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Diversität in Sportorganisationen
"Frauen brechen die vorhandenen Cliquen auf"

Frauen spielen an der Spitze von Sportorganisationen allenfalls eine kleine Rolle. Dabei würde ihre Präsenz den Verbänden mehr als gut tun, sagt Alexandra Wrage von Trace International. Allerdings aus anderen Gründen als man denkt.

Von Jürgen Kalwa | 07.03.2017
    IOC-Präsident Bach spricht vor den Mitgliedern beim IOC-Reformgipfel in Monaco. Über ihm ist er noch einmal auf einem übergroßen Bildschirm zu sehen.
    IOC-Treffen 2014 in Monaco: Auf dem Podium fast nur Männer. (afp / Valery Hache)
    Das Erlebnis hallt bei Alexandra Wrage auch noch Jahre später nach. Die Kanadiern, eine Expertin in Sachen Wirtschaftskorruption, war 2011 geholt worden, um am Reformprozess der skandalgeplagten FIFA mitzuwirken. Doch vor Ort traf sie auf eine Organisation, bei der Frauen nur für niedere Dienste eingesetzt oder wie beim Kongress in Budapest: "Im Abstand von zehn Metern stand eine elegant gekleidete attraktive Frau wie eine Statue auf einem Podest. Als Dekoration.”
    Entsprechend war die Haltung, als es um das eigentliche Thema ging – um Reform: "Die Kommentare über Frauen waren äußerst respektlos. Wir haben eine Liste an Kandidaten für wichtige Posten vorgeschlagen, die überall auf der Welt anerkannt sind. Man sagte uns: Frauen sind nicht akzeptabel. In einem solchen Milieu hatte ich noch nie gearbeitet.”
    Alexandra Wrage, Präsidentin der Transparenz-Organisation TRACE, und der Antikorruptionsexperte Mark Pieth.
    Alexandra Wrage, Präsidentin der Transparenz-Organisation TRACE (Imago / Fotoarena)
    Irgendwann war Wrage klar, dass ihre Ideen verpuffen würden und sie verließ demonstrativ die Reformgruppe. Nachdem die massiven Korruptionsaffären Blatter den Job kosteten, kam mit Gianni Infantino ein Mann ins Amt, der immerhin eine Frau als Generalsekretärin verpflichtet. Fatma Samba Diouf Samoura aus dem Senegal. Sie ist allerdings in ihrem ersten Amtsjahr kaum aufgefallen. Sieht man ab von ihrem Kommentar, dass sie Verständnis dafür hat, dass bei der WM im muslimischen Katar in den Stadien kein Alkohol verkauft wird.
    "Frauen brechen die vorhandenen Cliquen auf"
    Frauen hatten zuletzt tatsächlich Einfluss auf den internationalen Fußball: Die beiden Whistleblower, die die Korruption rund um die Vergabe der WM 2022 an Katar aufgedeckt hatten – beides Frauen. Genauso wie Loretta Lynch, die amerikanische Staatsanwältin und spätere Justizministerin, die das mafiaartige Bestechungsnetzwerk der Fußballfunktionäre auf dem gesamten amerikanischen Kontinent vor Gericht brachte.
    Würden mehr Frauen an der Spitze des Sports nicht also wirklich etwas ausrichten? "Ja”, sagte Alexandra Wrage in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk. "Aber aus einem anderen Grund, als Sie vielleicht denken. Ich glaube nicht, dass Frauen ethisch-moralisch bessere Menschen sind. Oder weniger korrupt. Aber sie sind typischerweise Außenseiter, Quereinsteiger, mit einem anderen Blick auf die Situation. Sie brechen die vorhandenen Cliquen auf und ändern die Atmosphäre. Studien zeigen, dass wenn man zwei Frauen in einen Vorstand mit zehn Männern aufnimmt, auf einmal alles sehr viel förmlicher und ernsthafter wird. Der gesamte Vorstand strengt sich mehr an. Ein guter Vergleich zur Situation in der FIFA.”
    Doch bis dahin ist noch ein weiter Weg. Selbst im IOC, wo inzwischen ein Viertel aller Mitglieder Frauen sind. Und im geschäftsführenden Vorstand drei von 14. Aber es handelt sich nicht um Quereinsteiger, sondern um solche, die eine typische Funktionärskarriere gemacht haben. Ein Aufstieg, bei dem man Ecken und Kanten verliert. Und oft genug auch den Blick fürs Wesentliche.