Freitag, 29. März 2024

Archiv

DLF-Sportgespräch
"Du bist kein Team, nur weil du dich in der Kabine triffst"

Alexander Nouri übernahm Werder Bremen im Herbst 2016 in akuter Abstiegsgefahr und führte den Verein nach einer starken Rückrunde fast noch in den Europapokal. Im Dlf sprach der Deutsch-Iraner über Werders Werte, überflüssige Informationen und warum ihm seine eigene Meinung so wichtig ist.

Alexander Nouri im Gespräch mit Klaas Reese | 27.08.2017
    Trainer Alexander Nouri von Werder Bremen vor einem Spiel. (Foto: Bernd Thissen/dpa | Verwendung weltweit)
    Werder-Trainer Alexander Nouri (dpa/Bernd Thissen)
    Alexander Nouri übernahm Werder Bremen im September 2016, als der Verein nach drei Spielen mit null Punkten am Tabellenende rangierte. "Ich bin so ein bisschen ins kalte Wasser gesprungen", sagte Nouri im Dlf-Sportgespräch rückblickend über seinen Einstand.
    Nach einer schwachen Hinrunde, die der Verein nur auf Platz 15 abschloss, startete Nouri mit Werder durch. "Wir haben dann so gewisse Potenziale identifiziert, wo wir gemeinsam dran gearbeitet haben. Im Endeffekt haben wir eine Struktur geschaffen, wo jeder Spieler auch die Möglichkeit hatte sein Bestes auch auf dem Platz zu bringen", schilderte Nouri seine Veränderungen nach dem Trainerwechsel. Mit einer Serie von elf ungeschlagenen Partien in Folge, führte er die Bremer in der Rückrunden-Tabelle auf einen überragenden 4. Rang, verpasste am Ende aber noch knapp die Europa League.
    "Habe als Spieler sportlich das Optimale rausgeholt"
    Der 38-Jährige war schon als Jugendspieler 1994 zu den Hanseaten gekommen und arbeite sich bis 1998 zu den Profis vor, wo er einen Lizenzspielervertrag ergattern konnte. Den Durchburch zum Profispieler schaffte Nouri bei den Norddeutschen dann allerdings nicht. Nach Stationen beim KFC Uerdingen, dem VfL Osnabrück, Holstein Kiel und dem VfB Oldenburg beendete er 2012 seine Spielerkarriere. "Unterm Strich muss ich sagen, dass es für mich dann für mehr nicht gereicht hat. Aber mit 2. Liga und 3. Liga habe ich sportlich das Optimale rausgeholt. Zurückblickend bin ich sehr zufrieden, wie es gelaufen ist", sagte der Werder-Trainer im Deutschlandfunk.
    Nouri erklärte, dass er sich schon früh über die gesamten Zusammenhänge einer Mannschaft interessiert habe. "Das war für mich immer sehr spannend zu sehen, warum gewisse Dinge laufen, wie sie laufen."
    Bremer Spieler jubeln nach 2:0 gegen RB Leipzig.
    Bremer Spieler jubeln nach 2:0 gegen RB Leipzig in der letzten Saison. (dpa/Carmen Jaspersen)
    Es sei für ihn deshalb früh klar gewesen, dass er den Trainerjob ergreifen wollte, sagte Nouri. "Ich hatte schon die Fantasie, im Trainerbereich etwas zu machen. Aber ich wollte mich nicht nur auf meine aktive Laufbahn als Spieler berufen", sagte er. Deswegen absolvierte er an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement ein Fernstudium der Fachrichtung Gesundheitsmanagement, das er mit dem Bachelor abschloss. Das Studium sah er als nützliche Weiterbildung, aber auch als Absicherung für die Zeit nach der sportlichen Karriere. "Als Zweit- und Drittligaspieler musst du dir auch irgendwann um die Zukunft Gedanken machen."
    "Selbst in der Verantwortung stehen, das kann man nicht simulieren"
    Die Trainerausbildung beim DFB bewertet Nouri als positiv. Auf die Anforderungen in der Bundesliga habe er sich durch den Fußballlehrer-Lehrgang gut vorbereitet gefühlt. Allerings schränkte er auch ein: "Wenn man selbst in der Verantwortung steht, das kann man nicht simulieren." Nouri hatte im Frühjahr 2016 an der Hennes-Weisweiler-Akademie unter anderen mit Hoffenheim-Trainer Julian Nagelsmann die UEFA-Pro-Lizenz erworben.
    Die Rolle des Trainers habe sich in den letzten Jahren extrem weiterentwickelt, sagte er und gab Einblicke in den Traineralltag. "Es ist sehr komplex, du musst viele Bereiche auch einfach bedienen. Die Medienarbeit hat jetzt auch einen sehr großen Raum eingenommen. Trotzdem darf man die Kernarbeit nicht außer Acht lassen und das ist nun mal die Arbeit mit der Mannschaft."
    "Du bist kein Team, nur weil du dich immer in der Kabine triffst. Du bist ein Team, weil du dir gegenseitig mit Respekt begegnest", schilderte Nouri die Arbeit mit seiner Mannschaft. "Das sind gewisse Werte und Dinge, die wir vorleben." Am Ende sei auch eine gewisse Transparenz und Kommunikation wichtig, damit jeder Spieler wisse, woran er sei.
    Aufgeklärte Spieler, Informationen filtern
    "Die Spieler sind heutzutage deutlich aufgeklärter. Natürlich ist um einen Spieler herum ein Umfeld, was auch einen großen Einfluss auf einen Spieler ausübt. Ob Berater, Trainer, einige haben noch einen persönlichen Mentaltrainer."
    Es sei heutzutage aufgrund der vielen technischen Möglichkeiten vor allem wichtig, die Informationen für die Spieler zu filtern. "Man kann sich dem gar nicht entziehen. Jeder hat jetzt ein Smartphone, jeder hat ein iPad. Jeder möchte auch diese Informationen haben. Aber am Ende ist für mich wichtig, welchen Mehrwert haben die verschiedensten Dinge, was kommt am Ende beim Spieler an, wovon profitiert der Spieler? Da musst du wirklich die richtige Balance finden".
    Bremens Problem mit den Gegentoren
    Auch in der vergangenen Saison stellte Werder Bremen mit 64 Gegentoren erneut die schwächste Defensive der Liga. Ein Manko, dass die Bremer schon seit einigen Jahren mit sich herumschleppen. "Wir haben da in der Vorbereitung ein Hauptaugenmerk gelegt und haben da intensiv dran gearbeitet. Wir sind da auf einem guten Weg", zeigte sich der Coach zuversichtlich, der dafür exemplarisch auch auf das Defensiverhalten seiner Mannschaft in den ersten beiden Pflichtspielen der Saison verwies.
    Die zunehmende Kritik der Fans an der Kommerzialisierung und Eventisierung der Bundesliga kannNouri verstehen, verwies aber auf das "gute Produkt." "Die Bundesliga ist so interessant für viele Märkte. Das Interesse an den sportlichen Leistungen ist einfach riesengroß". Am Ende würden die Vereine davon auch profitieren.
    Der Trainer von Werder Bremen Alexander Nouri (Foto: Revierfoto/Revierfoto/dpa | Verwendung weltweit)
    Werder-Trainer Alexander Nouri muss mit seiner Mannschaft vor allem Gegentore verhindern. (Revierfoto/dpa)
    Werder Bremen war in der Saisonvorbereitung in die Kritik geraten, weil man einen jungen, unbekannten chinesischen Stürmer verpflichtet hatte. Kritiker warfen den Norddeutschen vor, sie seien mit dem Transfer nur darauf aus, in Fernost bekannter zu werden. Aber Nouri sieht keine "Gefahr, dass die Bodenständigkeit und die Werte für die Werder steht, in Gefahr sind."
    "Verein darf sich nicht abhängig von einem Trainer machen"
    In der Sommerpause sorgte Nouri unter anderem für Schlagzeilen, weil er Altstar und Vereinslegende Claudio Pizarro keinen neuen Vertrag anbieten wollte und auch bei seinem beliebten Co-Trainer Florian Bruns keine Vertragsverlängerung befürwortete. Er sei allerdings kein Alleinherrscher, der autoritär regiere. "Es gibt immer ein Entscheidungsgremium, wo man seine Ideen mit Argumenten untermauern muss und danach gemeinsam eine Entscheidung trifft." Nie würde bei Werder jemand alleine Entscheidungen mit großer Tragweite treffen.
    Vielmehr gehe es mit jeder Entscheidung immer darum, "die Mannschaft und den Verein voranzubringen." "Am Ende ist es ja auch so, dass ein Trainer sehr schnell austauschbar ist und ein Verein sich nicht abhängig von einem Trainer machen sollte", sagte Nouri.
    "Werde auch in Zukunft meine Meinung sagen"
    Und auch zu einem weiteren Punkt bezog der Deutsch-Iraner Stellung. Er erklärte seine Haltung und Kritik an der rigiden Einreisepolitik von US-Präsident Trump, der im Januar Bürgern aus sieben überwiegend muslimischen Ländern die Einreise in die USA verweigert hatte. "Das war etwas, was mich persönlich berührt hat. Ich habe sehr viele Verwandte an der Westküste. Es war teilweise so, dass sich einige nicht mehr besuchen konnten und durften. Ich habe das einfach als sehr ungerecht empfunden, warum meine Cousins und Cousinen meine Oma nicht mehr besuchen dürfen."
    So ein Verhalten "hat uns schon mal in eine Sackgasse geführt, das sollte man nicht mehr zulassen." Er werde auch in Zukunft seine Meinung zu gewissen Dingen kundtun, sagte er im Dlf. "Aber ich werde mich nicht zum Politiker aufschwingen, ich bin immer noch Trainer."
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.