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Digitalisierung an der Hauptschule
Youtube als Wahlpflichtfach

Eine Hauptschule in Gelsenkirchen strahlt ab Ende Juni eigene Videos bei Youtube aus. Die Schüler bestimmen selbst, worum es inhaltlich gehen soll und drehen begeistert Erklärvideos. Die Lehrer erleben ihre Schüler ganz neu.

Von Hilde Braun | 28.06.2018
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    Dahltube - so heißt der Youtube-Kanal der Hauptschule in Gelsenkirchen am Dahlbusch (dpa)
    "Also, das ist ja das erste. Hallo Leute, willkommen zu unseren Erklärvideos - heute zeigen wir euch […] hier ein paar Beispiele, was für Beispiele führt ihr an?"
    Mittagszeit: Die 5. und 6. Unterrichtsstunde läuft. Erhan Makul, Muhareem Krasnic und Ensar Aydinly drehen ein Erklärvideo zum Schulunterricht. Eine ganze Palette Videos entstehen hier in diesen Stunden, die Themen bestimmen die Schüler und Schülerinnen selbst, wie etwa Videos zu Hausaufgaben oder dazu was in der Schule benötigt wird. Denn es gibt immer wieder Schüler, die ganz ohne Material in die Schule kommen. Die Videos sollen ihnen oder ihren Eltern helfen, richtig ausgestattet und pünktlich zur Schule zu kommen. Die drei Jungs aus der Klasse 10 sind eine Dreiergruppe im Projekt: Dahltube. Dahltube - so heißt der schuleigene Videokanal, der Ende Juni online geht - auf Youtube.
    "Wir machen jetzt 15 Sekunden? Wie lange wird das Video dauern?"
    Digitale Arbeitswelt, Teamgeist und Recherche
    Es ist der Wahlpflichtunterricht der Klassen 7 und 8 sowie 9 und 10. Ziel ist es die Schüler auf die zunehmend digitale Arbeitswelt vorzubereiten. So trainieren die Jugendlichen, Informationen zu recherchieren und sie verständlich aufzubereiten. Außerdem soll die Arbeit in Kleingruppen die Team- und Kommunikationsfähigkeit fördern. Die Schüler wählen die Themen aus, bearbeiten zusammen das Drehbuch und produzieren die Videos, erzählt Erhan:
    "Also an der Gruppenarbeit zwischen uns dreien gefällt mir am meisten das Zusammenarbeiten, das zusammen zu schneiden."
    Hilfe gibt es von Kolja Brandstedt, der als Teach-First-Fellow an der Hauptschule im Einsatz ist und bei technischen aber auch redaktionellen Fragen hilft. Gearbeitet wird mit Tablets und einer Kamera aus dem Lehrerkollegium. Auch ein Hobbyfotograf unter den Lehrern hilft aus. Muhareem schätzt es, die Lehrer auch mal anders kennenzulernen:

    "Ich habe Dahltube gewählt, weil die Lehrer einfach cool drauf sind, ich mich freue, Videos zu schneiden und mit anderen zu arbeiten, mehr Erfahrung im Leben zu haben, ja."
    Die Begeisterung ist groß
    Auch die Lehrer erleben ihre Schüler bei der Arbeit mit den Videos ganz neu. Die Begeisterung ist so groß, dass sie sogar länger an der Schule bleiben als sie müssten, einfach um ein Video fertig zu bekommen, erklärt Karoline Kiwitt, Lehrerin für Englisch und Geschichte an der Hauptschule am Dahlbusch, sie betreut das Projekt mit:
    "Mein Highlight ist tatsächlich immer: Freitags 5. bis 6. Stunde, dass die Kinder, die tatsächlich auch gerne mal schwänzen, mit großer Freude zu unserem Kurs kommen, auch anderen Schülern davon berichten, das ist für mich persönlich mein Highlight.
    So entsteht dann beispielsweise ein Video zum Verhalten an der Schule, Schüler erklären was in Ordnung ist, und was tabu ist – für ihre Mitschüler, daran können sich dann alle Schüler orientieren. Beispiel:
    "Hallo und herzlich willkommen bei Dahltube: Hier in der Hauptschule müssen wir jeden Tag zur Schule kommen und schwänzen ist nicht erlaubt, in der Hauptschule am Dahlbusch dürfen wir nicht rauchen und Drogen nehmen, hier dürfen wir nicht schlagen, denn sonst wird man nach Hause geschickt. Denn unsere Regel heißt: Wer schlägt, der geht."
    Bewusster Umgang mit dem Thema Video
    Die Schüler werden nicht nur selbst kreativ, sondern gehen kritisch mit digitalen Medien um, durch die Produktion findet ein bewusster Umgang mit dem Medium Video statt. Gleichzeitig bringen sie anderen Schülern mit ihren Filmen den Schulalltag und die Berufswelt digital näher. Auch denen die auf anderem Wege kaum zu erreichen sind. Die Videos werden auch als Einstieg für den Unterricht genutzt, so gibt es beispielsweise einen Film über die Deklination von Adjektiven. Aber auch Berufsorientierung ist Thema in den Videos. Ziel: ein digitaler Einblick in die Berufswelt. Nach den Aufnahmen beginnt dann das sichten, sortieren, Drehbuch schreiben und schneiden. Viel Arbeit bis ein Video fertig ist. Spätestens dann überwiegt die Freude und es ist Zeit für Lob von den Betreuern, Kolja Brandstedt:
    "Los, los komm, sehr gut..."
    Lehrerin Karoline Kiwitt findet das besonders wichtig:

    "Also ich finde es einfach wichtig, dass man den Kindern zeigt, dass sie was können. Denn viele denken, nur weil sie an einer Hauptschule sind, dass sie nichts können und machen da ganz ganz tolle Erfahrungen."
    Von dem Preisgeld werden neue Tablets angeschafft. Auch im kommenden Schuljahr geht es weiter mit Dahltube. Dann dürfen die 5.- und 6.-Klässler auch in das Projekt. Aber jetzt geht es erstmal los mit den Videos auf Youtube und es kann heißen:
    "Herzlich willkommen bei Dahltube."