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Diskussion um das Kosovo in Griechenland

Nach dem Scheitern der Gespräche um des Status der Provinz Kosovo deutet alles darauf hin, dass sich die Kosovo-Albaner Anfang kommenden Jahres einseitig für unabhängig erklären werden. Klar ist schon heute, dass Russland einer Anerkennung des Kosovo nicht zustimmen wird. Auch in Griechenland gibt es starke Bedenken, denn die einseitige Unabhängigkeitserklärung könnte ein Präzedenzfall für Zypern werden. Jerry Sommer hat sich in Athen umgehört.

10.12.2007
    Die Plateia Kaningos ist ein belebter Platz im Zentrum von Athen. Vor einem Kiosk hängen Zeitungen aus. Innenpolitische Themen bestimmen die Schlagzeilen.

    Am Rande des Platzes, in einem kleinen Souvlaki-Imbiss machen sich zwei Rentner Gedanken über ein außenpolitisches Thema - den Kosovo. Die griechischen Medien handeln das nur unter "ferner liefen" ab. Aber Panajotis Skoulidas, ein ehemaliger Offizier der griechischen Armee, hat dazu eine klare Meinung, obwohl er gesteht, dass die Situation kompliziert ist.
    "Ich bin nicht dafür. Eine Autonomie des Kosovo wäre die beste Lösung - eine Autonomie im Rahmen Serbiens, nicht eine völlige Unabhängigkeit."

    Sein Freund Alexandros Zambakos stimmt ihm zu. Besonders misstrauisch macht ihn, dass sich die US-Regierung so vehement für die Unabhängigkeit des Kosovos einsetzt:

    "Die Amerikaner wollen nicht ein Gleichgewicht in der Region. Sie wollen allein bestimmen. Albanien haben sie schon in der Hand. Nur die Serben gehorchen ihnen nicht. Und denen wollen sie schaden."

    Wie diese beiden Restaurantbesucher lehnt die Mehrheit der Griechen eine einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovos ab. Die Regierung und die große sozialistische Oppositionspartei PASOK stützen diese Meinung, erklärt der Politikwissenschaftler Phillipos Savvidis:

    "Beide Parteien sind der Meinung, dass es keine Unabhängigkeit des Kosovos ohne Zustimmung der Serben und der Kosovaren geben darf. Es muss eine Lösung geben, die von beiden Seiten akzeptiert ist, um krisenhafte Entwicklungen zu verhindern."

    Griechenland ist neben Bulgarien das einzige EU-Land, das an den Balkan grenzt. Spannungen in dieser Region würden sich auf Griechenland direkt auswirken, befürchtet auch die Regierung. Solche Spannungen wären durch eine einseitige Unabhängigkeitserklärung der Kosovaren leider zu erwarten, meint Phillipos Savidis:

    "Es ist sowohl ein Zusammenstoß zwischen den serbischen und den albanischen Kosovaren denkbar. Man weiß nicht, wie Serbien und wie Albanien reagieren werden. Auch könnten die Albaner in Mazedonien dann ihre Unabhängigkeit fordern. Es wäre nicht gut solche Spannungen zu begünstigen."

    Die Gefahr, dass die albanischen Kosovaren wieder zu den Waffen greifen, wenn das Land nicht bald seine Unabhängigkeit erhält, wird in Athen nicht als so gravierend angesehen. Der Kosovo, so heißt es in Regierungskreisen, sei ja quasi schon unabhängig - und bleibe in jedem Fall unter der internationalen Obhut und am ökonomischen Tropf der UN und der EU.

    Wie Russland und einige EU-Staaten fürchtet Griechenland ebenfalls die internationale Präzedenzwirkung einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo. Zum Beispiel könnten dann die türkischen Zyprioten unter Hinweis auf den Kosovo ihre internationale Anerkennung fordern - ein Szenario, dass Athen aus Solidarität mit den griechischen Zyprioten auf jeden Fall vermeiden will.

    In einem Kleiderladen in der Nähe der Plateia Kaningos läuft das Radio Non-Stop. Für die Verkäuferin Angela Nikolaidis ist der Kosovo sehr weit weg. "Von diesem Problem", syagt sie, "habe ich noch gar nicht mitbekommen."

    Kosovo ist nicht in den Schlagzeilen, die Emotionen schlagen in Athen nicht hoch. Aber viele machen sich Sorgen über mögliche Entwicklungen. Die Mehrheit der EU-Staaten neigt dazu, den Kosovo auch ohne entsprechenden UN-Beschluss anzuerkennen. Man hofft aber, die einseitige Unabhängigkeitserklärung noch ein- zwei Monate hinauszögern zu können. Ob die griechische Regierung ebenfalls den Kosovo anerkennt oder ob sie sogar in der EU ein Veto gegen eine solche Politik einlegt, das scheint in Athen noch nicht entschieden. Den Status Quo im Kosovo hält Griechenland jedenfalls für die weniger schlechte Lösung.