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Archiv


Dinos in Reih und Glied

Paläontologie. - In unserer Reihe "Schatzkammern der Wissenschaft" möchten wir Ihnen besondere Sammlungen an Exponaten vorstellen, die im alltäglichen Museumsbetrieb oft eher wenig beachtet werden, die aber bei näherer Betrachtung besonders spannend sind.

Von Michael Stang | 13.11.2008
    "Also, wir sind hier in einem von drei großen Räumen, richtig große Kellerräume und wir haben hier die Sammlung an großen Saurierfunden, das heißt die sind meistens so groß, dass sie nicht mehr in eine Schublade passen, ein bis fünf Meter Länge."

    Rainer Schoch führt durch schier endlose Kellerräume des Stuttgarter Naturkundemuseums. Obschon das Mobiliar zusammengewürfelt wirkt und einen ähnlich fossilen Eindruck wie die Sammlung hinterlässt, sind die langen Reihen mit Archivschränken allesamt neu. Der Paläontologe ist hier für rund 100.000 versteinerte Reptilien- und Dinosaurierfunde zuständig.

    "Was die fossilen Reptilien betrifft, ist es bei weitem die größte Sammlung in Mitteleuropa und das ist ungefähr vergleichbar mit der Sammlung in London und etwas größer als die Moskauer Sammlung, die eigentlich so als die größten gelten."

    Dabei stammen 90 Prozent der Stuttgarter Sammlung allein aus Baden-Württemberg. Die Londoner Sammlung weist zwar eine ähnliche Stückzahl an Funden auf, jedoch stammen diese aus dem ganzen Commonwealth, also aus einem Viertel der Welt.

    "Auf der rechten Seite sehen wir eine Reihe von vielleicht 50 mannsgroßen Kisten, in denen wir Dinosaurierknochen drin haben, vor allem aus der Fundstelle Trossingen, wo man einige der ältesten Dinosaurier Europas gefunden hat, Tiere die bis zehn Meter lang wurden."

    Daneben stehen und liegen riesige Knochen, die ein Mensch allein kaum bewegen, geschweige denn heben könnte. Überall in den großen Regalen kommen einzigartige Stücke zum Vorschein.

    "Ja, da oben liegen zum Beispiel Dinosauriereier, also ein ganzes Nest."

    Im Raum nebenan warten kleinere, wenn auch nicht weniger wichtige Stücke der Fossiliensammlung.

    "Also, wir sind jetzt hier im Schrankmagazin in einem Kellerraum, in dem wir einige hundert große Schränke haben, Metallschränke mit zahlreichen Schubladen, in denen dann zum Beispiel Fischsaurier aus Holzmaden untergebracht sind."

    Diese Fischsaurier sind in der ganzen Welt berühmt und nicht nur, weil manche außergewöhnlich gut erhalten sind, sondern weil bei einigen Fossilien besondere Szenen für immer im Stein festgehalten wurden, sagt Rainer Schoch.

    "Das ist ein besonders schönes und wissenschaftlich wichtiges Stück, weil das ein Ichthyosaurier-Muttertier ist, das offensichtlich trächtig war und wo ein Fötus in viel zu frühem Zustand geboren wurde, also wahrscheinlich nach dem Tod der Mutter aus dem Bauch ausgequetscht wurde und das ist eigentlich eine ziemlich einmalige Situation. "

    Der Paläontologe zeigt einen herausragenden Fund nach dem anderen. In der Stuttgarter Sammlung kann man praktisch die gesamte Wirbeltierevolution an einem Nachmittag nachvollziehen. Jedes dieser besonderen Einzelstücke kennt Rainer Schoch aus dem Effeff, auch wenn die Masse der Fossilien kaum zu überblicken ist.

    "Dann haben wir noch andere Sachen, das ist zum Beispiel kein besonders spektakulärer Fischsaurier da fehlt die Schnauze, es fehlt der Schwanz hinten, aber es ist ein Skelett von einem jungen Tier, das offensichtlich einen Hai gefressen hatte vor seinem Tod und der Hai ist schwarz erhalten im Magenbereich, eines der wertvollsten Fossilien, die wir haben."

    Die älteste Schildkröte der Welt liegt jedoch im Tresor. Das Prunkstück der Sammlung sei zu wertvoll, als dass man sie zwischen den Dinosauriern liegen lassen könne. Dennoch holt sie Rainer Schoch oft heraus, da jedes Jahr viele Forscher aus China, Argentinien oder USA extra nach Stuttgart kommen, um die einzigartige Schildkröte zu studieren. Einen Gang weiter ragen aus Schubladen und Regalen große Knochen hervor.

    "Ja, das sind Schienbein, Wadenbein und ein Becken auch wieder von dem Dinosaurier Plateosaurizus. Die Knochen sind unglaublich schwer."

    Selbst ein relativ kleiner Knochen vor 40 Zentimetern Länge liegt mit seinen zehn Kilogramm schwer in der Hand. Vorsicht sei beim Hochheben geboten, betont Rainer Schoch, da die Knochen überall Klebestellen haben, an denen langsam aber sicher der Zahn der Zeit nagt.

    "Die Substanzen altern natürlich auch, das heißt Knochen, die vor 30 Jahren, 50 Jahren geklebt wurden, die lösen sich oft auf und müssen dann mit ganz neuen, besseren Methoden neu geklebt werden."

    Daher wird die Arbeit für die Konservatoren jedes Jahr mehr, da nicht nur neue Stücke bearbeitet werden müssen, sondern vor Jahrzehnten behandelte Fossilien mit modernsten Methoden restauriert werden müssen, um sie auch noch für zukünftige Paläontologengenerationen zu konservieren. Der Aufbau des Archivs sei längst nicht abgeschlossen, sagt Rainer Schoch zum Schluss. Die Wirbeltiersammlung wachse stetig weiter.

    "Also, wir haben im Moment wieder einen enormen Zuwachs, zum Beispiel in einem Steinbruch, wo fortwährend abgebaut wird und da ist es so, dass aus der Hangkante wirklich Dinosaurierknochen herausfallen, heraus wittern und wir natürlich bergen wollen, bergen müssen."
    Die Ichthyosaurier-Fossilien sind der ganze Stolz des Stuttgarter Naturkundemuseums.
    Die Ichthyosaurier-Fossilien sind der ganze Stolz des Stuttgarter Naturkundemuseums. (Michael Stang)
    Unter den Schätzen des Stuttgarter Museums befinden sich auch Fälschungen, wie dieses Meeressaurierfossil.
    Fälschungen sind in Stuttgart auch zu finden. (Michael Stang)