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Dioxin ist überall

Eigentlich haben Dioxine in unseren Nahrungsmitteln überhaupt nichts zu suchen. Aber mittlerweile sind diese Gifte - wenn auch nur in Spuren - in unserer Umwelt allgegenwärtig und damit auch in Obst, Gemüse und Getreide zu finden. Und so feiert es so mancher Agrarpolitiker inzwischen bereits als Erfolg, wenn bei Untersuchungen nur geringe Belastungen festgestellt werden.

Von Michael Engel |
    Ägyptische Mumien hatten kein einziges Molekül davon im Körper. Auch beim legendären Ötzi schlugen die empfindlichen Messgeräte nicht an. Dioxin ist vielmehr ein Problem des industrialisierten Menschen - schon in geringsten Mengen Krebs erzeugend und genotoxisch. Die gute Nachricht: Der Dioxinausstoß in Deutschland ging dramatisch zurück: von 1,2 Kilogramm im Jahre 1990 auf nur 70 Gramm zehn Jahre später, was insbesondere durch den massiven Einbau von Industrie-Filteranlagen erreicht werden konnte.

    "Insofern bin ich für die weitere Entwicklung durchaus optimistisch, dass wir die Grenzwerte, zumindest was den deutschen Verbraucher angeht und was Deutschland betrifft, weiter senken können werden."

    Das hofft Professor Jörg Hartung von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Den Dioxinausstoß weiter zu senken, gegen null sogar, scheint allerdings schwierig. Da ist zum Beispiel die Heizung: Mehr und mehr Menschen setzten heute auf Holzfeuerung, weil Öl und Gas teuer werden. Doch wenn das Brennholz zu feucht in den Kamin kommt, entsteht Dioxin. Doktor Götz Anhalt vom niedersächsischen Landwirtschaftsministerium erzählt von einem Fall aus Portugal:

    "Da geht es im Grunde darum, dass man auch nicht fahrlässig handeln darf. Da geht es darum, dass Holz aus einem Waldbrandgebiet verwendet worden ist als Späne für die Einstreu von Geflügel. Und das führt dann auch zur Dioxinbelastung. Bei den Waldbränden entstehen Dioxine, die dann auf ein solche Art und Weise auch in Lebensmittel gelangen können."

    90 Prozent der Dioxine gelangen über die Nahrungsmittel zum Menschen. Heute nehmen wir am Tag zwei bis vier Pikogramm Dioxin pro Kilogramm Körpergewicht auf – das sind zwei bis vier Billionstel Gramm. Die Weltgesundheitsorganisation WHO plant, den Grenzwert nun auf unter ein Pikogramm zu drücken. Ein ehrgeiziges Ziel. Denn Dioxine sind – einmal in der Umwelt – extrem schwer abbaubar. Viele Industriestandorte bergen immer noch Altlasten, die - wie zum Beispiel beim Hochwasser 2002 in Bitterfeld - freigeschwemmt werden können und dann Wiesen und Weiden kontaminieren. Professor Josef Kamphues vom Institut für Tierernährung der Tierärztlichen Hochschule Hannover plädiert für diesen Fall auf selektive Nahrungsmittel:

    "Wenn wir Regionen in der Welt, wo wir au Grund der industriellen Entwicklung vor Jahrzehnten bestimmte Expositionen haben, könnte man sich durchaus vorstellen, dass man zum Beispiel eben auf bestimmte Organe in der Nutzung verzichtet – zum Beispiel die Leber - unter dem Aspekt des Verbraucherschutzes."

    Mittlerweile sind viele Lebensmittellaboratorien – wie zum Beispiel im niedersächsischen Oldenburg – auf Dioxinanalysen spezialisiert. Die Untersuchungsämter erkennen nach Ansicht der Experten schnell, wo sich Dioxinbrennpunkte entwickeln. Aber auch die Verbraucher können viel in eigener Verantwortung unternehmen, um die persönliche Dioxinbelastung zu senken: weniger tierische Nahrung, insbesondere Fett, dafür umso mehr Obst und Gemüse essen, so die Empfehlung von Professor Andreas Hensel vom Institut für Risikobewertung Berlin:

    "Wir wissen heute, dass die Dioxine aus Lebensmitteln tierischer Herkunft kommen, aber ich denke, dass man das auch in ein vernünftiges Ernährungskonzept einbauen kann. Ich glaube nicht, dass es Möglichkeiten gibt, durch eine gezielte Ernährung Dioxine tatsächlich vermeiden zu können. Weil wir können die einzelnen Lebensmittel nicht auf ihren unmittelbaren Gehalt messen, sondern wir können nur grundsätzlich sagen, bestimmte Lebensmittel sind höher oder niedriger belastet."

    Oft steckt der Teufel im Detail: So sind die Eier von frei laufenden Hühnern durchweg stärker mit Dioxin belastet als Eier aus der ungeliebten Käfighaltung. Hühner, die auf dem Boden picken, haben nämlich mehr Kontakt mit Dioxin.