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Digitalpakt im Realitätscheck
Umfassende Digitalisierung noch nicht möglich

Obwohl jede Schule im Rahmen des Digitalpakts ungefähr 140.000 Euro erhält, könne das nur als Grundlage verstanden werden, sagte Schulleiterin Saskia van Waveren-Matschke im Dlf. "Der Digitalpakt ist für finanzschwache Kommunen kein Allheilmittel." Schulträger und Länder seien in der Verantwortung.

Saskia van Waveren-Matschke im Gespräch mit Lena Sterz |
Schüler einer 7. Klasse sitzen auf dem Boden und lernen mit iPads im Matheunterricht an der Oberschule Gehrden in der Region Hannover.
Stabiles WLAN-Netz aufbauen, Jahrgänge mit Activeboards oder Displays ausstatten, Wartung und technischer Support - da reicht das Geld vom Staat für die Schulen nicht lang (picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte)
Lena Sterz: Fünf Milliarden Euro will der Bund für den Digitalpakt und für die digitale Ausstattung der Schulen ausgeben – das klingt nach unglaublich viel Geld, aber ist es das auch, wenn man es auf die einzelne Schule runterrechnet? Schon in diesem Jahr könnte das erste Geld an die Schulen gehen, hat Bundesbildungsministerin Anja Karliczek gerade gesagt und eine, die sich darüber gefreut hat, ist Saskia van Waveren-Matschke, Schulleiterin an der Integrierten Gesamtschule Burgdorf in Niedersachsen. Ihre Schule hat den Schwerpunkt neue Medien, dazu ist die Schule auch unter anderem mit 50 Tablets ausgestattet, die können aber nicht gleichzeitig ins WLAN der Schule. Ich habe sie gefragt, ob ihr der Digitalpakt bei diesem Problem konkret weiterhilft.
Saskia van Waveren-Matschke: Ja, der Digitalpakt hilft natürlich insofern, als dass er dazu genutzt werden kann, ein leistungsfähiges WLAN-Netz aufzubauen. Insofern hilft er schon. Das kann aber nur als erster Schritt verstanden werden. Zum Beispiel der Anschluss von einem Glasfaserkabel erfolgt ja über ein anderes Förderprogramm vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, und da muss sich das auf jeden Fall ergänzen.
Fortlaufend Investitionen nötig
Sterz: Was wären die weiteren Schritte? Sie sagten gerade, das sei nur ein erster Schritt, der Digitalpakt.
van Waveren-Matschke: Also interaktive Tafeln und ein gutes WLAN-Netz sind ein wunderbarer erster Schritt, aber zum Beispiel ist die Finanzierung von iPads nur in Ausnahmefällen erlaubt. Ich gehe auch davon aus, dass Lernsoftware und Lizenzen davon nicht finanziert werden sollen. Das heißt, es wird also ein Schritt auf der Leiter nach oben ermöglicht, aber eine umfassende Digitalisierung und Schaffung von digitalen Kompetenzen in allen Sektoren wird damit noch nicht möglich gemacht. Das heißt, ich würde mir wünschen, dass je nach Konzept und jetziger Ausstattung der Schule eine individuelle Umsetzung möglich gemacht wird, also zum Beispiel auch der Erwerb von Software oder Lizenzen.
Sterz: Sie haben im Moment in jedem Klassenzimmer Ihrer Gesamtschule schon statt Kreidetafeln sogenannte Activeboards, digitale Tafeln, die mit dem Internet verbunden werden können. Das klingt jetzt erst mal so, als wäre Ihre Schule für die nächsten zehn Jahre gerüstet.
van Waveren-Matschke: Der Schulträger investiert aktuell rund 50.000 Euro pro Jahrgang in unsere Ausstattung mit Displays, und man darf nicht vergessen, dass ja die Digitalisierung sehr schnelllebig ist. Das heißt, es sind fortlaufend Investitionen nötig, und gerade für finanzschwache Kommunen ist der Digitalpakt da kein Allheilmittel.
Sterz: 500 Euro pro Schüler sind so ungefähr, die aus dem Digitalpakt an die Schulen fließen sollen. Es klingt jetzt erst mal gar nicht so wenig, aber wie viel ist das wirklich in der Realität?
van Waveren-Matschke: Die Umrechnung auf einen Wert pro Schüler erscheint mir überhaupt nicht sinnvoll, weil die Maßnahmen gar nicht auf die einzelnen Schüler ausgerichtet sind. Man geht ja von ungefähr 140.000 Euro pro Schule aus. Das ist unfassbar viel Geld, aber ein gutes und stabiles WLAN-Netz auszubauen und auch Jahrgänge mit Activeboards oder Displays auszustatten, da kommen schnell viele zehntausende von Euro zusammen, sodass es tatsächlich nur als Anschub oder als Möglichkeit verstanden werden kann, infrastrukturelle Grundlagen für digitale Bildung zu schaffen.
Sterz: Sie haben den Schwerpunkt neue Medien an Ihrer Gesamtschule. Was müsste noch passieren, damit Sie Ihren Schwerpunkt auch voll ausschöpfen können?
van Waveren-Matschke: Also ein Problem, was wir einfach noch sehen, ist, dass Wartung und Support weiterhin Aufgabe des Schulträgers bleiben. Die sind in dieser Hinsicht aber nur begrenzt belastbar und dürfen nicht gezwungen sein, an anderen Stellen, wie zum Beispiel bei der Sanierung von Gebäuden zu sparen, damit sie sich die Digitalisierung leisten können. In dem Digitalpakt ist es ja auch möglich, dass die Schulträger übergreifende Supportstrukturen entwickeln und dann nur der laufende Betrieb finanziert werden muss. Es wäre also absolut notwendig, dass die Schulträger in eine Lage gebracht werden, in der sich nicht nur die Instandhaltung und Wartung der neuen Medien dauerhaft finanzieren können, sondern auch den schrittweisen Aufbau.
"Digitalisierung muss als Entlastung erlebt werden"
Sterz: Ja, aber in der schnelllebigen Welt, in der wir leben, was die Digitalisierung angeht, da könnten Sie wahrscheinlich am besten alle zwei, drei Jahre neues Equipment gebrauchen. Geht das überhaupt mit dem Digitalpakt, so wie er jetzt angelegt ist?
van Waveren-Matschke: Nein, und so ist er auch, glaube ich, nicht gemeint, sondern es ist tatsächlich nur so gedacht, dass eine Grundlage gelegt wird, und dann sind die Schulträger und die Länder weiterhin in der Verantwortung. Also es gäbe ja die Möglichkeit, dass die Länder da noch aufstocken, und ich denke auch, dass das notwendig sein sollte.
Sterz: Inwieweit, meinen Sie, müssten die Länder, oder in Ihrem Fall das Land Niedersachsen, da noch aufstocken?
van Waveren-Matschke: Es gibt jetzt schon Zuschüsse für die Kommunen, um die Digitalisierung oder den technischen Support zu unterstützen. Das reicht aber nicht aus. Also alleine wenn ein Techniker kommt und unseren PC-Raum wartet, sind das schnell mehrere hundert Euro an Rechnungen zusammen. Wenn es dann darum geht, dass die Boards gewartet werden oder tatsächlich ein Softwareproblem behoben wird, dann kommen wir da ganz schnell an die Grenzen dessen, was wir uns als Schule leisten können.
Sterz: Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hat auch gesagt, dass jede Schule ein individuelles Konzept erarbeiten müsste zur pädagogischen Umsetzung des Digitalpakts und ihre Lehrer fortbilden müssten. Macht das Ihrer Meinung nach Sinn, dass da wirklich jede Schule ihr eigenes Süppchen kocht, sage ich jetzt mal, oder müsste da nicht die Politik sich auch vielleicht mehr einbringen und mehr engagieren?
van Waveren-Matschke: Also erst mal ganz wichtig: Ich denke, die Grenzen der Belastbarkeit von Lehrern sind erreicht. Das heißt, die Digitalisierung muss als Entlastung erlebt werden. Das heißt, Prozesse müssen vereinfacht oder verkürzt werden, indem ich die digitalen Medien nutze, und sie müssen das differenzierte und individuelle Lernen fördern und unterstützen. Das heißt auch, dass sie also intuitiv bedienbar und vielseitig einsetzbar sein müssen und das Ganze dann möglichst noch DSGVO-konform [Anm. d. Red.: Datenschutz-Grundverordnung] und nachweisbar effektiv. Das ist dann tatsächlich so, dass ich denke, Lehrkräfte müssen dafür qualifiziert werden.
Die beste technische Ausstattung, das beste WLAN verbessern die Unterrichtsqualität nur dann, wenn die Lehrkräfte auch die Möglichkeit haben, das sinnvoll zu nutzen. Keiner muss gleich alles können, das ist klar, trotzdem kann es nicht sein, dass die ganzen Investitionen einfach verpuffen. Wir haben ein sehr junges Kollegium, und bei uns sind schon gute Kenntnisse schon vorhanden, auch in Einstellungsverfahren merken wir immer wieder, dass die Lehrkräfte aus Studium und Referendariat schon über gute Kenntnisse im Umgang mit interaktiven Tafeln und Tablets verfügen.
Wie man die dann aber sinnvoll in den Unterricht einbindet und wie man sie gezielt zur Förderung oder Differenzierung nutzt oder auch Apps und Lernprogramme gezielt einsetzt, dafür braucht man auf jeden Fall Fortbildung und Multiplikatoren. Ich glaube, da haben Sie recht, man kann da sicherlich Netzwerke sinnvoll für nutzen.
Lehrkräfte müssen geschult werden können
Sterz: Das klingt trotzdem so ein bisschen so, als wenn jede Schule da ihren eigenen Kampf führen müsste, sage ich mal, und das für sich selbst ausbaldowern müsste. Könnte da die Politik nicht vielleicht noch ein bisschen mehr an die Hand nehmen und ein bisschen mehr Grundlagen zur Verfügung stellen, was pädagogische Konzepte und so weiter angeht?
van Waveren-Matschke: Na ja, das wäre schön, trotzdem glaube ich, dass einfach die Voraussetzungen in den Schulen sehr individuell sind, die Kollegien sehr individuell zusammengesetzt sind und auch die Voraussetzungen in der Schülerschaft zum Teil sehr unterschiedlich sind, sodass es wahrscheinlich schon Sinn macht, da zumindest in den Bereichen der einzelnen Schulträger sehr genau zu gucken. Wenn es da aber Grundkonzepte gibt, die zur Verfügung gestellt werden, oder auch … Es gibt schon viele Fortbildungen in dem Bereich. Es ist aber natürlich so, dass bei den derzeitigem Lehrermangel und der aktuellen Unterrichtsversorgung nicht innerhalb kürzester Zeit alle Lehrkräfte an den Fortbildungen teilnehmen können.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.