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Diskussion um EU-Agrarsubventionen
"Landwirtschaft braucht Zeit, um bestimmte Wege zu gehen"

Im Rahmen einer Reform der EU-Agrarpolitik sollen Subventionen stärker an Öko-Regeln gebunden werden. Landwirte seien offen, Zukunftsherausforderungen anzugehen, sagte Kathrin Muus vom Bund der Deutschen Landjugend. Aufgrund langer Investitionszeiten seinen Veränderungen aber nur schrittweise möglich.

Kathrin Muus im Gespräch mit Jule Reimer |
Auf einem Feld wird mit einer Drillmaschine Saatgut von Braugerste angebaut
Kathrin Muus vom Bund der Deutschen Landjugend fordert Planungssicherheit für alle Landwirtinnen und Landwirte (dpa/ Armin Weigel)
In Deutschland und in der Europäischen Union wird weiter über die Zukunft der Agrarpolitik gestritten. Das bedeutet auch: Um viel Geld - nämlich die EU-Agrarsubvention. Konkret geht es dabei um Fragen wie diese: Sollen Landwirte weiterhin pro Hektar Landbesitz 280 Euro pro Jahr direkt auf die Hand bekommen - egal ob kleiner oder großer Hof? Oder bekommen künftig diejenigen Agrarunternehmer mehr Geld als andere, die weniger Pestizide und Dünger einsetzen, dabei niedrigere Erträge riskieren, dafür aber den Schutz von Grundwasser, Klima und Artenvielfalt fördern? Was im Umkehrschluss bedeutet, dass die, die bisher konventionell wirtschaften, künftig weniger Subventionen erhalten würden.
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Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk betonte die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Landjugend (BDL), Kathrin Muus, dass die Umstellung auf alternative Bewirtschaftungsmethoden Zeit bräuchte. Deshalb sollte auch die Umschichtung von Subventionen schrittweise erfolgen, sagte die 26-jährige studierte Landwirtin.
Jule Reimer: Welche Agrarpolitik bietet jungen Menschen auf dem Land die beste Perspektive?
Kathrin Muus: Da muss ganz klar ein Kurs eingeschlagen werden, der Planungssicherheit für alle Landwirtinnen und Landwirte bietet. Aber um konkreter zu werden: Auch einer, der die zukünftigen Herausforderungen meistern kann.

Betriebe sind über lange Investitionszeiten gebunden

Reimer: Was sind die Herausforderungen aus Ihrer Sicht?
Muus: Das sind vor allen Dingen momentan die Herausforderungen im Hinblick auf Umweltschutz und Klimaschutz, und von landwirtschaftlicher Perspektive ganz klar auch die Sicherung der Betriebe.
Reimer: Möglicherweise ein Zielkonflikt. – Die Landwirtschaft ist ja zum Beispiel bei der Klimaerwärmung Täter über die Trockenlegung von Feuchtgebieten und von Mooren. Dabei entweicht nämlich viel CO2 aus den Böden. Und sie ist Opfer, weil die Ernte-Erträge unter Trockenheit genauso wie bei Hagel und Starkregen darunter leiden und geschmälert werden. Die Wissenschaftler sagen jetzt ganz klar, es braucht einen Systemwechsel, und es wird darüber gestritten, wie viele dieser Subventionen erst mal umgesteuert werden sollen, nämlich 20 oder 30 Prozent. Haben Sie da eine Position?
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Muus: Wenn man diese Konflikte sieht, dann darf man nicht immer darüber nachdenken, wie Geld umgeschichtet wird, sondern muss zunächst erst mal angehen, dass Landwirte offen sind, Zukunftsherausforderungen anzugehen. Es ist aber auch ganz klar, dass mehr im Sinne für gesellschaftliche Leistungen in Zukunft auch gefördert werden muss.

Pestizidabgabe nur als letzter Schritt

Reimer: Die Frage ist aber, wie stark schlägt man diesen Weg jetzt schon ein. Ich zitiere mal ganz kurz die Uni Koblenz-Landau. Die hatten wir hier im Deutschlandfunk im Programm. Die hat Millionen von Daten europaweit ausgewertet mit der klaren Aussage, der ökologische Zustand von europäischen Gewässern verschlechtert sich, und zwar vor allen Dingen in Gebieten mit viel Landwirtschaft – Ursache: zu viele Pestizide.
Muus: Den Prozess muss man schrittweise angehen. Natürlich muss man früh starten, um nachher auch ein Resultat zu erreichen. Die Betriebe sind aber auch über lange Investitionszeiten gebunden und können nicht von heute auf morgen das gesamte Konzept durchbrechen. Aber ich denke, mit einem schrittweisen Prozess – und das ist zum Beispiel auch bei einer Umschichtung mit drin, dass schrittweise umgeschichtet werden kann – können Landwirte auf jeden Fall die Chance ergreifen und ihre Betriebe auch entsprechend über längere Zeiträume nach alternativen Bewirtschaftungsmethoden ausrichten.
Reimer: Dänemark hat schon länger eine Pestizidabgabe eingeführt, ohne dass dort die Landwirtschaft zusammengebrochen wäre. Ist das hier denkbar?
Muus: Um diese Studie in Dänemark auf Deutschland anzuwenden, muss man auf jeden Fall tiefere Einblicke in die Ergebnisse der Studie haben. Ich denke aber, dass man zunächst auf andere Anreize setzen muss, um diesen Pflanzenschutzmittel-Einsatz zu reduzieren. Dazu gehört zum Beispiel eine gezieltere Ausbringung oder vielleicht auch alternative Anwendungstechniken. Aber eine bestimmte Abgabe wäre für mich der letzte Schritt.

Maßnahmen brauchen Zeit, um zu wirken

Reimer: Die Frage ist, wieviel Zeit ist. Zum Beispiel im Bereich Nitrate hat die Europäische Kommission bereits Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet beziehungsweise Deutschland hat da jetzt auch handeln müssen. Beim Schutz der Artenvielfalt steht so ein Vertragsverletzungsverfahren bevor. Darüber ärgern sich zum Teil auch unsere europäischen Nachbarn, dass in Deutschland die Gesetze zu lasch sind.
Muus: Zunächst muss man aber auch sehen, dass wir in vielen Bereichen in Deutschland ein Vorreiter sind, was Gesetze angeht. In Bezug auf die Nitrat-Problematik wurde im letzten Jahr die Düngeverordnung neu verabschiedet, und ich denke, man muss solchen Prozessen auch ein wenig Zeit geben, um zu wirken. Das wissen wir selber von anderen Praktiken. Wenn man etwas tut, dann sieht man auch nicht morgen das Ergebnis, und ich glaube, da müssen wir ansetzen. Auch bei der Artenvielfalt ist ja vieles im Gange und wenn man jetzt durch die Landschaft fährt sieht man ja, dass schon viele Blühstreifen, Randstreifen etc. etabliert wurden.
Reimer: Der BDL hat ja als Ziel, die Lebensperspektiven junger Menschen auf dem Land zu verbessern. Nach dem derzeitigen Subventionssystem wird demjenigen, der bereits viel hat, viel gegeben. Wer tausend Hektar Land hat, hat natürlich hohe Kosten, aber er hält, egal was er tut, pro Hektar 280 Euro. Das sind dann 280.000 Euro jedes Jahr als Subvention. Könnten Sie sich denn eine Kappung der Subventionen bei, sagen wir mal, 100.000 Euro – das liegt ja als Vorschlag vor – vorstellen, die aber nach oben dehnbar wäre, wenn noch die Lohnkosten entsprechend angerechnet würden? Das würde ja Anreize für mehr Arbeitsplätze auf dem Land schaffen.
Muus: Ich glaube, ganz so einfach kann man das nicht sagen, zumal Arbeitsplätze auf dem Land ja auch nicht nur in der Landwirtschaft bereitgestellt werden, sondern auch in anderen Bereichen. Kappung ist ein viel diskutiertes und auch schwieriges Thema. Wir bei der Landjugend vertreten nämlich alle Betriebe und damit auch die großen, aber auch die kleinen Betriebe. Was ich mir persönlich aber gut vorstellen kann, ist vor allen Dingen eine Förderung der ersten Hektar in einem höheren Umfang.

Überleben von Betrieben ist von verschiedenen Faktoren abhängig

Reimer: Die können dann trotzdem nicht mit den großen mithalten. Das sieht man ja daran, dass viele kleine Betriebe in den letzten Jahren aufgegeben haben.
Muus: Ich glaube, das kann man so pauschal gar nicht unbedingt vereinfachen. Das hängt ja mit verschiedenen Faktoren zusammen und auch mit verschiedenen Betriebsausrichtungen, aber auch mit politischen Rahmenbedingungen, unabhängig von der Förderung, die momentan ja sehr unsicher sind und vor allen Dingen auch die tierhaltenden Betriebe gerade in hohem Maße mit betreffen. Wenn zum Beispiel ein Stall in der jetzigen Form in Zukunft gar nicht mehr genutzt werden darf, weil bestimmte Abstände nicht passen. Ich glaube, um das zu pauschalisieren, muss man wirklich verschiedene Faktoren mit einbeziehen und nicht nur allein die Förderung.
Reimer: Sie sitzen gelegentlich mit Bundeskanzlerin Merkel am großen Runden Tisch der Zukunftskommission Landwirtschaft. Die meisten Funktionärsvertreter aus dem landwirtschaftlichen Bereich – und das gilt eigentlich auch für diese neue Bewegung Land schafft Verbindung und erst recht für den Deutschen Bauernverband -, die sind eigentlich im Schnitt 20, 30, wenn nicht 40 Jahre älter als Sie. Kann es sein, dass es auch eine Art Generationenkonflikt gibt zwischen den älteren, die sich vielleicht vor neuen Wegen mehr fürchten, und jüngeren?
Muus: Ich würde gar nicht unbedingt sagen, dass es ein Generationskonflikt ist. Ich glaube, man braucht in solchen Diskussionen und Prozessen tatsächlich mehrere Generationen, die verschiedene Sichtweisen und Denkweisen in so einen Prozess hineintragen, und ich glaube, da ergänzen wir uns ganz gut. Ein älterer Landwirt hat nun mal auch mehr Erfahrung, als ich das habe als junger Mensch, und ich glaube, die Erfahrung, aber auch die Offenheit der jungen Menschen insgesamt macht nachher die gute Mischung aus.

"Landwirtschaft braucht Zeit, um bestimmte Wege zu gehen"

Reimer: Aber insgesamt ist es schon so: Im Augenblick gibt es noch 400 Milliarden Euro zu verteilen für die nächsten sieben Jahre in Sachen EU-Agrarsubventionen. Die Stimmung in der Öffentlichkeit kippt aber. Wer öffentliche Gelder will, muss auch mehr für Tierschutz, Förderung der Artenvielfalt, Klimaschutz beitragen. Warum jetzt nicht zügiger umsteuern? Das Geld kann nur weniger werden.
Muus: Da haben Sie absolut recht. Ich habe es vorhin schon mal ein bisschen gesagt. Landwirtschaft braucht Zeit, um bestimmte Wege zu gehen. Investitionen sind oftmals über 20, 30 Jahre Abschreibungszeiten angelegt und darauf müssen Landwirte auch reagieren können. Aber Sie haben auf jeden Fall recht: Wir müssen das Thema jetzt angehen. Genau deswegen reden wir in der Zukunftskommission ja auch über die Zukunft der Landwirtschaft, um Schritte zu erarbeiten, die genau das bewerkstelligen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.