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Dobrindt-Reform
Was tun gegen Fahrlehrermangel?

Fahrlehrer ist ein klassischer Quereinsteiger-Beruf – mit Nachwuchs-Problemen. Bundesweit gibt es 25.000 bis 30.000 aktive Fahrlehrer, von denen zurzeit deutlich mehr in den Ruhestand gehen als neue anfangen. Eine von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt angestrebte Reform des Fahrlehrer-Gesetzes soll Abhilfe schaffen.

Von Burkhard Schäfers | 02.03.2017
    Fahrschülerin während einer Fahrprüfung mit dem Fahrlehrer.
    Interessierte sollen künftig schon mit 21 in den Beruf des Fahrlehrers starten dürfen - so steht es im neuen Gesetzentwurf von Verkehrsminister Dobrindt. (imago / Westend61)
    "So, du darfst dir als erstes wieder alles einstellen und wenn du damit fertig bist, sag Bescheid." – "Ok!"
    Letzte Stunde vor der Prüfung für Celina. Am Münchner Ostbahnhof reiht sich die 17-Jährige in den Verkehr ein. Auf dem Beifahrersitz ihre Fahrlehrerin Sandra Kosecki, die genau genommen selbst noch Schülerin ist: Fahrlehrer-Schülerin.

    "Achte einfach bisschen drauf, dass du nicht zu vorsichtig fährst. Da wo es nötig ist schon. Aber da, wo du wirklich schneller fahren kannst, wo du Vorfahrt hast oder beim Fahrstreifenwechsel, dass du da nicht zu langsam wirst. Das wäre so mal noch das Ziel."
    Sandra Kosecki ist 24, sie hat nach dem Abi Kommunikationswissenschaft studiert und macht zurzeit die Ausbildung zur Fahrlehrerin. Inzwischen hat sie fünf Monate Theorie-Kurs hinter sich und gibt selbständig Fahrstunden.
    "Ich find’s toll zu sehen, wie jemand hier im Auto Fortschritte macht. Und auch wenn dann der Tag der Prüfung ansteht und derjenige liefert eine gute Leistung ab. Man sitzt daneben und denkt sich: Wow! Und von den Schülern die Rückmeldung, die dann ihren Schein in der Hand halten, sich freuen, das ist eigentlich eines der größten Dinge."
    Es herrscht Fahrlehrermangel
    Fahrlehrer: Das ist ein klassischer Quereinsteiger-Beruf – mit Nachwuchs-Problemen. Bundesweit gibt es 25.000 bis 30.000 aktive Fahrlehrer, von denen zurzeit deutlich mehr in den Ruhestand gehen als neue anfangen. Das zeigt sich auch im Münchner Verkehrsinstitut von Ausbilder Martin Hunger.
    "Nicht nur in München, sondern auch in anderen Regionen Deutschlands herrscht ein extremer Fahrlehrer-Mangel. Viele Fahrschulen klopfen händeringend an und fragen mich fast täglich, ob ich nicht einen Fahrlehrer für sie hätte, der gerade in Ausbildung ist. Ich muss das aber meistens verneinen. Die Teilnehmer, die zu uns kommen, sind meistens schon vergeben, bevor sie bei uns waren."
    Wer die zehnmonatige Ausbildung machen will, muss mindestens 22 Jahre alt sein und einen Hauptschulabschluss sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung mitbringen. Entgegen mancher Klischees ist es überhaupt kein klassischer Job für Schrauber oder KFZ-Mechatroniker. In den Kursen von Martin Hunger sitzt die Fleischfachverkäuferin neben dem Juristen oder dem Doktor der Theologie.
    "Die meisten denken immer, man muss gern Autofahren. Aber es ist halt was anderes selber zu fahren als jemandem das Autofahren beizubringen. Man sollte ne gewisse Portion Geduld haben, denn nicht jeder Fahrschüler versteht auf Anhieb sofort das, was ich von ihm will. Man hat viel mit unterschiedlichen Menschen zu tun, unterschiedlicher Kultur, unterschiedlicher Interessensgebieten, die man sonst so wahrscheinlich nie kennenlernen würde. Und da bedarf es einer gewissen Offenheit und auch Toleranz – dann macht der Beruf wahnsinnig viel Spaß."
    Dobrindt will Reform des Fahrlehrergesetzes
    Das sehen aber offenbar zu wenig Leute so wie der Fahrlehrer-Ausbilder. Diesem Nachwuchs-Mangel will Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt abhelfen und einen Punkt aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag abarbeiten: Mit einer Reform des Fahrlehrer-Gesetzes. Demnach sollen Interessierte künftig schon mit 21 in den Beruf starten dürfen – ein Jahr früher als bisher. Sie brauchen nicht mehr zwingend den Führerschein für LKW und Motorrad – das spart rund 4.000 Euro. Außerdem sollen umfangreiche Nachweispflichten und andere Vorgaben für Fahrlehrer wegfallen. Stichwort Entbürokratisierung.
    Trotzdem knirschte es in den vergangen Jahren – auf dem Weg zur Reform – heftig zwischen Politik und Fahrlehrer-Lobby. Nun soll die Ausbildung statt bisher zehn Monate künftig ein Jahr dauern. Immer noch deutlich zu wenig, findet Walter Weißmann vom Landesverband Bayerischer Fahrlehrer.
    "Unsere Eingangsforderung war zwei Jahre Fahrlehrerausbildung. Weil es geht ja nicht darum, dass jemand Tennis spielen lernt, sondern es geht darum, dass jemand gesund durch das Kraftfahrleben kommt. Und deshalb in der Fahrausbildung eben auch lernen muss, soziales Verhalten auf den Straßenverkehr zu übertragen."
    Das allein klingt dem Verkehrsminister für seine Gesetzesreform aber wohl etwas zu spröde. Vielleicht deshalb setzt Dobrindt, dessen Haus ja auch für digitale Infrastruktur zuständig ist, zusätzliche Akzente: Fahranfänger müssten auf neue Technologien vorbereitet werden.
    Fahrlehrer ist ein Knochenjob
    "Fahrerassistenzsysteme, autonomes Fahren – das sind ganz wichtige Angelegenheiten, die inhaltlich ja auch jetzt mit aufgenommen werden. Aber eben im pädagogischen Bereich, da hinken wir weit hinter anderen Berufen hinterher."
    Übrigens auch was die Frauenquote angeht: Nicht einmal zehn Prozent der Fahrlehrer sind weiblich. Womöglich liegt es an schlechten Einpark-Witzen oder auch an den Arbeitszeiten: Im Sommer sind 60-Stunden-Wochen keine Seltenheit, verpflichtende Nachtfahrten gehen dann erst nach 22 Uhr. Manche sagen: ein Knochenjob.
    Die angehende Fahrlehrerin Sandra Kosecki hat das nicht abgeschreckt.
    "Ich finde, es gibt nicht wirklich einen Grund, warum man das als Frau nicht machen sollte. Ich mach’s ja auch. Klar, ich hab jetzt hier in der Fahrschule auch hauptsächlich männliche Kollegen, aber ich komm auch mit denen super aus."
    Wenn Kosecki mit der Ausbildung fertig ist, kann sie wie ihre Kollegen monatlich zwischen 2000 und 3000 Euro verdienen. Die Frage ist nur, wie lange noch. Schließlich arbeitet die Industrie mit Hochdruck an selbstfahrenden Autos. Brauchen wir künftig überhaupt noch Fahrlehrer?
    "Ich glaube, auf jeden Fall ja. Weil das Problem ist ja: Wenn die Technik ausfällt – und wir wissen alle, dass das passieren kann – muss ich als Fahrer ja immer noch in der Lage sein, das Auto selber zu fahren. Deswegen, glaube ich, haben wir da in den nächsten Jahren kein Problem – als Fahrlehrer."