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Dinosaurier
Weder warmblütig noch wechselwarm

Paläontologie. - Waren die Dinosaurier wechselwarm wie die anderen Reptilien, oder konnten sie ihre Körpertemperatur selbständig halten wie Säugetiere und Vögel? Diese Frage entzweit seit Jahrzehnten die Paläontologie. Nun präsentiert ein US-Forscherteam im Fachmagazin "Science" eine neue Methode, die eine ganze andere Antwort liefert.

Von Michael Stang | 13.06.2014
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    Waren Dinosaurier, wie der versteinerte Plateosaurus wechselwarm wie die Bartagame oder warmblütig wie der sie haltende Mensch? (dpa/picture alliance)
    Die Debatte sei exemplarisch für Diskussionen in der Wissenschaft, so John Grady. Ein Widerspruch ohne Ausblick auf eine Lösung. Bei der Frage, wie der Stoffwechsel von Dinosauriern ausgesehen hat, gab es nur zwei Antworten: entweder waren die Urzeitechsen wechselwarm und abhängig von der Umgebungstemperatur oder gleichwarm wie Säugetiere und Vögel, so der Biologe von der University of New Mexico im US-amerikanischen Albuquerque.
    "Bislang gab es keine Methode, mit der man den Grad der Warmblütigkeit bei einer Tierart festmachen konnte. Forscher haben meist nur Knochenstrukturen verglichen und geschaut, ob ein Tier mehr wie ein wechselwarmes Reptil aussieht oder eher wie ein Säugetier. Das funktioniert manchmal, aber manchmal ist das ergebnislos, so wie die ganze Debatte."
    Die Frage war: gibt es eine Möglichkeit, mit der man sicher auf den Stoffwechsel von Tieren schließen kann, wenn man nur Knochen vorliegen hat?
    "Ich habe entschieden, einen anderen Weg einzuschlagen. Es gab in jüngster Vergangenheit zahlreiche Studien über die Geschwindigkeit des Wachstums von Dinosauriern. Und diese Daten wollte ich mit dem Energieverbrauch kombinieren, also fragen: wie viel Energie verbrauchten Dinosaurier? Damit könnte ich ermitteln, wie viel Wärme sie produzierten."
    Die Rechnung war einfach. Hat man von einem Tier ein Skelett, kann man schauen, wie schnell es gewachsen ist. Das Alter kann man bei Dinosauriern einfach bestimmen. Sägt man einen Knochen mittig durch, kann man anhand der Jahresringe das Alter abzählen, ähnlich wie bei einem Baum. Mitthilfe von Knochengröße, Form und Beschaffenheit kann man auf das Maximalgewicht und die maximale Wachstumsrate schließen. Anhand dieser Wachstumsrate lässt sich der Energieverbrauch ableiten und der Stoffwechsel bestimmen. Für knapp 400 Tiere – darunter Vögel, Reptilien, Säugetiere und Dinosaurier – erhob der US-Forscher diese Daten.
    "Dabei zeigte sich, dass die Wachstumsrate tatsächlich ein guter Indikator dafür ist, um den Stoffwechsel zu bestimmen. Als ich diese Methode bei Dinosauriern anwendete, zeigte sich, dass ihr Energieverbrauch genau in der Mitte lag."
    Die Dinosaurier lagen exakt zwischen gleichwarmen Säugetieren auf der einen Seite und wechselwarmen Reptilien auf der anderen. Diese Methode führte bei allen 21 untersuchten Dinosaurierarten zum selben Ergebnis. Ganz unbekannt ist diese Form des Stoffwechsels nicht; einige Thunfische können Wärme speichern und sie wieder abgeben. Dadurch ist ihre Körpertemperatur mitunter höher als die des Wassers. Diese Temperaturregelung funktioniert aber nicht dauerhaft wie bei Säugetieren oder Vögeln, die sich bei Kälte durch Muskelzittern wieder aufwärmen können. Auch einige Schildkröten, Haie und Ameisenigel zeigen diese Zwischenform, für die John Grady einen neuen Begriff gefunden hat.
    "Wir haben ein Wort kreiert und diese Art des Stoffwechsels Mesothermie genannt, also zwischen- oder mittelwarm, weil es genau zwischen wechselwarm und gleichwarm ist. Und bedenkt man, wann diese Tiere gelebt haben, so ist diese Form des Stoffwechsels nichts Ungewöhnliches für das Leben im Mesozoikum."
    Denn im Erdmittelalter lag die globale Durchschnittstemperatur deutlich über der heutigen. Einem gleichwarmen Tyrannosaurus rex wäre es damals schnell viel zu heiß geworden und auch als wechselwarmer Räuber wäre er vermutlich nicht derart erfolgreich gewesen, vermutet John Grady.