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Diverse Corona-Fälle nach Wettkämpfen
Superspreader-Events in der Leichtathletik und im Fechten?

Diverse Sportler sind positiv auf Corona getestet worden, nachdem sie an der Leichtathletik-Hallen-EM in Polen und dem Fecht-Weltcup in Ungarn teilgenommen haben. Womöglich haben sich die Sportler beim Aufwärmen oder den Wettkämpfen angesteckt. Das könnte auch die Olympischen Spiele in Tokio gefährden.

Von Maximilian Rieger |
Übergabe bei der 4x400-Meter-Staffel der Frauen bei der Hallen-EM in Torun 2021.
Nach der Hallen-EM in Torun sind dutzende Teilnehmer positiv auf Corona getestet worden. (IMAGO / Chai v.d. Laage)
In einem halben Jahr sollen in Tokio die Olympischen Sommerspiele starten. Tausende Sportler aus der ganzen Welt sollen dort zusammenkommen, unter strengen Hygienebedingungen. Jetzt gibt es aber gleich zwei internationale Sportereignisse, die die Wirksamkeit der Hygienemaßnahmen in Frage stellen.
Zum einen den Fecht-Weltcup in Budapest, der am vergangenen Wochenende stattgefunden hat. Seit Wochen nutzen internationale Fußball-Klubs die ungarische Hauptstadt als Austragungsort für ihre Spiele, obwohl die Inzidenz inzwischen auf mehr als 500 gestiegen ist.

Auch Campingkocher schützten vor Infektion nicht

Auch die deutschen Fechter hatten vor der Reise ein mulmiges Gefühl. "Wir haben lange darüber nachgedacht, ob wir teilnehmen", sagte Fechter Max Hartung der Sportschau. Die Deutschen nahmen sogar einen Campingkocher mit, um sich selbst versorgen zu können und nicht in das Hotel-Restaurant zu müssen.
Vergebens. Wie der Deutsche Fechter-Bund heute (18.03.) mitteilte, hat es nach der Rückreise vier positive Corona-Tests gegeben, darunter auch zwei Sportler. Der Rest des Teams befinde sich in Isolation.
Schon während der Wettkämpfe hatte es fünf positive Tests gegeben, berichtete Hartung am Mittwoch in der FAZ. Eine derartige Veranstaltung sei nie hundertprozentig sicher, so Hartung. Die Frage sei: "Wie viele Infektionen will man für Großveranstaltungen in Kauf nehmen?"

Diverse Infektionen bei Leichtathletik-EM

Noch mehr Infektionen sind inzwischen nach der Leichtathletik Hallen-EM im polnischen Torun bekannt geworden. 15 Mitglieder des italienischen Teams seien positiv getestet worden, neun aus den Niederlanden und Großbritanien, berichten britische und italienische Medien. Auch sieben Deutsche haben sich laut Deutschem Leichtathletik-Verband infiziert.
Eine Häufung von Fällen, die sich Zehnkämpfer Kai Kazmirek nicht erklären kann. Die Teilnehmer seien bei der Anreise, vor Eintritt in die Halle und bei der Abreise getestet worden, erklärt er dem Deutschlandfunk. Zudem hätten die Deutschen ihre Hotelzimmer nur fürs Essen und für die Wettkämpfe verlassen. Im Speiseraum wären sich zwar Teammitglieder aus verschiedenen Nationen begegnet, allerdings hätten alle - außer beim Essen - Maske getragen und die Tische hätten ausreichenden Abstand gehabt.
Gegen eine Ansteckung im Hotel oder auf der Busfahrt zur Halle, bei der ebenfalls auf Masken und Abstand geachtet worden sei, spricht außerdem, dass die Briten in einem anderen Hotel untergebracht waren, als die Deutschen und Italienier.

"Sehr viele Sportler auf engem Raum"

So gerät der Wettkampfort selbst unter Verdacht, vorallem die Aufwärmhalle. Während Kazmirek berichtet, dass nur eine handvoll Sportlerinnen und Sportler in der Halle waren, als er sie genutzt hat, schildert Kugelstoßerin Christina Schwanitz andere Szenen.
Christina Schwanitz nach ihrer Bronze-Medaille bei der Hallen-EM in Torun 2021
Kugelstoßerin Christina Schwanitz hatte schon vor der EM Bedenken über Olympia geäußert. (Rafal Rusek / PressFocus / NEWSPIX.P)
"Da waren sehr viele Sportler auf engem Raum", sagte Schwanitz dem Deutschlandfunk. "Ich bin durch die Halle, durch den Aufwärmbereich und den Eingangsbereich gelaufen und bin an den Läufern, Sprintern, Stabhochspringern, Weitspringer vorbeigelaufen, um zum Kugelstoßring zu kommen."
Da beim Sporttreiben keine Maskenpflicht herrscht, hätten die Athletinnen und Athleten dort auch keinen Mundschutz mehr getragen. Auch der österreichische Verband vermutet daher laut der Nachrichtenagentur APA, dass es in der Aufwärmhalle zu den Infektionen gekommen sei. Unter solchen Umstände könnte bereits eine infizierte Person reichen, die durch das Testschema gerutscht ist, um ein Superspreading-Event zu verursachen.

IOC beteuerte die Sicherheit der Wettkämpfe

Für das IOC und das Organisationskomitee der Spiele in Tokio sind diese Ereignisse ein Problem. Denn die bisher geplanten Hygienemaßnahmen sind ähnlich zu denen, die in Torun und Budapest offenbar nicht funktioniert haben. Noch vor einer Woche hatte IOC-Präsident Thomas Bach auf der Vollversammlung stolz berichtet, dass es in der Corona-Zeit 270 Weltmeisterschaften und Weltcups gegeben hätte.
"Nicht ein einziges Event hat sich als ein Virus-Verbreiter herausgestellt und die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet", so Bach. "Wir haben also den klaren und offensichtlichen Beweis, dass große Sportereignisse mit einer großen Anzahl von internationalen Teilnehmern organisiert werden können, während die Gesundheit von allen geschützt wird."

Hygienekonzepte könnten für britische Mutante nicht reichen

Allerdings hatte es immer wieder Infektionen gegeben, die einzelne Sportler oder sogar mehrere Teammitglieder betrafen, zum Beispiel beim Biathlon-Weltcup in Oberhof. Auch diverse Fußball-Vereine hatten teils so schwere Ausbrüche, dass praktisch das gesamte Team infiziert war.
Hinzu kommt: Die Hygienekonzepte basieren größtenteils auf den Erfahrungen, die in den ersten Monaten der Pandemie gewonnen wurden. Die britische Mutation ist aber deutlich ansteckender als der Wildtyp des Virus - und noch ist unklar, warum. Schon Jahn Regensburgs Geschäftsführer Christian Keller warnte nach dem Ausbruch beim Zweitligisten, dass die strengen Schutzmaßnahmen nicht mehr stark genug gewesen sein könnten.
Vor diesem Hintergrund erneuerte Christina Schwanitz ihre Kritik an der Austragung der Olympischen Spiele in diesem Jahr: "Ich stelle es mir sehr schwer vor, dass die Olympischen Spiele stattfinden. Denn meiner Meinung nach kann niemand die Verantwortung übernehmen, zu sagen: 'Ich riskiere es, dass andere sich anstecken.'"