Mittwoch, 24. April 2024

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Diskussion um Frauenquote
"Frauen in der Familienphase besser unterstützen"

Die Freien Demokraten hätten eine Frauenquote als falschen Ansatz immer abgelehnt, sagte die Vize-Bundesvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Dlf. Viel zu viele Frauen blieben "in der Mitte" stecken, und das, obwohl sie "in der Regel besser als ihre Kollegen" seien. Frauen müssten sich aber auch zutrauen, große Unternehmen zu leiten.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Gespräch mit Christiane Kaess | 10.01.2018
    Die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, spricht am 09.12.2017 während des Landesparteitages der niedersächsischen FDP in Hannover (Niedersachsen) zu den Delegierten. Nach der Landtagswahl will die FDP auf einem kleinen Parteitag - dem sogenannten Landeshauptausschuss - ihren künftigen politischen Kurs bestimmen. Foto:
    Die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP Marie-Agnes Strack-Zimmermann findet: "Wenn die Firmen so blind sind, werden sie die Zeche dafür zahlen." (dpa / picture alliance / Peter Steffen)
    Christiane Kaess: Über die Frauenquote habe ich kurz vor der Sendung mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann gesprochen. Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP. Die Bilanz heute, die zeigt ja, wenn man mehr Frauen in Führungspositionen haben will, geht das nur mit der Quote. Soll die also ausgeweitet werden? Das habe ich sie zuerst gefragt.
    Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Nein, das geht ja offensichtlich nicht mit der Quote, denn sonst hätte es ja schon andere Erfolge gegeben. Wir als Freie Demokraten haben die Quote immer abgelehnt, weil wir möchten einfach nicht, dass Frauen als Platzhalter degradiert werden in einem Unternehmen. Ich muss allerdings dazu sagen, dass diese Zahlen in der Tat ernüchternd sind. Das ist deswegen nicht nachvollziehbar, weil Firmen eigentlich sehr gut beraten wären, sich nicht selbst zu verpflichten, sondern allein um auch in der Arbeitsproduktion im Klima etwas zu tun, mehr Frauen in Spitzenpositionen zu holen. Es wird Ihnen jeder bestätigen, dass die Zusammenarbeit eine andere ist, wenn auch Frauen mit am Tisch sitzen, dass die Empathie eine andere ist, andere Ideen einfließen. Das ist nicht nachvollziehbar, aber eine Quote ist mit Sicherheit der falsche Ansatz, sondern man muss ganz anders anfangen.
    "Dass Familienphase nicht zum Karriereknick führt"
    Kaess: Jetzt sprechen Sie von ernüchternden Zahlen. Aber die Quote hat ja durchaus gezeigt, dass in Aufsichtsräten sich die Situation verändert hat, und das kann ja eigentlich nur an der Quote liegen.
    Strack-Zimmermann: Das mag so sein, das ist natürlich unklar. Fakt ist, dass es Unternehmen gibt, die fangen bei den Aufsichtsräten an. Natürlich gehören auch Frauen in die Vorstände. Aber ich glaube, wenn man Frauen in Vorständen haben will, muss man auch an anderer Stelle anfangen, Frauen zu unterstützen, und ich würde mir wünschen, dass die Ministerin jetzt nicht droht, mit der Keule droht, etwas zu verändern - das halte ich immer für problematisch -, sondern die Problematik fängt doch viel früher an, nämlich dass man Frauen in bestimmten Phasen, in der Familienphase besser unterstützen muss, dass Firmen Kindergärten anbieten müssen, dass für Frauen, wenn sie Kinder bekommen, die Erziehung und die Familienphase nicht zum Karriereknick führt. Das ist ja die Realität heute. Insofern würde ich mich freuen, wenn da angesetzt würde, wenn da mehr gemacht würde, wenn auch mehr Geld in die Kommunen fließen würde, die nämlich gegebenenfalls die Kindergärten aufbauen müssen. Das wäre sinnvoll.
    Und ein zweites – das gehört allerdings auch selbstkritisch zur Wahrheit dazu -, dass es immer noch eine Menge Frauen gibt, die sehr selbstkritisch mit sich selber sind, die nicht unbedingt wollen. Und ich glaube, dass wir gut daran täten, Frauen zu motivieren, wirklich nach ganz oben zu streben. Das wollen nicht alle, das hat auch etwas damit zu tun, das kann ich nur aus meiner Erfahrung sagen, dass Frauen ihre eigene Arbeit wesentlich kritischer betrachten, sich hinterfragen, kann ich das, möchte ich das, habe ich vielleicht noch Alternativen, Familie etc., will ich das überhaupt. Und ich glaube, das ist das eine, dass man etwas organisiert. Das andere ist aber auch, Frauen zu motivieren, auch zu wollen.
    "Frauen dürfen nicht in der Mitte hängen bleiben"
    Kaess: Jetzt haben Sie ein paar Maßnahmen genannt, wo wahrscheinlich auch die SPD sofort mitgehen würde. Aber wenn wir uns noch mal die Zahlen anschauen: Die Vorstände der 200 umsatzstärksten Unternehmen, da sitzen etwa acht Prozent der Frauen in den Vorständen. Das ist ja ein so kleiner Anteil. Wie will man denn davon ohne Druck wegkommen?
    Strack-Zimmermann: Ich halte einfach nichts von Druck. Noch mal: Ich glaube, wenn Sie junge Frauen in den jeweiligen – man klettert ja nach oben; es ist ja nicht so, dass Frauen reinkommen, oder auch Männer, und sagen, "Hallo, hier bin ich im Vorstand", sondern es geht darum, dass man so etwas von unten aufbaut und dass Frauen sich auch zutrauen, auch große Unternehmen zu leiten und zu führen, und nicht nur sozusagen in der Mitte hängen zu bleiben. Das ist im Interesse der Unternehmen, vor allen Dingen im Interesse der Unternehmen, die zwingend neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen.
    Kaess: Warum sehen die Unternehmen das dann nicht stärker bisher?
    Strack-Zimmermann: Das ist eine Frage, die berechtigt ist. Offensichtlich ist bei manchen Unternehmen die Klarheit noch nicht da, wenn sie Frauen nicht fördern, dass sie ein Problem bekommen, Nachwuchs zu finden, denn wir haben super ausgebildete junge Frauen auf dem Arbeitsmarkt und die schauen natürlich ganz genau hin, in welchem Unternehmen habe ich bessere Chancen. Das heißt, so eine Art, damit umzugehen, wird sich letztlich für die Unternehmen miserabel auszahlen. Ich glaube, dass moderne Unternehmen das so machen. Aber noch mal: Das zu zwingen, Strafen anzudrohen, das mag im Sozialismus funktioniert haben; in einer freien Wirtschaft halte ich das für völlig fehl am Platze.
    Kaess: Aber sind Sie da vielleicht nicht ein bisschen zu optimistisch? Ich möchte mal die frühere Bundesbildungsministerin zitieren. Sie ist jetzt Botschafterin beim Heiligen Stuhl im Vatikan, Annette Schavan von der CDU, die ja auch sehr lange Erfahrung in der Politik hat. Sie hat gesagt, lange Zeit habe sie die Frauenquote abgelehnt mit dem Argument, Qualität setze sich durch. Aber das sei nicht sehr realitätsnah und deshalb plädiert auch sie jetzt für die Quote.
    "Frauen sind in der Regel besser als ihre Kollegen"
    Strack-Zimmermann: Das mag sein, dass Frau Schavan das so sieht, wobei es Frau Schavan jetzt auch geschafft hat. Fakt ist doch, junge Frauen auch so selbstbewusst zu erziehen, dass sie ihren Weg gehen.
    Kaess: Das setzt natürlich sehr früh an. Aber was sagen Sie denn beispielsweise Frauen, die nicht nach oben kommen, weil etwa der Chef immer Männer bevorzugt, oder Frauen, die nach ihrer Elternzeit dann auf niedrigere Posten gesetzt werden als der Posten, den sie vorher hatten?
    Strack-Zimmermann: Das ist doch der Punkt. Gerade Letzteres. Wenn Sie einen Chef haben, der Sie nicht fördert, dann ist das dramatisch. Das ändert aber an einer Quote nichts. Denn wenn er Sie fördern muss, aber gar nicht fördern will, ist das für das Arbeitsklima ja auch kein wirklicher Zustand. Das ist ja nichts Freiwilliges. Die Frage wird immer sein, ob ein Unternehmen in der Lage ist, und ich bin deswegen optimistisch, weil wir schlichtweg gute Leute brauchen. Wenn Sie heute in der Schule, in den Universitäten, in den Ausbildungen sehen: Es sind mehr Frauen. In der Regel sind sie besser als ihre Kollegen. Und insofern sind sie für den Arbeitsmarkt in Zukunft nicht mehr verzichtbar. Ich kann nur sagen: Wenn die Firmen so blind sind, werden sie die Zeche dafür zahlen. Fakt ist: Wir müssen heute jungen Frauen die Möglichkeit geben, überhaupt auf diese Ebene zu kommen, und das fängt damit an, dass man ihre Familienzeit begleitet, dass man auch Männern übrigens die Möglichkeit gibt, in Familienzeit zu gehen. Das findet ja alles noch nicht wirklich statt. Offensichtlich sind da noch einige Herren oben, die noch nicht ganz wissen, wo der Gong geschlagen hat.
    Kaess: … sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP. Danke für Ihre Zeit.
    Strack-Zimmermann: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.