Archiv


DNA-Genealogien

Genetik. - In diesem Jahr haben schätzungsweise eine halbe Million Menschen in den USA einen Gentest gekauft, der ihnen darüber Auskunft geben soll, aus welchem Teil der Welt ihre Vorfahren stammen. Oft können die Anbieter nicht das halten, was sich ihre Kunden von den Herkunftsanalysen versprechen. Für die Amerikanische Gesellschaft für Humangenetik war das ein Grund, der Öffentlichkeit Leitlinien für den Umgang mit solchen Test zu präsentieren – auf ihrer Jahrestagung in Philadelphia.

Von Arndt Reuning |
    Vielleicht ist es die Frage nach einer Art von Heimat, vielleicht ist es die Frage nach der eigenen Identität, die so viele Menschen in den USA nach einer Antwort im Erbgut suchen lässt. Das vermutet Charmaine Royal, Professorin an der Duke University in Durham, die das Positionspapier der Amerikanischen Humangenetiker mitverfasst hat.

    "Die Faszination, etwas über die eigene Abstammung zu erfahren, ist bei bestimmten Gruppen der Bevölkerung größer als bei anderen. Ich weiß, dass viele Afro-Amerikaner großes Interesse an ihrer Herkunft haben. Einfach wegen ihrer Geschichte hier in den Vereinigten Staaten. Und weil die Informationen über ihre Vorfahren nicht überliefert worden sind."

    Die Ergebnisse der Analysen können unterschiedlich aussehen: Entweder erhalten die Kunden eine Liste mit%angaben, aus welchen Bevölkerungsgruppen sich ihr Erbgut zusammen setzt. Also zum Beispiel: Zu x Prozent europäisch, zu y Prozent afrikanisch, zu z Prozent asiatisch. Oder die Anbieter versprechen, die Herkunft der Testpersonen auf bestimmte geographische Gebiete zurück verfolgen zu können. Oder ein Verwandtschaftsverhältnis zu berühmten Persönlichkeiten aus der Geschichte nachweisen zu können. Gerade für viele Afroamerikaner kann es für das eigene Selbstverständnis von großer Bedeutung sein, zu erfahren, aus welcher Region ihre Vorfahren einst verschleppt worden sind. Allerdings sollten die Kunden solchen Informationen eher kritisch gegenüber stehen. Royal:

    "Wir können nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass jemand aus einer bestimmten Region stammt oder mit einer ganz bestimmten Person verwandt ist. Wenn wir in der Geschichte nur weit genug zurück gehen, dann sind wir alle miteinander verwandt. Wo soll man da einen Schnitt setzen? Die Stammbäume überlappen an allen möglichen Stellen. Und deshalb können wir nicht einfach sagen: Du kommst aus einer bestimmten Gegend oder stammst von einem bestimmten Menschen ab – oder eben nicht."

    Die Aussagekraft einer Herkunftsanalyse hängt auch davon ab, welche Teile des Erbguts die Anbieterfirmen untersuchen. Das kann zum Beispiel DNA sein, die immer nur über die mütterliche oder ausschließlich über die väterliche Linie vererbt wird. Neuere Testmethoden suchen im gesamten Erbgut nach bestimmten Mustern, welche dann mit Datenbanken abgeglichen werden, die solche Informationen aus mehr oder weniger vielen Bevölkerungsgruppen enthalten, zum Beispiel aus Afrika. Die Größe der Datenbanken beeinflusst die Qualität der Herkunftstests.

    "Die Qualität hat weniger mit den Daten zu tun, die aus solch einem Gentest gewonnen werden – als vielmehr mit der Interpretation dieser Daten. Oder anders: Welche statistischen Methoden verwenden die Anbieter und mit welcher Bevölkerungsgruppe vergleichen sie die Ergebnisse? Denn diese Fragen bei der Klärung der Herkunft hängen stark vom Gesamtzusammenhang ab und variieren von Gruppe zu Gruppe."

    Das sagt der Mediziner Michael Bamshad von der University of Washington in Seattle. Er betont, dass Menschen, die auf der Suche nach ihren Wurzeln sind, sich nicht nur ihren Erbanlagen zuwenden sollen. Bamshad:

    "Die Personen und die Firmen, die Herkunftsanalysen anbieten, sollten andere Experten heranziehen, die zwar auch auf diesem Gebiet arbeiten, aber andere Informationsquellen heranziehen. Zum Beispiel Historiker, Soziologen, Anthropologen. Um einen die Ergebnisse, die sie anbieten, in einen breiteren Zusammenhang stellen und interpretieren zu können."

    Identität ist eben nicht nur eine Frage der Gene, sondern auch eine Frage der Kultur.