Montag, 29. April 2024

Archiv


Diplomkauf in Osteuropa am Beispiel Rumänien

Vereinzelte Fälle vin Abschlussnotenkauf oder Diplombegünstigung soll es ja überall geben, gar Verteidigungsminister, die plagiiert haben sollen. Doch in Rumänien floriert offenbar das akademische Tauschgeschäft - allein, die Beweisführung ist schwierig.

Von Thomas Wagner | 29.04.2011
    "Also mir scheint es so, als ob sich hier viele in Rumänien geradezu eine Art Sport aus dem Handel mit Diplomen zu machen. Hier in Rumänien ist das nicht allzu schwer, irgendwelche Abschlüsse zu kaufen. Natürlich hängt es von der Uni ab - und wie angesehen sie ist. Ich finde das absolut inkorrekt!"

    "Das ist ein großes Problem! Ich habe von vielen Fällen gehört, wo Studierende ihre Abschlüsse gekauft haben. Und das ist ein Riesen-Problem. Weil es ungerecht ist gegenüber denjenigen, die ganz normal ihre Abschlüsse machen!"

    Adriana studiert an der "Universitate de West Timisoara" Wirtschaftswissenschaften, Ilie Produktsesign. Und beide sind erbost darüber, dass es in manchen Seminaren mit der Chancengleichheit nicht weit her ist. Die Regel ist ganz einfach: Wer Geld hat, bekommt gute Noten: Da werden an schwarzen Brettern und Laternenmasten für jedermann sichtbar Abschlussarbeiten für bestimmte Fächer angeboten. Und da halten häufig Professoren und Dozenten für gute Noten die Hand auf. Cristian Andrei Pantier ist Präsident der "Organisatie studentilor din Universitatea Timisoara", kurz "Osun". Dahinter verbirgt sich der Verband der Studierenden im westrumänischen Temeswar.

    "Das kommt sehr auf den Fall an. Beispielsweise für eine gute Note in einer Abschlussarbeit bezahlt man schon so um die 200 Euro. Ansonsten hängt der Preis davon ab, wie schwer die Prüfung ist, wie kompliziert der Stoff - da tue ich mir schwer mit genauen Angaben."

    Kein Wunder: Dass häufig Geld für gute Noten bezahlt wird, ist unter Rumäniens Studierenden ein offenes Geheimnis. Aber: Dass Einzelfälle bekannt, ja möglicherweise sogar bestraft werden, ist eher die seltene Ausnahme.

    "Ich kenne konkret Fälle, wo Studierende Geld für gute Abschlussnoten bezahlt haben, auch an Professoren. Aber: Das ist sehr schwer zu beweisen."

    "Nach den rumänischen Gesetzen muss man einen Professor dabei sozusagen 'in flagranti' erwischen, auf frischer Tat. Aber die Regeln dafür sind sehr streng: Man muss das irgendwie belegen können, beispielsweise durch Film- oder Tonaufnahmen oder durch mindestens zwei Zeugen. Deshalb fällt der Beweis für derlei Handeln sehr, sehr schwer."

    Geld für gute Noten und für Abschlusszeugnisse - das Problem tritt in Rumänien nicht an allen Hochschulen gleichermaßen auf. Von den über 900.000 Studierenden sind ungefähr die Hälfte an den privaten Universitäten eingeschrieben. Die gelten aber nicht, wie in Deutschland, als 'Elite-Universitäten', sondern eher als eine Art 'Diplom-Fabriken', was sich auch an den Zahlen belegen lässt: An den staatlichen Unis liegt das Betreuungsverhältnis Studierender - Professor bei etwa eins zu 26. An den privaten Hochschulen dagegen kommen auf einen Professor über 80 Studierende. Wundersamerweise fällt an diesen privaten Hochschulen trotz des deutlich schlechteren Betreuungsverhältnisses kaum jemand durchs Examen, so Nicolae Taran, Wirtschaftswissenschaftler und Hochschulexperte an der Universitatae de West Timisoara:

    "Da machen alle ihren Abschluss. Alle, die sich mal immatrikuliert haben, bekommen ihr Examen."

    … was den Hochschulexperten zur nicht eben ermutigenden Feststellung veranlasst.

    ""Die Situation ist leider außer Kontrolle geraten. Wir haben ein absolutes Massenhochschulsystem. Und da sind viele einfach nicht willens oder dazu in der Lage, ihre eigene Arbeit zu schreiben."

    900 000 Studierende - das bedeutet: Selbst bei gutem Willen fällt es schwer, jede einzelne Arbeit darauf hin zu kontrollieren, ob sie abgeschrieben wurde oder nicht. Dem Missbrauch sind Tor und Tür geöffnet. Hinzu kommt, dass viele Professoren ihr Zusatzengelt auf scheinbar legalem Weg von den Studierenden einfordern, so Christian Andrei Pantier vom Studentenverband "Osun".

    "Viele Dozenten versprechen Dir eine bessere Note, wenn Du ihre Bücher bei ihnen selbst gekauft hast - oder wenn Du bei Ihnen in der konstenpflichtigen Privatunterricht nimmst - und jeweils 50 Euro für eine Stunde bezahlt hast."

    Wie den Sumpf trocken legen? Der Sprecher der Studentenorganisation "Osun" gesteht zwar ein, dass nicht alle Professoren und Dozenten die Hand aufhalten. Für Nicolae Taran von der Universitatea de West Timisoara geht das aber nicht weit genug:

    ""Die Europäische Union müsste da Druck machen und damit drohen, nicht mehr alle rumänischen Abschlüsse anzuerkennen. Man müsste einen neuen Evaluierungsprozess für die rumänischen Hochschulen starten."