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Digitale Rechte im Umbruch

Der Nachfolger des analogen Kassettenmitschnitts ist die digitale Kopie - identisch mit dem Original und bester Qualität. Dies und die Verbreitung schneller Internetanschlüsse öffneten dem illegalen Tausch von Musiktiteln Tür und Tor. Gesetzgeber und Industrie setzen jedoch zum Gegenschlag an.

Von Pia Grund-Ludwig | 27.05.2006
    Die Geschäfte mit urheberrechtlich relevanten Gütern wie Computerprogrammen, Filmen und Musik brummen. Allein der Export aus den USA ist von 1991 bis 2001 von 36 auf 89 Milliarden Dollar gestiegen. In zehn Jahren haben sich die Ausfuhren also mehr als verdoppelt. Diese Zahlen nennt ein Bericht von Copysouth, der Mitte Mai erschienen ist. Darin befassen sich Wissenschaftler, die vor allem aus Entwicklungsländern kommen, mit den negativen Auswirkungen, die Verschärfungen der Copyright-Regeln auf die Staaten der südlichen Hemisphäre haben. Der Verband der amerikanischen Musikindustrie, die RIAA, vertritt die Gegenseite. Sie erarbeitet Strategien gegen illegales Kopieren. Besonderes Augenmerk richtet sie dabei auf zwei Länder: Russland und China.

    China hat zwar die Gesetze zum Urheberrecht im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zur Welthandelsorganisation WTO verschärft. Dennoch gibt es im Land der Mitte viele Ausnahmen. So sind China Kopien für den Privatgebrauch, für Forschungszwecke und zur eigenen Unterhaltung erlaubt. Verboten ist es dagegen, Kopien ohne Erlaubnis des Künstlers im Internet verfügbar zu machen oder zu vertreiben. Dieses geltende Recht werde aber nicht durchgesetzt, kritisiert Neil Turkewitz. Er ist Vizepräsident des Verbands der amerikanischen Musikindustrie und beschäftigt sich dort vor allem mit Fragen des Urheberrechts.

    "Die größte Herausforderung in China ist nicht der rechtliche Rahmen, sondern dass Recht nicht durchgesetzt wird. Die chinesische Regierung setzt auf Aktivismus, statt auf tatsächliche Abschreckung. Es wimmelt von Razzien, wo Raubkopien gefunden und zerstört werden. Aber wir sehen keine Strafverfolgung, sodass das Vorgehen keinerlei Auswirkungen auf den Markt hat."

    Auf China gibt es auch eine andere Sicht. Robin Gross stört, dass die amerikanische Regierung versucht, Druck auszuüben. So sei in China gerade auf Druck der US-Regierung illegales Kopieren zum Kapitalverbrechen erklärt worden und könne im Extremfall mit der Todesstrafe geahndet werden. Gross ist Anwältin und Chefin von IP Justice, einer Organisation mit Sitz in San Francisco, die sich für ein ausgewogenes Rechtssystem bei der Wahrung des geistigen Eigentums einsetzt. Während internationale Verträge private Kopien zulassen, sei dies in bilateralen Verträgen zwischen den USA und vor allem lateinamerikanischen Staaten häufig nicht der Fall, argumentiert Gross. Ihr Beispiel ist Chile:

    "Die USA und Chile haben im vergangenen Jahr ein Freihandelsabkommen unterzeichnet, wo der faire Umgang mit dem Urheberrecht gar nicht vorkommt."

    Das Ergebnis sei, dass Länder wie Chile weniger Rechte hätten als die USA. Auch in den klassischen Industrienationen wird noch um klare Positionen gerungen. So hat das australische Justizministerium neue Regeln für den Umgang mit geistigem Eigentum vorgeschlagen. Bislang gab es dort gar kein Recht auf Privatkopien. Künftig sollen Nutzer Sendungen aus Fernseh- oder Radioprogrammen aufzeichnen dürfen. Dabei gibt es allerdings eine Auflage, nämlich diese nach einmaligem Abspielen zu löschen. Außerdem soll die Umwandlung von gekauften CDs in andere Formate erlaubt werden.

    Gleichzeitig haben die australischen Behörden aber ein verschärftes Vorgehen gegen den Tausch von Dateien im Internet angekündigt. In Japan drängt der Unternehmerverband derzeit auf Veränderungen des Schutzes von Urheberechten. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob und wie häufig Sendungen aus dem digitalen Fernsehen für den privaten Gebrauch kopiert werden dürfen. Es sind Regelungen geplant, die sich am Fair-Use-Prinzip in den USA anlehnen. Nach amerikanischen Recht sind Kopien erlaubt, so IP Justice-Chefin Robin Gross. Es gelten aber Einschränkungen:

    "Es ist nicht erlaubt, zwei Kopien zu machen und eine davon weiterzugeben. Man darf nur die Kopie erstellen und die dann weitergeben."

    Auch in Europa ist die Debatte um die Rechte auf Privatkopien heftig im Gange. So forderte die Justiziarin des Bundesverbands der Deutschen Phonoverbände, Nora Braun, unlängst, die digitale Privatkopie hierzulande komplett zu verbieten oder zumindest erheblich einzuschränken. Damit findet sie aber beim Gesetzgeber keine Resonanz. In Großbritannien liefert ein Report der Verbraucherorganisation National Consumer Council den Verfechtern einer Reform der Urheberrechtsgesetze Argumente. Auf der Insel gibt es bislang kein Recht auf Privatkopie. Dennoch gaben mehr als die Hälfte der Briten bei einer Befragung an, CDs zu kopieren. Nun fordert der Verbraucherverband, dem Rechnung zu tragen und die Gesetze der Realität anzupassen.