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Doktorhut wieder "in"

Nachdem die Doktorkleidung seit der Studentenbewegung in den 60er Jahren von vielen deutschen Hochschulabsolventen abgelehnt wurde, ist der Doktorhut jetzt wieder in Mode gekommen - auch wenn er für die bevorstehende Abschlussfeier zumeist nur gemietet wird. Aber man kann ihn auch kaufen: zum Beispiel im traditionellen Hutgeschäft.

Von Svenja Üing |
    Wer die Tür zum Kölner Hutgeschäft "Gronau" öffnet, betritt eine eigene kleine Welt. In den Regalen an den Wänden stapeln sich hunderte Damen- und Herrenhüte in allen Farben, Formen und Materialien. Im hinteren Teil des schmalen Ladenlokals führt eine Treppe in den Keller: Die Hutwerkstatt ist das Reich von Alois Gronau:

    "Das ist jetzt eine Einlage für einen Hut. Und zwar, wenn ein Hut zu groß ist, und wir machen den etwas enger, dann kommt diese Schaumeinlage ´rein, und dann ist der Hut enger. Und damit die auch richtig sitzt, werden die Kanten vernäht."

    "Das ist die erste Naht. Und jetzt wird das noch versäubert."

    Hutmachermeister Alois Gronau näht gerade das Schaumstoff-Innenfutter für einen klassischen Herren-Filzhut. Seit 40 Jahren fertigen er und seine Frau Martha gemeinsam Hüte in Handarbeit:

    "Das sitzt dann richtig bequem. Und darauf kommt’s ja an: Ein Hut muss ja so bequem sein, dass man ihn aufsetzt und sagt: Oh, das ist prima! Den nehme ich!"

    Das Paar ist auf Filz- und Sisal-Hüte spezialisiert. Doch auch wer für den Freund, die Schwester oder einen Kommilitonen einen Doktorhut kaufen möchte, wird fündig. Martha Gronau packt vorsichtig einen aus: Größe 59, aus schwarzer, glänzender Baumwolle, und mit der obligatorischen Quaste am quadratischen Aufsatz. Sie erklärt, dass der Doktorhut zu den so genannten Schnitthüten zählt:

    "Ein Schnitthut ist ähnlich wie in der Schneiderei: Man arbeitet den Hut nicht aus formbarem Material, sondern aus Stoff. Der Stoff liegt als Meterware. Man macht jetzt dieses Quadrat sozusagen aus Pappe als Schnitt, und legt es auf den Stoff. Und muss dann natürlich zugeben für Untendrunter, so dass man es einschlagen kann. Und in dem Fall ist das ein Schnitthut."

    Die Meterware für Schnitthüte muss in ganzen Stoffballen eingekauft werden. Für die Gronaus wurde das mit der Zeit zu teuer. Deshalb lassen sie die fertigen Doktorhüte heute auf Bestellung anliefern. Rund 120 Euro zahlen ihre Kunden dafür, denn die preiswerte Karnevalsvariante sieht den meisten nicht traditionell genug aus, sagt Martha Gronau.

    Die Tradition der Gelehrtenkleidung, und damit auch des Doktorhuts, reicht weit zurück. Jahrhunderte lang war die Gelehrtenkleidung identisch mit der Kleidung der Priester. Erst Martin Luther und seine Zeitgenossen wandten sich bewusst davon ab. Als äußerliches Zeichen ihrer Kritik an den bestehenden kirchlichen Strukturen, orientierten sich die Reformatoren an der Mode des weltlichen Baretts und der Schaube, dem mittelalterlichen Mantel.

    300 Jahre später erfährt ihr Kleidungsstil eine Umdeutung, weiß Volkskundlerin und Kleidungsforscherin Dr. Gitta Böth vom Freilichtmuseum in Hagen:

    "”Im 19. Jahrhundert hat man ganz gezielt Doktorkleidung - oder Professorenkleidung muss man eigentlich mehr sagen - wieder eingeführt. Mit Rückgriff auf die Lutherkleidung, um sich eine Amtskleidung zu geben. Der preußische König hat in den 40er Jahren per "ordre" den preußischen Universitäten diese Kleidung verordnet.""

    Nachdem die Studentenbewegung der 1960er den "Muff von 1000 Jahren unter den Talaren" kritisierte, ist der Doktorhut inzwischen an einigen deutschen Unis wieder "en vogue" - als identitätsstiftendes Symbol, sagen seine Befürworter an der Universität in Bonn.

    Die Bindung an die Uni also über die einheitliche Kleidung am Abschlusstag - und die wird in großer Stückzahl für den Tag gemietet. Käuflich erwerben tun den Hut nach wie vor nur wenige. Bei "Hut Gronau" geht im Jahr ein halbes Dutzend über den Ladentisch - meistens übrigens für junge Männer:

    "Es ist seltener für Frauen, das muss ich jetzt sagen. Es ist erheblich seltener."
    Doch trotz des scheinbaren Revivals des Doktorhuts, jetzt für die Studierenden und weniger die Lehrenden, bleibt er bis heute politisch umstritten:

    "Für mich ist das als Volkskundlerin natürlich sehr interessant. Ich selbst hätte es wahrscheinlich nicht gemacht, sondern hätte mir meine Urkunde - wie das noch in den letzten Jahren war - per Post zuschicken lassen. In Abgrenzung von einer rückgerichteten Kleidungsweise."

    Wer sich trotzdem von den angloamerikanischen Kommilitonen anstecken lässt und einen Doktorhut kauft, sollte eines jedoch nicht tun, sagt Martha Gronau: ihn in die Waschmaschine stecken.

    "Wenn, dann vielleicht mit Waschbenzin von innen, aber das wird ja kaum nötig sein, denn der Hut wird ja nicht viel getragen hinterher."