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Diskriminierende Einlasskontrollen

Ausländische Studenten fühlen sich von Diskotheken in Leipzig diskriminiert. Denn für viele endet der geplante Partyabend bereits an der Tür. Eine Arbeitsgruppe des Studentenrats hat verschiedene Klubs getestet - und kommt zu einem alarmierenden Ergebnis.

Von Ronny Arnold |
    "Also man fühlt sich abgelehnt. Es gibt viele, die sagen, dann kannst du ja woanders feiern gehen. Es geht nicht darum, woanders feiern zu gehen. Es geht darum, dass du in einer Gesellschaft abgelehnt wirst – und das geht nicht."

    Abdulaziz Bachouri kommt aus Syrien, seit drei Jahren studiert er Arabistik an der Uni Leipzig. Der 26-Jährige geht gern feiern, mit syrischen Freunden – und mit deutschen. Seinen Studentenausweis hat er abends immer dabei, auch seinen Pass, denn den will jeder Türsteher von ihm sehen. Rein in den Klub darf er trotzdem nicht überall – und vielen seiner ausländischen Kommilitonen geht es ähnlich. Abdulaziz Bachouri weiß das so genau, weil er beim Stura, dem Leipziger StudentInnenrat, zwei Jahre lang als Referent für Studierende aus dem Ausland zuständig war.

    "Wir haben über 3000 ausländische Studierende an der Uni Leipzig und dann habe ich häufig Beschwerden bekommen. Zu unserer Sprechstunde kamen Studierende, die gemeint haben, dass die Leipziger Diskotheken sie diskriminieren und dass das nicht schön ist, weil sie wollen sich integrieren und auch mit ihren deutschen Kommilitonen in aller Ruhe feiern gehen."

    Abdulaziz Bachouri wollte es genau wissen und nahm Kontakt zum sächsischen Antidiskriminierungsbüro auf, dem ADB. Gemeinsam testeten sie insgesamt elf Leipziger Klubs. An einem Abend im Oktober 2011 besuchten jeweils zwei Testgruppen kurz nacheinander verschiedene Diskotheken. Drei junge Männer gehörten zu jeder Gruppe. Um nicht aufzufallen, traten beide ruhig und freundlich auf.

    "Gleichzeitig hatten wir dieselben Klamotten – Jeans, Turnschuhe, Jacke – und das einzige unterschiedliche Merkmal, dass wir eine andere Herkunft hatten. Ergebnis war, dass sechs von elf Klubs uns den Eintritt verweigert haben mit verschiedenen Gründen. Viele haben gemeint: Das ist heute eine Privatveranstaltung, was gar nicht stimmt. Und die deutsche Vergleichsgruppe ist in alle elf Diskotheken problemlos reingekommen."

    Zur deutschen Gruppe gehörte auch Daniel Bartel vom Antidiskriminierungsbüro. Er stand mit seinen beiden Begleitern nur ein paar Meter hinter Abdulaziz Bachouri.

    "Der erste Unterschied war: Die Security hat die drei Tester sich von oben bis unten sehr, sehr genau angeschaut. Ich bin erst wahrgenommen worden, als ich stehen geblieben bin und gesagt habe, oh, ich komme ja auch nicht rein, ich hab auch Jeans und Turnschuhe an. Und dann kam so ein Blick, so ein, sag mal, verstehst du was grundsätzlich nicht!? Und als Nächstes kam nur noch eine Handbewegung, hier komm, lauf durch, was willst du denn."

    Wenig später erhielten die Klubs, die den ausländischen Studierenden den Eintritt verweigert hatten, Post – mit der Bitte um Stellungnahme. Kaum ein Veranstalter antwortete.

    "In einigen wenigen Fällen gab es eine allgemeine Antwort. Ja, können wir jetzt nichts dazu sagen, wir waren ja an der Tür nicht dabei. Wir haben nichts gegen Ausländer, wir sind ein offener Klub. Eine Auseinandersetzung im konkreten Fall hat nicht stattgefunden."

    Parallel zu den Schreiben gab es Kontakt ins Leipziger Rathaus, wenig später ein Treffen mit Klubbetreibern und Vertretern der Stadt. Zusammen sollten konkrete Schritte besprochen werden, wie Einlasskontrollen in Zukunft diskriminierungsfrei ablaufen könnten. Stura und ADB erarbeiteten daraufhin einen Fünfpunkteplan. Gäste sollten mittels Plakat informiert werden, wie der Einlass funktioniert, wann und warum der Zugang verwehrt wird und an wenn man sich wenden kann, falls man sich ungerecht behandelt fühlt. Zwar kam es zu einer Selbstverpflichtung vonseiten der Leipziger Klubs, sich für die Gleichbehandlung ihrer Gäste einzusetzen – mehr passierte allerdings nicht. Parallel wurden Klagen gegen einzelne Veranstalter eingereicht, zweimal mussten 500 Euro Strafe gezahlt werden, einmal 300 Euro. Seitdem ist die Stimmung vergiftet. Anfragen des Deutschlandfunks bei diversen Klubs verlaufen im Sande – Zusagen werden später wieder zurückgezogen. Wenn, dann sei sowieso die Security für die Türpolitik verantwortlich, heißt es. Falsch, so Daniel Bartel.

    "Tatsächlich ist es so, dass in vielen Klubs die Security von externen Firmen eingekauft wird. Aber genau das ist es, es ist ein Dienstleistungsverhältnis. Die Ansage darüber, was an der Tür passiert, liegt bei den Klubs."

    Der Stura hat nun reagiert und arbeitet seit Anfang des Jahres nur noch mit Klubs zusammen, die den Fünfpunkteplan umsetzen. Mehrere kleine Studentenklubs haben bereits zugestimmt, die meisten kommerziell betriebenen Diskotheken nicht. Doch es gibt positive Zeichen: Als erster großer Klub ist nun die Moritzbastei dabei – Geschäftsführer Mario Wolf findet die Agenda von Stura und ADB gut:

    "Vor dieser Regelung war es doch so, dass wenn ein Problem an der Tür entstanden ist, der Gast und wir irgendwo alleine gestanden haben. Es wurde nicht ausdiskutiert. Was sich jetzt in der neuen Situation ändert, dass eben dieser zweite Schritt gegangen wird, dass wir dazu verpflichtet werden ihn zu gehen – und diese Verpflichtung nehmen wir gerne an. Grundsätzlich ist jeder willkommen und deswegen ist es für uns selbstverständlich, dass wir Diskriminierung nicht akzeptieren."