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Digitaler Musenkuss
Software als Komponist

Aus Literatur Musik machen - was Goethe und Schubert beim "Erlkönig" gelang, das soll ein Programm namens "Transprose" ebenso hinbekommen. Können Goethe und Schubert also einpacken, wenn Maschinen durch ein Assoziations-Lexikon Emotionen in Texten erkennen? Worin liegt der Nutzen komponierender Software?

Von Haluka Maier-Borst | 21.01.2015
    Noch bevor die ersten Takte des Erlkönigs einsetzen, lässt die Musik von Franz Schubert erahnen, was sich anbahnt. Ein Drama, in dem es um Leben und Tod geht. Die Informatikerin Hannah Davis vertont nun seit einiger Zeit ebenfalls Weltliteratur. Allerdings ist es genau genommen nicht sie selbst, die die Musik komponiert. Es ist das von ihr entwickelte Programm Transprose.
    "Transprose ist ein Programm, das einen Roman verarbeitet und ihn zu Tönen macht. Es macht also aus Literatur Musik. Das Programm geht über den Text, versucht daraus die Emotionen herauszuziehen und diese dann in Form von Tempo, Oktaven et cetera darzustellen."
    Kein Klassiker-Potenzial
    Klassiker der Musikgeschichte werden diese Interpretationen wohl nicht. Das sei aber auch gar nicht das Ziel gewesen, erklärt Hannah Davis. Sie wollte zeigen, dass eine Maschine prinzipiell Emotionen in einem Text erkennen und passende Musik dazu komponieren kann. Forscherkollegen von Hannah Davis glauben, dass Transprose bereits einen praktischen Nutzen haben kann:
    "Einige Leute sagten, Transprose könnte dabei helfen Bücher zu kaufen. Man hört sich die generelle Stimmung eines Buches an und entscheidet dann, ob man ein solches Buch will. Oder es könnte in der Filmbranche, die passende Musik zu Drehbüchern komponieren. Ja es könnte sogar in der Schule eingesetzt werden, damit Kinder lernen, auf was für andere Arten man Texte darstellen kann."
    Aber wie genau gelingt es einer Maschine, die Stimmung in einem Text zu erkennen? Transprose nutzt dafür das Assoziations-Lexikon des kanadischen Forschers Mohammed Saif. Dieses Lexikon umfasst rund 40.000 englische Wörter und ordnet jedem von ihnen eine entsprechende Emotion zu.
    "Lächeln, Vertrauen, Eiskrem – das wären zum Beispiel fröhliche Worte. Aber auch subtilere wie Freund und Mutter. Und dann gäbe es für die Emotion Angst so offensichtliche Worte wie Monster, aber auch subtilere Worte wie Warten."
    Musikalische Interpretation
    Erkennt das Programm also eines dieser 40.000 Worte im Kapitel eines Buchs, führt es quasi eine Strichliste. Wie viele Worte haben eine positive Bedeutung? Wie viele Worte deuten auf Angst hin? Am Ende rechnet das Programm zusammen und interpretiert das Kapitel eines Romans entsprechend musikalisch. Reiht man nun die einzelnen Kapitel aneinander, entsteht der Stimmungsverlauf eines ganzen Buchs.
    Geschichten mit dunklem Tenor wie der „Herr der Fliegen" klingen darum nach und nach bedrohlicher, fröhliche Geschichten wie "Peter Pan" fast durchweg beschwingt. Dass es dem Algorithmus auch gelingt, Nuancen in Romanen abzubilden, darf allerdings bezweifelt werden, denn der "Herr der Fliegen" klingt bei Transprose zum Teil wie eine schnellere Version von "Herz der Finsternis".
    Es ist also lediglich die Grundstimmung eines Buches, die das Programm erkennen und akustisch wiedergeben kann. Und auch an Besonderheiten der menschlichen Sprache wie Ironie oder Synonymen scheitert Transprose.
    Die Entwicklerin Hannah Davis ist sich dieser Probleme bewusst, aber:
    "Ich finde, dass 'Herr der Fliegen' und 'Herz der Finsternis' sich relativ ähnlich sind. Aber das sind die Beispiele, warum ich das Programm verfeinern will. Trotzdem: Wenn ich bedenke wie einfach die Formel ist, bin ich überrascht, dass sich die meisten Lieder so stark unterscheiden."
    Als nächsten Schritt will Davis weitere Aspekte hinzufügen wie Instrumente, Gesang und sogar eigene Liedtexte. Und wer weiß, vielleicht ist irgendwann einmal ein Programm wirklich in der Lage etwas zu komponieren, dass dem Erlkönig von Franz Schubert nahe kommt.