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Digitale Welt und Teilhabe
Wer ist drin, wer draußen?

Viele sind im Internet sozusagen zuhause. Andere wiederum nutzen das Netz überhaupt nicht. Die digitale Welt kennt also Gewinner und Verlierer. Die Kirche steht vor einer großen Digitalisierungs-Reform. Über die Problematik der In und Exklusion wurde auf dem katholischen Medienkongress in Bonn diskutiert.

Von Burkhard Schäfers | 19.10.2017
    Porträtfoto von Lorenz Maroldt, Chefredakteur des Berliner Tagesspiegel, im Studio von Deutschlandradio Kultur
    Die Digitalisierung eröffne Zeitungen neue Möglichkeiten, findet Lorenz Maroldt, Chefredakteur des Berliner Tagesspiegels. (Deutschlandradio / A. Bräunlein)
    "Die Menschheitsfamilie hat die Pflicht, jeden ihrer Mitmenschen von der Geißel des Hungers und der Armut zu befreien", schreibt '@pontifex' am 17. Oktober. Der Papst twittert. Und erreicht damit in mehreren Sprachen weltweit Millionen Follower.
    Radio Vatikan sendet in mehr als 40 Sprachen
    Allerdings dürfte es noch viel mehr Menschen geben, die sich für die Nachrichten des Papstes interessieren, aber keinen Zugang zu Twitter und anderen digitalen Kanälen haben, sagt Pater Bernd Hagenkord von Radio Vatikan: "Natürlich ist es eine schöne neue Welt. Aber davon ist die Hälfte der Weltbevölkerung erstmal noch weit weg. Das kommt irgendwann, aber im Augenblick ist es eben nicht so, dass alle Menschen ein Smartphone in der Hand haben und twittern. Sondern im Gegenteil: Die Kluft wird größer, und damit müssen wir gucken, dass wir in dieser Geschichte, die ja auch wirtschaftsschöpferisch wahnsinnig wichtig wird, nicht wieder die übliche Hälfte der Welt verlieren, sondern da an Bord kommen."
    Auf den Medienwandel reagiert auch Radio Vatikan, das in mehr als 40 Sprachen sendet und auf verschiedenen Social-Media-Kanälen erreichbar ist. Das päpstliche Medienangebot wird gerade umgebaut, erklärt Hagenkord: "Wir sind ja in Reform begriffen, und dann wollen wir auch eine neue App auf den Markt werfen, die soll es in zwei Ausführungen geben. Eine für Breitband, für europäische und nordamerikanische Standards. Und eine eben auch für ganz wenig Datenbandbreite, für Afrika zum Beispiel, wo es nur ein bisschen Internet gibt. Da kann man sich halt nicht die dicken Bilder runterladen, die langen Audios, aber immerhin hat man Zugang."
    Bernd Hagenkord, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan.
    Bernd Hagenkord, Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan. (Radio Vatikan / dpa)
    Wen erreichen die Medien? Diese Frage stellt sich nicht nur in kirchlichen Redaktionen. Gerade Zeitungen eröffne die Digitalisierung neue Möglichkeiten, meint etwa Lorenz Maroldt, Chefredakteur beim Tagesspiegel in Berlin. Denn die klassische Zeitung wendet sich nur an diejenigen, die lesen können und dies gern tun.
    Maroldt: "Wenn wir über Inklusion nachdenken. Beispielsweise jemand, der sehbehindert ist, kann eine Zeitung nicht lesen. Aber es gibt Möglichkeiten, das digital natürlich zugänglich zu machen. Das beginnt bei einem barrierefreien Twitteraccount und geht bis hin zum Podcast, was ja auch Zeitungsinhalte reproduziert."
    Newsletter "Tagesspiegel Checkpoint" steht im Kontakt mit den Lesern
    Natürlich versuchen die Zeitungsmacher auch, sinkenden Auflagen im Printgeschäft etwas entgegen zu setzen. Als erfolgreiches Beispiel gilt der morgendliche Newsletter 'Tagesspiegel Checkpoint', in dem Maroldt einen Überblick zu den Berliner Themen des Tages gibt. Weniger förmlich, teilweise ironisch geschrieben - finanziert durch Anzeigen. Inzwischen setzt fast jedes etablierte Medium auf das Prinzip Newsletter - von der Süddeutschen über den Spiegel bis zur FAZ.
    "Das hat auch was mit dem Thema Interaktion zu tun. Das heißt, wenn ich einen Leserbrief an die Zeitung geschrieben habe, konnte ich mir ziemlich sicher sein, der wird irgendwo abgeheftet - wenn ich Glück hatte, wurde davon irgendwo ein Teil veröffentlicht. Beim Checkpoint haben wir inzwischen eine kleine Mannschaft, die tatsächlich mit den Lesern im engen Kontakt steht. Und ich glaube, dass ist der Schlüssel für den Erfolg des Checkpoints: Dass er eben auch andere Menschen erreicht, als im klassischen Tagesspiegel-Segment bisher vorhanden waren," so Maroldt.
    Um in der digitalen Medienwelt nicht neue Gräben aufzureißen zwischen denen, die drinnen und denen, die draußen sind, lautet das Rezept von Chefredakteur Lorenz Maroldt: Spezialisierung - etwa in Form von Themenpaketen, Podcasts, Newslettern oder dem ePaper: "Medienhäuser müssen kleinere Päckchen packen für bestimmte Lesergruppen, die sich für bestimmte Dinge ganz besonders interessieren. Für die Zeitung als Ganzes ist er als Kunde verloren, aber nicht für das spezielle Interesse Energiewirtschaft beispielsweise. Da hat er einen besonderen Fokus drauf, deswegen kriegt er dafür ein spezielles Angebot."
    Der Glaube muss im Dialog stattfinden
    Sich spezialisieren und mehr interagieren - dahin sollten auch die kirchlichen Medien gehen, sagt Pater Hagenkord von Radio Vatikan. Um die Nutzer teilhaben zu lassen, sei mehr nötig als nur zu senden: "Als Priester spreche ich, bin der Sender, und der gemeine Gläubige ist der Empfänger - das funktioniert nicht mehr. Sondern wir müssen eine Verkündigung finden, die eben nicht Verkündigung ist von A nach B, sondern die als Kommunikation stattfindet. Weil sonst verhallt dieses Wort, dass wir da in die Wälder sprechen und kommt nirgendwo an. Da müssen wir weg von, da müssen wir neu lernen."
    Lernen, das tun die Medien gerade. Mit dem Ziel, möglichst niemanden auszuschließen, sondern so viele wie es geht zu erreichen.