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Dokumentiertes Reh und Wildschwein

An den Feiertagen stehen traditionell besondere Fleischgerichte hoch im Kurs. In diesem Jahr ist das Wildfleisch begehrt wie selten, was mit den Skandalen rund um das so genannte Gammelfleisch und die Geflügelpest zu tun hat. Ein Betrieb in Hessen wird in diesen Tagen erstmals europaweit ein neues EU-geprüftes Gütesiegel für sein Wild erhalten.

Von Ludger Fittkau |
    Ein sechzig Kilo schweres Wildschwein wird im Forsthaus Hanau-Wolfgang auf den Haken gespießt und in die Kühlkammer gewuchtet. Forstamtsleiter Dr. Dieter Müller legt persönlich Hand an, um das Tier fachgerecht abzuhängen. Mit vier Wildschweinen und einigen Rehen ist das Team des Forstamtes gerade von einer erfolgreichen Jagd zurückgekehrt. Dieter Müller erklärt, warum schon die Form der Jagd dazu beiträgt, dass das Wildfleisch aus seinem Revier demnächst europaweit zum ersten Mal ein Gütesiegel tragen wird:

    "Das wir nur gut geschossenes Wild verwerten, das wir das Wild nach der Jagd hier entsprechen reinigen und säubern, das wir es ordentlich auseinander nehmen, also "zerwirken" sagt der Jäger dazu, und das wir halt eben schlechte Schüsse und so was gleich aussortieren. Also wirklich nur Top-Qualität wollen wir hier produzieren und auch anbieten."

    Der Forstbeamte Günter Hunold ist für die Reinigung der frisch geschossenen Tiere zuständig. Er erklärt die Verarbeitungsschritte, die für das Wild-Gütesiegel notwenig sind:

    "Jedes Stück ist mit einer Nummer versehen, auch beim "Zerwirken", kommt dann zu den entsprechenden Teilen, die ganz großzügig ausgeschnitten werden, also alles was nicht in Ordnung ist, wird raus geschnitten. Selbst bei der einzelnen Keule und bei dem einzelnen Rücken wird dann vermerkt, von welchem Wild das stammt, das wir dann rückverfolgen können, selbstverständlich Datum, Ort, und die genaue Behandlung. Das Wild ist dann von der Erlegung bis hin zur Ladentheke lückenlos dokumentiert und nachvollziehbar."

    Während die Forstleute das Wild für die Vermarktung vorbereiten, verkauft im Waldladen nebenan Simone Glück das letzte Fleisch, das sie noch tief gefroren auf Vorrat hat. Wenn sie den Laden schließt, wird es für dieses Jahr kein Wildfleisch mehr aus den Wäldern rund um Wolfgang geben. Der Run auf das Wildfleisch war von Weihnachten riesengroß:

    "Dieses Jahr ist es meiner Meinung nach besonders heftig, aufgrund der Skandale, gerade jetzt die letzten zwei Wochen. Es hat was mit der Vogelgrippe zu tun, das hat was mit dem Fleischskandal zu tun, hier sind die Leute sicher, dass das Fleisch aus der Region ist, das nicht zugefüttert worden ist und das ist einfach ein Qualitätsmerkmal, das immer mehr nachgefragt wird."

    Was die Forstfachfrauen Simone Glück und Sigrun Brell vermuten, bestätigen auch die Käufer im Waldladen - auch wenn sie längst nicht alle mehr das Fleisch bekommen, was sie eigentlich haben wollten:

    "Rehkeule habe ich gekauft. Die Auswahl war nicht mehr groß, ich wollte eigentlich Hirschlende."

    "Nachdem, was man jetzt vom Fleisch gehört hat, was da alles läuft, ist das schon sehr notwendig, ja."

    "Hirsch oder Wildschwein, das ist gut wie immer. Hier weiß ich, dass es wirklich frisch ist."

    "Weil das Wild von Neuseeland, da weiß man ja nicht, das wird ja extra gezüchtet, wahrscheinlich."

    "Das ist mir sehr wichtig, dass ich weiß, wo es herkommt, man wird schon genug vergiftet, gerade auf die Feiertage möchte man doch was Gutes haben."

    Nach der Jagd verschwinden die letzten Tiere in der Kühlkammer. Das Gütesiegel erfordert, dass jederzeit unangekündigt Qualitätskontrollen durch ein unabhängiges Institut durchgeführt werden können. Trotz der strengen Auflagen interessieren sich inzwischen viele andere Forstämter für die Hanauer Wildvermarktung und das Gütesiegel, freut sich der Forstamtsleiter Dieter Müller:

    "Wir machen zum Beispiel im Sommer Lehrgänge über diese Wildverwertung, das sind zwei, drei im Sommer, die wir zusammen mit den Veterinären machen und da kommen die Kollegen von den anderen Forstämtern, etwa 30 Leute, die sich das anschauen und es gibt ja auch schon Ableger."

    Vor allem Waldläden werden zurzeit in vielen Forstämtern des Landes eröffnet. Doch im Forsthaus von Hanau-Wolfgang gibt es zwischen den Jahren nichts mehr zu kaufen - und auch in Zukunft wird es zum Beispiel zertifiziertes Wildschweinfleisch hier nicht im Überfluss geben:

    "Nein, da gibt es Grenzen. Wie sind ja auch bestrebt, gerade beim Schwarzwild die Populationen zu senken, weil das Schwarzwild ja stark zu Schaden geht, gerade in der Landwirtschaft, wie auch in Gärten oder auf Sportplätzen ist da ungemein viel schaden. Wir hatten all die Jahre eine sehr hohe Wildschweinpopulation und wir sind jetzt zum Teil so weit, das sie normal ist. Also das wird eher zurückgehen, im Angebot."