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Döring sieht keinen Führungsstreit bei den Liberalen

Stefan Heinlein: Die Feiertage sind vorbei, die Innenpolitik hat uns wieder. In politischen Trainingslagern, genannt Klausurtagungen, rüsten sich die Parteien in dieser Woche für das Superwahljahr 2004. Den Auftakt machen heute die Liberalen mit ihrem traditionellen Dreikönigs-Treffen in Stuttgart. Die FDP hatte es schwer in den vergangenen Wochen. Im Vermittlungsausschuss wurde sie von den Volksparteien locker an die Wand gespielt, die liberale Stimme im Reformstreit wurde kaum wahrgenommen. Um so lauter rührt deshalb Parteichef Westerwelle jetzt die Werbetrommel. Die FDP müsse sich als die eigentliche deutsche Reformpartei profilieren, so sein Credo. Doch nicht alle stimmen ein in diesen Chor, parteiintern gibt es lautstarke Kritik. Wolfgang Kubicki aus dem Norden und Walter Döring aus dem Süden legten nach und kritisierten erneut ihren Parteichef. In Stuttgart könnte es also krachen und mit dem Hausherren des Dreikönigs-Treffens, dem FDP-Vizechef Walter Döring, sind wir jetzt am Telefon verbunden, guten Morgen.

    Walter Döring: Hallo, guten Morgen.

    Heinlein: Herr Döring, die FDP will auf ihrem Dreikönigs-Treffen neu erstrahlen, warum nehmen Sie vorab Ihrem Parteichef an Glanz?

    Döring: Ich nehme ihm überhaupt nicht an Glanz, sondern ich mache deutlich, dass wir gemeinsam eher auf Bundesebene wie auf Landesländerebene intensiv darum kämpfen müssen, dass wir wieder ein besseres Erscheinungsbild haben, dass wir inhaltlich klar rüberkommen. Das ist überhaupt kein Vorwurf an Westerwelle, sondern da nehme ich uns alle, mich eingeschlossen, in die Pflicht.

    Heinlein: Warum kam denn die FDP so schlecht rüber?

    Döring: Ja, lag ja auch an Ihnen, also an den Medien. Ich meine, wenn die beiden großen Elefanten einen Wettlauf machen, dann haben die kleinen immer ein bisschen Schwierigkeiten. Mich wundert, dass man sagt, warum kam die FDP schlecht rüber in der ganzen Auseinandersetzung. Im Vermittlungsausschuss ist von den Grünen zum Beispiel nicht ein einziger Reformvorschlag gekommen. Das ist offensichtlich ja den Medien keine Beachtung wert, aber was soll es. Keine Medienschelte, sondern, ich sage es ganz offen, wer nicht sichtbar wird, ist selber schuld. Wir werden heute, wir werden morgen sehr sichtbar werden und wir werden deutlich machen, wir sind diejenigen, die für Reformen stehen und die die auch voran bringen.

    Heinlein: Welche Möglichkeiten hätte denn Westerwelle gehabt, in der Reformdebatte seine Partei, die FDP, stärker zu profilieren?

    Döring: Es wird Ihnen nicht gelingen, mir mit der Wechselfrage irgendeine Kritik am Bundesvorsitzenden zu entlocken. Außerdem mache ich grundsätzlich keinen Blick zurück, ich mache den Blick nach vorne. Wir haben jetzt Dreikönig, heute und morgen. Wir werden uns als Reformpartei präsentieren, Westerwelle und die Partei im Schulterschluss.

    Heinlein: Dennoch, Herr Döring, Guido Westerwelle hat heute in einer großen Boulevardzeitung angekündigt, er wolle mit Ihnen am Rande des Dreikönigs-Treffens ein klärendes Gespräch führen. Sind Sie sehr gespannt, was er Ihnen zu sagen hat?

    Döring: Es gibt für mich überhaupt keine Notwendigkeit für ein klärendes Gespräch. Wir sind im Oktober, wie ich meine, zu Recht und erfreulicherweise auch sehr deutlich aneinander gerasselt, da war es notwendig. Wir haben seither einen engen Schulterschluss. Ich sehe überhaupt keine Notwendigkeit für ein klärendes Gespräch, aber ich stehe für Gespräche immer zur Verfügung.

    Heinlein: Aber das ist doch das Problem der FDP, dass man weniger über die Inhalte redet als über diese Personaldebatte und die haben Sie und Guido Westerwelle ja letztendlich in den letzten Tagen wieder angeheizt.

    Döring: Nein, ich habe überhaupt keine Personaldebatte angeheizt, sondern ich habe deutlich gemacht, was ich inhaltlich will und ich habe dem Bundesvorsitzenden empfohlen, einmal weniger aufgeregt zu sein. Er sitzt so was von fest im Sattel, da gibt es gar keine Notwendigkeit für Aufgeregtheiten.

    Heinlein: Was haben Sie denn damit gemeint, er sei zu aufgeregt und zu empfindlich und müsse ruhiger und gelassener werden?

    Döring: Ja, das war ja im Oktober, als wir da einen Auseinandersetzung hatten, die mir einfach notwendig erschien, dass wir wieder mehr sichtbar werden. Seitdem sind wir sichtbarer geworden. Der Oppositionsreformgipfel mit Merkel, Stoiber, Westerwelle war von mir angeregt, von Westerwelle umgesetzt, das war schon einmal gut. Im Vermittlungsausschuss hat er eine ordentliche Rolle gespielt. Also von daher, wie gesagt, im Oktober, das war notwendig, aber für mich ist das auch vorbei und im aktuellen Stadium gibt es überhaupt nichts, wo es eine Auseinandersetzung gibt oder wo wir reinigende oder klärende Gespräche bräuchten.

    Heinlein: Gibt es denn grundsätzlich Bedarf für einen Strategiewechsel der Liberalen? Muss man sich verabschieden von der Illusion, als Volkspartei neben den beiden großen dazustehen?

    Döring: Wir sind mit Sicherheit eine Partei, die von allen gewählt werden kann, so verstanden ist das sicher richtig. Wir sind die Partei, die von allen im Volk gewählt werden kann. Wir sind keine große Volkspartei, das weiß jeder.

    Heinlein: Muss die FDP sich wieder stärker auf ihre Stammwählerschaft konzentrieren und ein entsprechendes Profil dann auch entwickeln?

    Döring: Die FDP muss im positiven Sinne radikaler werden, dann wird sie auch deutlicher gehört werden bei der Steuerreform, bei der Steuerstrukturreform, die wir anstreben mit den drei Sätzen 15, 25, 35, bei der klaren Aussage, dass dann ein tabuloser Subventionsabbau erfolgen muss. Das hat nichts mit Klientelpolitik zu tun, sondern das hat mit Klarheit in der Aussage, mit klarer inhaltlicher Positionierung zu tun. Genau das werden wir jetzt an Dreikönig machen.

    Heinlein: Also die FDP wieder als die Partei der Marktwirtschaft und dieses Image, dieses Profil wurde in der Vergangenheit vernachlässigt?

    Döring: Ich will nicht sagen, dass es vernachlässigt worden ist, aber ich sage deutlich, dass ich sehr großen Wert darauf lege und dass wir das auch jetzt über die zwei Tage machen werden, dass wir die Partei der freien Marktwirtschaft sind, dass wir die Partei sind, die dafür sorgt, dass Deutschland mit Reformen vorankommt.

    Heinlein: Diese stärkere Profilierung, Herr Döring, ist ja dringend notwendig, denn fünf Landtagswahlen stehen in diesem Jahr ins Haus, von Hamburg bis Sachsen. Dort müssen Sie überall um den Einzug zittern in die Parlamente. Droht der FDP die politische Bedeutungslosigkeit in den Ländern?

    Döring: Nein, das wäre ja ein Aufgeben von Zielen und von Erfolgen. Wir haben jetzt die Chance, dass wir uns so positionieren, dass wir die Parlamente erreichen. Das ist ein hartes, das ist ein anstrengendes Wahlkampfjahr, aber wir werden zum Beispiel auch all denen widersprechen, die sagen, dass man bei so einem Jahr mit so vielen Wahlen mit Reformen nicht voran kommt. Ganz im Gegenteil: wir werden bei jeder Wahl unser Steuersenkungsmodell zur Abstimmung stellen, wir werden die Reformen zur Abstimmung stellen, wir werden es zum Schwur kommen lassen. Schröder und Merkel sagen, sie wollen eine Steuerreform, sie wollen eine Senkung auf diese drei Sätze, da werden wir es zum Schwur kommen lassen, deswegen, diese Wahlen werden uns beflügeln.

    Heinlein: Dennoch einzig bei der Bundespräsidentenwahl im Mai kann die FDP ihre Lieblingsrolle als Zünglein an der Waage übernehmen. Wie wichtig ist denn diese Wahl für Ihre Partei, für das Image der Liberalen?

    Döring: Ja, die Wahl ist natürlich wichtig, aber wir sind da ohne Hektik. Jeder weiß, dass man die FDP braucht. Man braucht sie übrigens auch in den Ländern, in denen sie Regierungsmitverantwortung trägt, man braucht sie auch in Berlin als Reformmotor aus der Opposition heraus. Die Bundespräsidentenwahl ist eine Etappe in diesem Jahr.

    Heinlein: Ihr Parteichef Guido Westerwelle und viele der Liberalen wollen ja in jedem Fall einen eigenen Kandidaten in das Rennen schicken. Ist das aus Ihrer Sicht die richtige Strategie?

    Döring: Wir müssen uns und werden uns ganz selbstverständlich die Option auf einen eigenen Kandidaten offen halten. Der Herr Koch bestimmt nicht darüber, ob wir einen eigenen Kandidaten benennen oder nicht.

    Heinlein: Aber mit einem überzeugenden personellen Angebot für das Präsidentenamt konnten die Liberalen bisher noch nicht aufwarten?

    Döring: Ja, wir sind meiner Meinung nach jederzeit in der Lage, einen zu benennen, den man präsentieren kann gegenüber allen bisher Genannten, aber das werden wir zu dem Zeitpunkt machen, zu dem es ansteht.

    Heinlein: Wann steht dieser Zeitpunkt an?

    Döring: Ich hoffe bald.

    Heinlein: Also vielleicht auch schon in den kommenden zwei Tagen?

    Döring: Das glaube ich nicht.

    Heinlein: Nennen Sie mir doch drei Namen, die für die Liberalen in Frage kommen.

    Döring: Nein.

    Heinlein: Nicht einmal einen?

    Döring: Nein.

    Heinlein: Hand aufs Herz, Herr Döring, aber letztendlich werden Sie doch den Kandidaten der Union wählen, schon aus parteitaktischen Gründen?

    Döring: Die Taktik kann ich jetzt nicht erkennen, die Sie dahinter vermuten, deswegen sage ich noch einmal, für mich ist es überhaupt gar keine Frage, dass wir an der Option eines eigenständigen Kadidaten festhalten.

    Heinlein: Aber Guido Westerwelle hat bereits angekündigt, es werde zwei Treffen mit der Union in den kommenden Wochen geben, um über die Kandidatenfrage zu reden.

    Döring: Ja, man muss sich abstimmen, das ist doch klar.

    Heinlein: Vielleicht auch auf Wolfgang Schäuble, denn dort geht es ja in die Richtung Wolfgang Schäuble, bei der Union. Ist das für Sie ein geeigneter Bundespräsident?

    Döring: Ich werde mich zu den Namen nicht äußern. Ich habe gerade eben gesagt, dass alle diese Genannten so sind, dass die FDP immer noch klar sagen kann, da können wir mithalten.

    Heinlein: Und eine Frage noch, der Kanzler hat erklärt, er wolle eine Frau, vielleicht auch von der Union, unterstützen. Ist die FDP auch offen für diese Alternative?

    Döring: Wir werden jetzt die Bundespräsidentenfrage hier nicht entscheiden.

    Heinlein: Heute morgen hier im Deutschlandfunk war das der FDP-Vizechef Walter Döring. Herr Döring, vielen Dank und auf Wiederhören.

    Döring: Ihnen auch, ciao.