Archiv

Dokumentation "Watermark"
Eine Geschichte über die Essenz des Lebens

In manchen Regionen der Welt herrscht ein Überfluss, andere haben zu wenig. Die Rede ist vom Wasser, unserem Hauptnahrungsmittel. In ihrem Film "Watermark" erforschen Jennifer Baichwal und Edward Burtynsky das Wasser auf unserem Planeten in allen erdenklichen Varianten - ökologisch, kulturhistorisch und ökonomisch.

Von Hartwig Tegeler |
    Wassertropfen schlagen auf einer Wasseroberfläche ein.
    Wir nehmen Wasser als selbstverständlich hin. In anderen Teilen der Welt herrscht aber Mangel. (picture alliance / Universität Jena)
    Wasser - Leben. Dass Wasser Leben ist, das wird in "Watermark", dieser Meditation über das Wasser auf unserem Planeten, in unserem Leben, immer wieder zu einem eindringlichen Bild. Filmbild und gleichzeitig Metapher. Und zwar immer dann, wenn die Kamera aus der Vogelperspektive erhebt. Wasserlandschaften zeigt. Diese Landschaften wirken dann wie lebendige Körper. Oder auch wie apokalyptische Szenarien. Je nachdem.
    Gigantische Massen, wenn das braune Wasser unter ohrenbetäubenden Lärm aus den Schleusen des Xialangdi-Staudamms in China schießt. Die Anfangsszene von "Watermark". Die Kamera bewegungslos, zeigt diese unfassbare, übermächtige, nicht zu bändigende Gewalt und Macht. Faszinierendes Wasser, alptraumhaftes Wasser. Dieses Element, aus dem wir zum großen Teil bestehen, das rund zwei Drittel des Globus bedeckt.
    "Als ich mich zum ersten Mal mit Wasser befasste, dachte ich vor allem darüber nach", meint der Fotograf und Filmemacher Edward Burtynsky, der zusammen mit Jennifer Baichwal gedreht hat. "Ich dachte darüber nach, wie Wasser uns formt und wie wir Wasser formen. Am Staudamm in China oder am Colorado River, der einst in den Golf von Kalifornien mündet. Heute ist Kilometer vorher kein Wasser mehr zu sehen, nur Wüste."
    Zehn Länder, 20 Orte
    Von der Schönheit es Flusses redet die Indianerin, die am ausgedörrten Colorado River steht, der Schönheit, die vergangen ist, als der Fluss noch voll war, noch viele Fische in ihm lebten. "Doch jetzt ist er ausgetrocknet", sagt die alte, schmächtige Frau. "Und wir mussten weg." Die Fische starben. Dann zeigt "Watermark" als Symbol für den Zustand dieser vergangenen Wasserlandschaft ein ehemaliges Fischerboot aus Stahl, verbeult, an der einen Seite aufgerissen. Jetzt liegt es in der Weite dessen, was einmal Flussbett war und nun Wüste ist.
    Zehn Länder, 20 Orte auf dem Planeten, an denen der Menschen in den Wasserkreislauf eingreift, ihn verändert. Wasser ausbeutet. Wir sehen in "Watermark" Bauarbeiten am größten Staudamm der Welt in China, wir sehen die Hindus beim rituellen Bad im Ganges während des indischen Kumbh-Mela-Festes. Oder den chinesischen Bauern, der an den Reis-Terrassen sitzt und den Weg des Wassers beschreibt, das aus den Wäldern kommt, sich flussaufwärts in viele verschiedene Ströme teilt und auf die Felder jeder Familie fließt. "Wir verwenden einen aus Holz geschnitzten Damm, um das Wasser zu jeder Familie zu leiten", sagt der Mann. Wasserlandschaften.
    "Watermark" ist formal ein Dokumentarfilm, der aber das Dokumentarische hinter sich lässt, indem er Bilder für H2O findet, die Schönheit abbilden, genauso aber den Horror der Zerstörung des Wassers, seiner Verschwendung, Ausbeutung und Verschmutzung.
    Schönheit und die Ästhetik des Schreckens
    Dafür steht der Besuch in einer Gerberei in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesh, wo stinkende Abwasserkanäle durch die Stadt fließen. Dieses Grauen wirkt so apokalyptisch wie die Bilder, die der kürzlich verstorbene Filmemacher Michael Glawogger in seinem dokumentarischen Meisterwerk "Workingman's Death" vom Freilucht-Schlachthof in Nigeria gefunden hat.
    Schönheit und die Ästhetik des Schreckens verbinden sich auch in "Watermark", dem Film über Wasser. Das muss so sein. So ist die Sehnsucht nach Wasser, sagt Filmemacher Edward Burtynsky, ist dem Menschen in die DNS eingeschrieben. Eben. In all ihrer Widersprüchlichkeit.
    "Ohne Wasser kein Leben, ohne Wasser wäre die Erde wie der Mars", sagt Fotograf und "Watermark"-Regisseur Burtynsky. "Was ist wichtiger für unsere Zivilisation als Öl? Wasser, die Essenz des Lebens. Wenn es kein Öl mehr gibt, haben wir andere Wahlmöglichkeiten, regenerative Energien. Aber bei Wasser ist es anders. Entweder ist Wasser da oder nicht. Und wenn es nicht da ist, gibt es kein Leben. Und diese Verbindung mit der Natur, auch die zum Wasser, vergessen wir häufig, vor allem, wenn wir in der Stadt leben."
    "Wenn diese Grundlagen gefährden, gefährden wir unsere Existenz", sagt Burtynsky, bekannt für seine hochauflösenden Fotos, die die Folgen des menschlichen Wirkens auf die Natur dokumentieren. Mit "Watermark", Burtynskys und Jennifer Baichwals Film, sehen wir eine Kultur- und damit Naturbeherrschungsgeschichte über das Wasser, eine mythische Geschichte, die märchenhaft, dramatisch, schockierend ist und von einer unglaublichen Schönheit.