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Doch Druckchemikalien in Getränkeverpackungen

Getränkekartons hatten sich in jüngster Zeit einen deutlich besseren Ruf erworben, weil sie leichter als Flaschen sind und mittlerweile auch recht gut recycelt werden können. Als jetzt Meldungen aufkamen, in Getränken seien Spuren der Druckerfarbe gefunden worden, die auf den Kartons verwendet wird, gaben die Behörden recht schnell Entwarnung, weil es sich um ungefährliche Mengen gehandelt haben soll. Diesen Befund hat die Deutsche Umwelthilfe heute in Berlin in Frage gestellt.

Von Victoria Eglau |
    Vor einer Woche hatte die Deutsche Umwelthilfe die Kontamination von zwei Säften, die bei Aldi und Lidl verkauft wurden, mit der Druckchemikalie ITX aufgedeckt. ITX war während des Verpackungsprozesses in den Aldi-Saft "Apfelblüte" und den Lidl-Gemüsesaft "Vitafit" gelangt. Beide Discounter erklärten darauf, die Produkte nicht weiter zu verkaufen. Heute nun veröffentlichte die Umwelthilfe neue Untersuchungsergebnisse. Weitere belastete Frucht- und Gemüsesäfte sind gefunden worden, mit zum Teil noch höheren ITX-Werten. Eva Leonhardt von der Deutschen Umwelthilfe:

    "Die neuen Untersuchungen haben ergeben den Höchstwert an ITX-Belastung bei dem Tomatensaft "Rimi", der ist von "Netto", gekauft hier in Berlin, der Spitzenwert liegt bei 211 Mikrogramm pro Kilogramm Lebensmittel. Als zweites der Tomatensaft "Grünfink", gekauft bei "Norma", 79 Mikrogramm pro Kilogramm. Und als drittes der Multivitamin-Mehrfruchtsaft von Eckes Granini im 0,2 Liter-Pack, der "Fruchttiger", und hier haben wir 97 Mikrogramm ITX pro Kilogramm gefunden. "

    Mit den neuen Ergebnissen, so die Umwelthilfe, erweise sich die Behauptung der Verpackungsindustrie als verfrüht, wegen der inzwischen erfolgten Umstellung auf ITX-freie Produktion sei das Problem weitgehend erledigt. Umwelthilfe-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch meinte, die Industrie wolle wohl die bereits abgefüllten Chargen noch vollständig an den Kunden bringen. Bisher ist wissenschaftlich nicht geklärt, ob die Druckchemikalie ITX gesundheitsschädlich ist. Gerade deswegen schlägt die Deutsche Umwelthilfe Alarm, sie fordert einen vorsorgenden Verbraucherschutz:

    "Wir müssen jetzt erstmal wissen, was für mögliche Gefahren von ITX für die Gesundheit ausgehen, wenn wir Grenzwerte, oder wenn wir überhaupt diesen Stoff in einer Flüssigkeit erlauben. Solange dies nicht bekannt ist, darf ITX einfach in Säften nicht auftauchen. "

    Das Bundesverbraucherschutzministerium hatte in der vergangenen Woche die ITX-Belastung von kartonverpackten Säften zwar als unerwünscht bezeichnet, aber gleichwohl erklärt, die in Aldi- und Lidl-Säften gefundenen Werte stellten kein Gesundheitsrisiko dar. Diese Aussage sei ohne wissenschaftlich fundierte Grundlage, so heute die Umwelthilfe. Viele mögliche Wirkungen, zum Beispiel das Krebsrisiko, seien noch gar nicht untersucht worden. Cornelia Ziehm, Leiterin Verbraucherschutz und Recht:

    "Bislang ist es so, dass nur die Gentoxizität von ITX untersucht worden ist, und aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse kommt das BFR, das Bundesinstitut für Risikobewertung, zu dem Ergebnis, dass wohl von keiner erbgutverändernden Wirkung auszugehen ist. Gleichzeitig sagt das BFR aber, eine vollständige Untersuchung der Gesundheitsunbedenklichkeit liegt eben nicht vor, und deswegen kann auch nicht bewertet werden, ob diese Stoffe, die wir gefunden haben, gesundheitsunschädlich sind oder nicht. Und deswegen brauchen wir eben dringend weitere Untersuchungen. Und genau diese Sätze des BFR lässt das Verbraucherschutzministerium unerwähnt. "
    Es gehe nicht um Panikmache, so die Deutsche Umwelthilfe, aber das Vorsorgeprinzip müsse gelten. Beim Thema Druckchemikalien in Saftverpackungen bestehe eine Regelungslücke, das Problem sei von der Gesetzgebung bisher nicht erfasst. Bundesgeschäftsführer Resch sandte einen dringenden Appell an Verbraucherschutzminister Seehofer, das Thema nicht zu verharmlosen:

    "Wir fordern Verbraucherschutzminister Seehofer dazu auf, bundesweit mit seinen Landeskollegen zusammen die ITX-Belastungen in Frucht- und Gemüsesäften zu untersuchen, und überall dort, wo höhere Kontaminationen bestehen, dies A zu veröffentlichen, dass der Verbraucher weiß, welche Produkte belastet sind, und mit dem Handel eine freiwillige Regelung zu finden, dass diese Produkte aus dem Angebot verschwinden. Wir sehen in der Pressemitteilung des Verbraucherministeriums eine gewisse Nähe zur Industrie, man verweist sehr stark auf Absprachen, auf Konferenzen, auf Besprechungen mit der Industrie. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn Herr Seehofer sich etwas stärker mit den Verbrauchern beschäftigen würde. "