Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Discodermolid: erfolgreich nachgebaute Biowaffe

Discodermolid kommt von dem marinen Schwamm Discodermia dissoluta. Die Substanz wurde 1990 entdeckt und zeigte schnell Potenzial zum Krebsmedikament. Derzeit sucht man nach Wegen, die Waffe etwas zu entschärfen, denn die Nebenwirkungen des Stoffs waren zu stark.

Von Volker Mrasek | 04.05.2011
    Das Molekül dieser Woche heißt Discodermolid. Ein Stoff vielleicht, den man beim Tanzen ausschüttet? Oder fluoresziert er wie eine Discokugel? Nein, nichts dergleichen!

    "Die Substanz kommt aus einem marinen Schwamm, der als Discodermia dissoluta bezeichnet wird. "

    Und das sicher nicht, weil er sich in Diskotheken rumtreibt.

    "Der Schwamm wurde in circa 30 Meter Tiefe durch Scubatauchen auf den Bahamas gesammelt, innerhalb einer Reihe von Expeditionen."

    Ein Naturstoff aus dem Meer also, dieses Discodermolid.

    Mit solchen Substanzen kennt sich Gabriele König aus. Sie ist Professorin für Pharmazeutische Biologie an der Universität Bonn. Ihrer Arbeitsgruppe forscht über vielversprechende Naturstoffe.

    "Ich hab' hier meinen Pilzextrakt, den ich auftrenne. Ich hoffe, dass in einem von diesen Kolben das Antibiotikum drin ist, das ich suche."

    Pilze, die Antibiotika produzieren. Nicht übel! Auch an Discodermolid ist so spannend, dass es eventuell als Arznei-Wirkstoff taugt.

    "Discodermolid wurde 1990 entdeckt."

    Und schnell zeigte sich, dass die Biowaffe der Schwämme ganz ähnlich wirkt wie Taxol, ein bewährter Wirkstoff von Krebsmedikamenten. Allerdings:

    "Discodermolid kommt in extrem geringen Konzentrationen in dem Schwamm vor. Es wird gemutmaßt, dass es gar nicht so viel Biomasse von diesem Schwamm gibt, um diese Verbindung therapeutisch zu nutzen."

    Doch man ließ sich etwas einfallen.

    "Discodermolid wird aufgebaut aus kleinen Essigsäure-Bausteinen zu einer sehr komplexen Struktur. Es hat verschiedene Ansätze gegeben, die Substanz zu synthetisieren. Und zuletzt hat die Firma Novartis in einem, wie es heißt, heroischen Ansatz 60 Gramm der Substanz generieren können."

    Das Kunststück gelang durch sogenannte Kreuzkupplungsreaktionen mit Palladium als Katalysator. Für die Entdeckung und Weiterentwicklung dieses Synthese-Weges erhielten drei Chemiker erst im vergangenen Jahr den Nobelpreis. Ohne dieses Verfahren hätte man Discodermolid nicht nachbauen können.

    Zurück im Naturstoff-Labor.

    "Das sind die Glaskolben von vorhin. Ich hab' ja jetzt hier nicht nur die Substanzen, die ich in meinem Pilz drin hatte. Sondern da ist noch immer das Lösungsmittel."

    Und das stört bei den nächsten Schritten zur Identifizierung der Pilz-Inhaltsstoffe. Da hilft nur der Rotationsverdampfer:

    "So, jetzt leg' ich wieder Druck an, damit das Lösungsmittel schneller verdampfen kann."

    Pharmazeuten suchen weiter nach interessanten Wirkstoffen aus der Naturapotheke. Discodermolid allerdings liegt erst einmal auf Eis. Das Toxin aus dem Meeresschwamm hat zu starke Nebenwirkungen. Klinische Studien mit Krebspatienten mussten gestoppt werden, wie Gabriele König sagt:

    "Es ist sicherlich ein Ansatz, dass man die Struktur des Discodermolids verändert, um die Toxizität zu verringern. Im Moment ist allerdings kein Durchbruch in der Hinsicht erkennbar."

    So kann man weiterhin nur eines mit Sicherheit sagen: Discodermolid hat definitiv nichts mit Diskotheken zu tun.

    Links zum Thema

    Weitere Beiträge der Reihe: Molekül der Woche
    Deutschlandfunk-Reihe zum UN-Jahr der Chemie 2011