle Standards für den Umgang mit sensiblen Daten erfüllt – vor allem Großkunden setzen das bei einer Zusammenarbeit voraus.
    Also, positive Entwicklung mit hohem Wachstumspotenzial? Was, wenn vier Mitarbeiter die Arbeit alleine nicht mehr stemmen können?
    "Wir sehen es eher so, wir möchten, anstatt 50 Mitarbeiter, die alle so super gut bis okay sind, haben wir vielleicht lieber zehn, die der Hammer sind. So sind wir im Moment aufgestellt, wir sind sehr gut spezialisiert auf viele Bereiche. Wachstum ist auch da, aber ein richtiges Interesse daran, zu sagen, wir wollen jetzt ein 100-Mann-Unternehmen haben nur der 100 Mann wegen - verfolgen wir nicht, diese Strategie."