Britta Fecke: Wenn man beim Waldspaziergang tief fliegende Hubschrauber über den Wipfeln entdeckt, die etwas abwerfen, dann ist das in unseren Breiten selten Löschwasser, sondern meistens Kalk. Die sogenannte Waldkalkung ist eine Maßnahme aus den Zeiten des saueren Regens. Der Kalk sollte den Säure- und Stickstoffeintrag aus Luft und Regen abpuffern und den Säure-Base-Haushalt des Bodens wieder stabilisieren. In Baden-Württemberg wird nach wie vor großflächig gekalkt.
Heute gehen Experten verschiedener Fachrichtungen auf einer Tagung des Landesnaturschutzverbandes und der forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg der Frage nach, ob diese Maßnahme noch notwendig und ökologisch sinnvoll ist.
Ich bin jetzt verbunden mit Dr. Gerhard Bronner, er ist stellvertretender Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg. Herr Bronner, die Zeiten des saueren Regens sind auch aufgrund besserer Abgaswerte vorbei. Ist der Waldboden in bestimmten Regionen dennoch so belastet, dass diese Kalkung weiter sinnvoll erscheint?
Gerhard Bronner: Guten Tag, Frau Fecke! – Ja, man kann sagen, dass man die Zeit, als der Regen noch sehr sauer war, heute noch in den Böden ablesen kann. Die Böden sind noch verändert, haben noch eine Säurebelastung. Die Frage ist nur, wie man damit am besten umgeht, ob man versucht, durch Kalkung das komplett zu neutralisieren, oder ob man etwas gelassener sagt, solange es dem Wald gut geht, brauchen wir nichts zu unternehmen.
Fecke: Geht es dem Wald denn gut genug?
Bronner: Das hängt von den Standorten ab. Es gibt gewisse Standorte, in denen auch solche Bundesländer, die bei der Kalkung zurückhaltend sind, sagen, da müssen wir was tun, Böden, die von Natur aus arm und sauer sind. Es gibt aber auch andere Standorte, wo je nach Ausrichtung die einen sagen, man muss etwas tun, und die anderen sagen, dem Wald geht es gut, er ist vital, er lebt, wir können abwarten, wie die Selbstheilungskräfte wirken.
Fecke: Das wäre nämlich meine nächste Frage. Müssten artenreiche Mischwälder nicht eigentlich in der Lage sein, das selber wiederherzustellen, dieses Gleichgewicht?
Bronner: Das können artenreiche Mischwälder sicher besser als Monokulturen, und eine Idee ist deshalb, wenn man den Waldumbau beschleunigt, also die Etablierung von standortgerechten artenreichen Mischwäldern, kommt das auch dem Boden zugute und trägt dazu bei, diese Säurelast aus der Vergangenheit abzubauen.
Fecke: Das scheint mir doch vielleicht auch ganz sinnvoll. Sie sprachen die Monokulturen an, das würde ich ja nicht als Wald bezeichnen, sondern eher als Forst. Ich denke da an Nadel-, Fichtenwälder, dieses Stangenholz, die eng beieinanderstehen.
Bronner: Genau.
Fecke: Wäre es nicht sinnvoll, den Wald umzubauen und den wieder in seinen natürlicheren Zustand zurückzuführen, dann bräuchte man die Kalkung auch nicht?
Bronner: Im Prinzip ist dies das Programm zumindest im öffentlichen Wald, in flächenunterschiedlicher Intensität, aber das Ziel ist schon, überall standortgerechtere Wälder zu bekommen. Das kann man allerdings engagiert oder etwas weniger engagiert verfolgen und nicht nur wegen der Bodensanierung und dieses Säureeintrags, sondern aus vielen anderen Gründen ist es sinnvoll, auf diesem Weg engagiert und vielleicht beschleunigt weiterzugehen.
Fecke: Nun ist es ja so, dass es auch von Natur aus Lebensräume gibt, die auf recht sauerem Fuße stehen – ich denke da an Niedermoore oder, wenn noch vorhanden, dann Hochmoore. Für die wäre doch eine Kalkung auch eine relative Beeinträchtigung, oder?
Bronner: Das ist eines der Hauptthemen unserer heutigen Tagung, dass es nämlich Sonderstandorte gibt, die einfach von Natur aus sauere Böden haben, und wenn ich hier jetzt mit Kalk komme, das dazu führen kann, dass die angepasste Pflanzengemeinschaft auf diesen saueren Böden geschädigt wird, dass möglicherweise auch Arten verschwinden, die nur auf solchen Standorten existieren können. Im Prinzip wird das auch berücksichtigt bei der Kalkung. Man spart Biotope aus. Ob das in der Praxis dann immer so gelingt, gerade wenn ein Hubschrauber den Kalk ausbringt, das steht auf einem anderen Blatt.
Fecke: Wie muss ich mir das denn vorstellen? Wie hoch ist denn der Hubschrauber?
Bronner: Der Hubschrauber ist im Bereich von 30, 40, 50 Meter über der Baumkrone.
Fecke: Das heißt, mit ein bisschen Wind und Drift geht das durchaus auch in die anderen Lebensbereiche?
Bronner: Das ist im Einzelfall zu befürchten, ja.
Fecke: Wer übernimmt eigentlich die Kosten für die Kalkung?
Bronner: Das ist auch ein Thema der heutigen Tagung. Die Kosten werden nahezu komplett von der öffentlichen Hand übernommen. Es gibt EU-Mittel dafür, es gibt Landesmittel dafür, sodass auch Privatwaldbesitzer, die ihren Wald kalken wollen, den ganz überwiegenden Teil der Kosten ersetzt bekommen. Das kann natürlich leicht dazu führen, dass man sagt, na ja, wenn es nichts kostet, dann mache ich es mal, ob es jetzt nötig ist oder nicht.
Fecke: Waldkalkung – Umweltvorsorge oder Naturschutzproblem. Vielen Dank für diese Einschätzung an Dr. Gerhard Bronner und dass Sie für uns kurzzeitig aus der Tagung ausgetreten sind.
Bronner: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Heute gehen Experten verschiedener Fachrichtungen auf einer Tagung des Landesnaturschutzverbandes und der forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg der Frage nach, ob diese Maßnahme noch notwendig und ökologisch sinnvoll ist.
Ich bin jetzt verbunden mit Dr. Gerhard Bronner, er ist stellvertretender Vorsitzender des Landesnaturschutzverbandes Baden-Württemberg. Herr Bronner, die Zeiten des saueren Regens sind auch aufgrund besserer Abgaswerte vorbei. Ist der Waldboden in bestimmten Regionen dennoch so belastet, dass diese Kalkung weiter sinnvoll erscheint?
Gerhard Bronner: Guten Tag, Frau Fecke! – Ja, man kann sagen, dass man die Zeit, als der Regen noch sehr sauer war, heute noch in den Böden ablesen kann. Die Böden sind noch verändert, haben noch eine Säurebelastung. Die Frage ist nur, wie man damit am besten umgeht, ob man versucht, durch Kalkung das komplett zu neutralisieren, oder ob man etwas gelassener sagt, solange es dem Wald gut geht, brauchen wir nichts zu unternehmen.
Fecke: Geht es dem Wald denn gut genug?
Bronner: Das hängt von den Standorten ab. Es gibt gewisse Standorte, in denen auch solche Bundesländer, die bei der Kalkung zurückhaltend sind, sagen, da müssen wir was tun, Böden, die von Natur aus arm und sauer sind. Es gibt aber auch andere Standorte, wo je nach Ausrichtung die einen sagen, man muss etwas tun, und die anderen sagen, dem Wald geht es gut, er ist vital, er lebt, wir können abwarten, wie die Selbstheilungskräfte wirken.
Fecke: Das wäre nämlich meine nächste Frage. Müssten artenreiche Mischwälder nicht eigentlich in der Lage sein, das selber wiederherzustellen, dieses Gleichgewicht?
Bronner: Das können artenreiche Mischwälder sicher besser als Monokulturen, und eine Idee ist deshalb, wenn man den Waldumbau beschleunigt, also die Etablierung von standortgerechten artenreichen Mischwäldern, kommt das auch dem Boden zugute und trägt dazu bei, diese Säurelast aus der Vergangenheit abzubauen.
Fecke: Das scheint mir doch vielleicht auch ganz sinnvoll. Sie sprachen die Monokulturen an, das würde ich ja nicht als Wald bezeichnen, sondern eher als Forst. Ich denke da an Nadel-, Fichtenwälder, dieses Stangenholz, die eng beieinanderstehen.
Bronner: Genau.
Fecke: Wäre es nicht sinnvoll, den Wald umzubauen und den wieder in seinen natürlicheren Zustand zurückzuführen, dann bräuchte man die Kalkung auch nicht?
Bronner: Im Prinzip ist dies das Programm zumindest im öffentlichen Wald, in flächenunterschiedlicher Intensität, aber das Ziel ist schon, überall standortgerechtere Wälder zu bekommen. Das kann man allerdings engagiert oder etwas weniger engagiert verfolgen und nicht nur wegen der Bodensanierung und dieses Säureeintrags, sondern aus vielen anderen Gründen ist es sinnvoll, auf diesem Weg engagiert und vielleicht beschleunigt weiterzugehen.
Fecke: Nun ist es ja so, dass es auch von Natur aus Lebensräume gibt, die auf recht sauerem Fuße stehen – ich denke da an Niedermoore oder, wenn noch vorhanden, dann Hochmoore. Für die wäre doch eine Kalkung auch eine relative Beeinträchtigung, oder?
Bronner: Das ist eines der Hauptthemen unserer heutigen Tagung, dass es nämlich Sonderstandorte gibt, die einfach von Natur aus sauere Böden haben, und wenn ich hier jetzt mit Kalk komme, das dazu führen kann, dass die angepasste Pflanzengemeinschaft auf diesen saueren Böden geschädigt wird, dass möglicherweise auch Arten verschwinden, die nur auf solchen Standorten existieren können. Im Prinzip wird das auch berücksichtigt bei der Kalkung. Man spart Biotope aus. Ob das in der Praxis dann immer so gelingt, gerade wenn ein Hubschrauber den Kalk ausbringt, das steht auf einem anderen Blatt.
Fecke: Wie muss ich mir das denn vorstellen? Wie hoch ist denn der Hubschrauber?
Bronner: Der Hubschrauber ist im Bereich von 30, 40, 50 Meter über der Baumkrone.
Fecke: Das heißt, mit ein bisschen Wind und Drift geht das durchaus auch in die anderen Lebensbereiche?
Bronner: Das ist im Einzelfall zu befürchten, ja.
Fecke: Wer übernimmt eigentlich die Kosten für die Kalkung?
Bronner: Das ist auch ein Thema der heutigen Tagung. Die Kosten werden nahezu komplett von der öffentlichen Hand übernommen. Es gibt EU-Mittel dafür, es gibt Landesmittel dafür, sodass auch Privatwaldbesitzer, die ihren Wald kalken wollen, den ganz überwiegenden Teil der Kosten ersetzt bekommen. Das kann natürlich leicht dazu führen, dass man sagt, na ja, wenn es nichts kostet, dann mache ich es mal, ob es jetzt nötig ist oder nicht.
Fecke: Waldkalkung – Umweltvorsorge oder Naturschutzproblem. Vielen Dank für diese Einschätzung an Dr. Gerhard Bronner und dass Sie für uns kurzzeitig aus der Tagung ausgetreten sind.
Bronner: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.