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Doku über Renzo Piano: "Architekt des Lichts"
Alte Männer unter sich

Ein durchschnittener Schiffsrumpf thront über der Promenade von Santander: Architekt Renzo Piano hat für die spanische Stadt ein Kulturzentrum entworfen. Ein Dokumentarfilm erzählt jetzt die Baugeschichte - er zeigt schöne Bilder, bleibt im Ton aber allzu versöhnlich.

Von Marietta Schwarz | 02.04.2019
Das "Centro Botín" im spanischen Santander
Das "Centro Botín" im spanischen Santander im Film von Carlos Saura (mindjazz pictures / Stéphane Aboudaram)
Schwarze Leinwand. 5. Symphonie von Mahler. Eine Kamera fährt zwischen zwei Gebäudeteilen hindurch direkt aufs Meer. So beginnen Heldenepen oder große Dramen von deren Untergang. Vom Architekten dieses Gebäudes aber wissen wir, dass er noch lebt. Und seine erste Botschaft im Film ist auch weniger dramatisch denn poetisch:
"Es gab schon immer diese Idee, dass die Technik und die Poesie Hand in Hand gehen. Ein Gebäude, das die Zeit überdauern soll, muss also eine technisch fortschrittliche Konstruktion sein. Aber besonders wichtig ist es, Orte zu schaffen, wo Menschen sich begegnen können und ihr Zusammenleben zelebrieren können."
Pianos Kulturzentrum war von Beginn an umstritten
Einen solchen Ort hat Renzo Piano im spanischen Santander geschaffen. Die Assoziation zur gleichnamigen Großbank trifft übrigens ins Schwarze, denn deren Chef Emilio Botin initiierte und bezahlte das Projekt. Piano baute ihm im Hafen von Santander ein aufsehenerregendes Kulturzentrum, und zwar direkt ans Wasser. Carlos Saura als Regisseur des Films war offenbar frühzeitig eingebunden. Er fängt nicht nur schöne Architekturbilder ein, sondern lässt auch Projektleiter und Kritiker zu Wort kommen. Umstritten nämlich war das "Centro Botin" von Anfang an:
"Dieses Ufer ist das Herz der Stadt. Die Aussicht ist frei. Jetzt entsteht ein Gebäude, das diese Kontinuität radikal aufbricht und so das Herz der Stadt verletzt."
Auf dem Bild sieht man den Architekten Renzo Piano mit einem Mann in Schutzhelm auf der Baustelle. Sie schauen gemeinsam auf Pläne.
Architekt Renzo Piano bei der Arbeit am "Centro Botín". (Copyright: mindjazz pictures)
Natürlich stellt Pianos Entwurf einen Bruch mit der Umgebung dar: Wie ein durchschnittener Schiffsrumpf schwebt das Gebäude über der Promenade. Man sieht Computersimulationen und einen schwadronierenden Architekten. Der Konflikt "privater Finanzier bebaut attraktiven öffentlichen Raum" löst sich in Luft auf, in lauter versöhnliche Töne. Auf welche Reise, fragt man sich, will uns der Regisseur jetzt noch mitnehmen?
Carlos Saura ist ja nicht irgendwer, wurde mit seinen kritischen Filmen über das Franco-Regime schon in den 60er Jahren zu internationalen Festivals eingeladen; seine Carmen-Verfilmung 1983 war sogar Oscar-nominiert. Und Renzo Pianos Schaffen weltweit bietet doch mehr als Einlassungen über das Licht und den "Genius Loci". "Der Architekt und das Licht" wirkt wenig ambitioniert. Es ist ein Film eines alten Mannes über alte Männer, die sich als die letzten ihrer Art begreifen. Saura ist Jahrgang 1932, wie der Bauherr, der im Laufe des Films auch stirbt, Piano unwesentlich jünger. Und sie fragen sich: Was bleibt von uns?
"Eines deiner Fotos hat länger Bestand als meine Architektur. Du fängst den Moment ein, und er wird ewig. Darum glaube ich, dass dein Beruf, die Fotografie, nachhaltiger ist. Ich war immer neidisch auf die Fotografie, weil sie den Moment einfängt und zeitlos ist."
Auf dem Bild schaut man nach oben auf die Fußsohlen von vielen Menschen, die auf einem Glasboden stehen.
Füße von Besuchern - Szene aus dem Dokumentarfilm "Architekt des Lichts" (Copyright: mindjazz pictures )
Inzwischen steht die Stahlstruktur des Kulturzentrums. Renzo Piano hat mit seinem technoiden Neubau auch die Traditionalisten beschwichtigen können: Das Gebäude soll den Blick aufs Meer nicht versperren, deshalb schwebt es auf filigranen Stützen. Man kann unter dem Kulturzentrum auf das Meer zulaufen, der Straßenverkehr wurde unter die Erde verbannt, ein Park angelegt.
"Architektonische Schönheit kann die Welt retten"
"Bei diesem Projekt haben wir sofort verstanden, dass es auf das Meer zuschießen muss, auf das Licht zuschießen muss. Weil man in die Bucht blickt, ins Licht. Das ist das Allerschönste. Auch, dass das Gebäude angehoben werden muss, so dass jeder das Meer sehen kann."
Etwas später werden wir Zeugen, wie die Fassade angebracht wird - über 300.000 weiße Keramikfliesen wurden extra angefertigt. Das Noppenmuster hat etwas von einer altmodischen Bademütze, um im Bild zu bleiben. Die Fassade glänzt, und sie reflektiert Wasser und Licht. Am Ende, sagt Renzo Piano zu Carlos Saura, komme es aber darauf an, wie die Architektur sich in den Augen der Betrachter spiegele. Auf ihr Strahlen.
"Wir sind Perlentaucher", sagt er: "Das ist ein Beruf, der vom Aussterben bedroht ist. Aber ich bin überzeugt, dass diese Art von Schönheit die Welt retten kann."