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DJV-Tagung "Besser Online"
Gegen Rechtsextremismus im Netz

Jeder könne sich gegen Rechtsextremismus im Netz engagieren, sagt der Medizinstudent Johannes Filous von der Initiative "Straßengezwitscher". Gerald Hensel hat dafür die NGO "Fearless Democracy" gegründet. Bei der DJV-Tagung "Besser online" verrieten beide ihre Strategien, auch mit Shitstorms von rechts zurechtzukommen.

Von Christiane Enkeler | 25.09.2017
    Laudatorin und Journalistin Anja Reschke (l) und das Team von «Strassengezwitscher»stehen am 24.06.2016 in Köln (Nordrhein-Westfalen) bei der Verleihung der Grimme Online Awards 2016 mit dem Preis in der Kategorie «Information» auf der Bühne. Foto: Henning Kaiser/dpa (zu dpa «Grimme Online Award für Twitter-Account über rechte Demos» vom 24.06.2016) | Verwendung weltweit
    Twitteraccount "Straßengezwitscher" - eines Projekt gegen Rechstextremismus im Netz - wurde 2016 mit einem Grimme Online Award ausgezeichnet (dpa / Henning Kaiser)
    "Ich glaube fest daran, dass sich jeder im Netz gegen Rassismus einsetzen kann. Ich empfinde es aber auch als sehr, sehr wichtig, dass man das nicht unbedarft macht", sagt Johannes Filous, der eigentlich Medizin studiert. Er ist 26 und hat im März 2015 mit Alexej Hock einen Twitterkanal gegründet, der sich mit Rechtsextremismus in Sachsen auseinander setzt.
    "Wer das macht, der muss sich im Klaren sein, dass man dadurch häufig auch zur Zielscheibe von Hasskriminalität wird. Dementsprechend ist es wichtig, dass man schaut: Inwieweit kann man sein Umfeld schützen, und auch, wie weit möchte man selber gehen? Man muss sich ein paar Grenzen setzen. Das soll aber keine Entmutigung sein, etwas zu tun. Ich glaube, es ist wichtig, dass gerade auch Stimmen laut sind, wenn Ungerechtigkeit, Rassismus aufkeimen.
    Der Twitteraccount ist inzwischen eines von drei Standbeinen. "Straßengezwitscher" wurde 2016 mit einem Grimme Online Award ausgezeichnet.
    "Wir haben eine Situation erlebt, in Dresden, im März 2015, wo ein Protestcamp von geflüchteten Menschen angegriffen wurde. Dort wurden Dinge geäußert wie 'Weg mit dem Dreck' und ähnliches, also wirklich menschenverachtende Äußerungen, und das hat medial nicht stattgefunden."
    Das war der Auslöser: der Wunsch danach, diese nicht-virtuelle Realität über das Netz sichtbar zu machen.
    Shitstorm selbst erlebt
    Gerald Hensel dagegen hat einen Shitstorm am eigenen Leib erlebt. 20 Jahre hatte er bereits in der Werbung gearbeitet, als er Ende 2016 online darauf hinwies, dass rechte Blogs sich mit Bannerwerbung von Firmen finanzieren können, die davon möglicherweise gar nichts wissen. Das erzählt Gerald Hensel bei einem der Panels der DJV-Journalistentagung:
    "Resultat war: Etwa 1200 Marken wussten zumindest in dem Zeitraum, wo ich diese paar Tweets geschrieben habe, nichts davon, haben Banner abgezogen von Breitbart. Ich würde auch mal völlig unstolz behaupten, dass der Weg von Breitbart nach Deutschland unter anderem wegen der Aktion nicht nach Deutschland gekommen ist."
    Und was dann folgte, erzählt Hensel, war ein massiver Shitstorm - 14 Tage lang -, der auch sein berufliches Umfeld einbezogen hat. Kurz vor Weihnachten hat er die Firma verlassen - und dann die NGO "Fearless Democracy" gegründet, die sich auch für den Opferschutz einsetzt. Er arbeitet auch mit Journalisten zusammen. Wenn, sagt Hensel, dann arbeitet "Fearless Democracy" selbst vor allem datenjournalistisch:
    "Ein Shitstorm, um ein einfaches Tool der Rechten zu nennen, ein Shitstorm wird ja immer noch als ein Aufstand empörter Menschen wahrgenommen. Dass sich in fast jedem Fall um eine Choreografie handelt von Menschen, die sich verabreden, jemanden oder etwas klein zu machen, sieht von außen ja niemand. Das heißt zum Beispiel: Unsere datenjournalistische Komponente zielt in erster Linie darauf ab, digitale Kampfbegriffe, Taktiken, Tools zu entschärfen."
    "Straßengezwitscher" kann Kosten decken
    Der Twitteraccount "Straßengezwitscher" dagegen richtet sich gegen die Dynamik von ungeprüft sich verbreitenden Kurznachrichten im Netz. - Johannes Filous:
    "Jede Information, die wir twittern, ist verifiziert. Wenn wir irgendwo vor Ort sind, arbeiten wir immer mit einem Vier-Augen-Prinzip; alle Informationen, die wir über Demonstrationen zum Beispiel rausgeben, sind vorher bei Landratsämtern angefragt, bei der Stadt zum Beispiel, wir haben auch ein Landratsamt in Sachsen verklagen müssen, weil sie diese Informationen nicht rausgerückt haben."
    "Straßengezwitscher" kann sich auch dadurch finanzieren, dass das Projekt Informationen an professionelle Journalisten verkauft, Außerdem gibt es spendenwillige Follower – und viel ehrenamtlichen Einsatz, der für einige Beteiligte auch ein Sprungbrett in den professionellen Journalismus war.
    Dass es nicht genügt, nur gegen etwas zu sein, ist beiden sehr wichtig: "Ich erlebe persönlich, in Sachsen, auf Rednerbühnen etcetera, dass Populisten auf komplexe Themenstellungen und komplexe Situationen ganz, ganz einfache Antworten geben. Und ich finde es ist sehr wichtig, dass man irgendwie vermittelt, dass Demokratie nicht schnell ist. Und das ist gut so, weil das uns, mich schützt, Sie schützt, Minderheiten, das ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt, der bei einfachen Antworten von Rechtsradikalen zum Beispiel verloren geht:
    "Ich glaube, die wichtigste Frage, egal, was man erreichen will, ist: FÜR was bin, und nicht: GEGEN was bin ich. Für etwas zu sein und etwas zu gestalten, ist viel, viel konzeptionell schwieriger."