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Doktor pecuniae causa

Politiker, Publizisten, Vorstandsvorsitzende oder Lobbyisten schmücken sich gerne mit dem Doktortitel. Längst ist er Teil einer Ökonomie der Reputation und der Macht. Der Doktor pecuniae causa, der Titel des Geldes wegen, könnte Abhilfe schaffen.

Von Hans-Joachim Lenger |
    Wer einen akademischen Doktortitel erwirbt, legt nicht nur eine universitäre Prüfung ab. Mehr noch tritt er in einen geradezu auratisch umkränzten Raum ein. Er wird zum Abkömmling jener antiken akademía, die Platon einst im mythischen Hain des athenischen Heroen Akádemos gegründet hatte. So zumindest will es die Legende. Und die ist noch heute viel wert. Wer promoviert hat, genießt Vorteile bei Bewerbungsgesprächen und Gehaltseinstufungen; er ist eben nicht "irgendwer", sondern Herr und Frau Doktor. Vor allem aber: Was immer er sagen, welche Trivialität oder Dummheit er von nun an auch von sich geben mag - stets scheint es, als erklänge sein Wort im Raum eines Wissens, das Eingeweihten vorbehalten ist: den "Promovierten" eben, den "doctores".

    Man mag sich die Begehrlichkeiten also durchaus erklären, mit denen diesem Doktortitel allenthalben nachgestellt wird. Er ist ein symbolisches Kapital. Politiker, Publizisten, Vorstandsvorsitzende oder Lobbyisten schmücken sich mit dem Titel, denn längst ist er Teil einer Ökonomie der Reputation und der Macht, die sie stillschweigend genießen. Wer fragt schon danach, wie die Aura des Namens zustande kam? Oder wen interessiert wirklich, ob Wolfgang Schäubles Dissertation zur "berufsrechtlichen Stellung der Wirtschaftsprüfer in Wirtschaftsprüfgesellschaften", Peter Strucks "Beitrag zur Persönlichkeit des Alkoholtäters" oder Edmund Stoibers "Hausfriedensbruch im Lichte aktueller Probleme" tatsächlich zum eisernen Bestand abendländischen Wissens beitrugen?

    Der Doktortitel wurde längst zum Teil einer Ökonomie der Reputation, mehr noch: der Macht, und ihn zu erwerben zu einer Investition, die sich bezahlt machen soll. Wenn die Universitäten und Hochschulen also jetzt damit beginnen, ihre Lehren aus der Causa Guttenberg zu ziehen, dann sollte - gerade in neoliberalen Zeiten - diese Ökonomie des Titels eine nicht geringe Rolle spielen. Was nämlich spräche dagegen, die Gesetze der Ökonomie tatsächlich zum Zug kommen zu lassen und einen Doktor pecuniae causa, also "des Geldes wegen", einzuführen? Käuflich, wie er wäre, stünde der "Dr. p.c." einschlägigen Kreisen jederzeit zu Marktpreisen zur Verfügung. Sollten inflationäre Tendenzen drohen, könnte das Angebot auch kontingentiert und an Meistbietende versteigert werden.

    Das klingt wie Satire, ist es aber nicht. Unterfinanziert und durchreformiert, wie sie sind, geht es an Universitäten und Hochschulen immer weniger darum, ein Wissen zu mehren, das seinerseits Wissen mehrt. Es geht um Absolventenzahlen und deren ökonomischen Nutzen. Vom Mythos des Doktortitels, von der Aura des platonischen Hains aber will man jedoch umso weniger lassen. Im Gegenteil, man zapft ihn an wie die Quelle eines Mehrwerts, der dem geschäftigen Betrieb eine Art Aureole verleiht. Der Doktor pecuniae causa, der Titel des Geldes wegen, könnte hier Abhilfe schaffen. Er würde offenkundige Begehrlichkeiten befriedigen. Zugleich aber dürfte er jene, die sich an den Universitäten noch immer dem Wissen widmen, von ökonomischen Zwängen entlasten. Denn auch, wenn es auf dem Markt der Eitelkeiten und Reputationen in Vergessenheit zu geraten droht: Es gibt noch jenes rätselhafte Eros des Wissens, das nicht den Regeln der Ökonomie und Macht, sondern den eigenen folgt. Mögen die akademischen Titel deshalb in Zukunft auch verkauft werden, pecuniae causa - man würde wenigstens jene in Ruhe lassen, ihnen Raum geben, denen es um anderes noch geht.

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