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Dollys Erben

Biologie. - Vor genau zehn Jahren, am 5. Juli 1996 wurde in Schottland das berühmteste Schaf der Welt geboren: das Klonschaf Dolly. Sechs Jahre später starb das Schaf und steht heute ausgestopft im Museum in Edinburgh. Dolly ist zu einer Ikone der Biotechnologie geworden. Über seinen Tod hinaus ist das Schaf in den Diskussionen rund um das Klonen präsent.

Von Michael Lange |
    Von Anfang an war klar. Dolly ist etwas besonderes. Ein Lebewesen ohne Vater - entstanden aus der Körperzelle eines erwachsenen Tieres. Dazu haben die Forscher das Erbgut einer Euterzelle in eine leere Schafs-Eizelle gespritzt. Viele Wissenschaftler zweifelten zunächst an der Echtheit von Dolly, denn so etwas war in den Lehrbüchern nicht vorgesehen.

    " Das war wirklich ein echter Sprung in der Wissenschaft. Ich würde sogar sagen: Da ist ein Dogma der Biologie gefallen."

    Heiner Niemann klont Schweine und Rinder am Institut für Tierzucht und Tierverhalten in Mariensee bei Hannover:

    " Das ist ein Lakenfelder. Der hat diese weiße Bauchbinde. Das ist unser jüngstes Klonprodukt. Ein junger Bulle, der sehr munter ist."

    Das Kalb gehört zu einer seltenen Rinderrasse. Auffallend ist der breite, weiße Fellstreifen rund um den Körper. Es ist eines von hunderten geklonten Tieren weltweit. Mehr als ein Dutzend Tierarten haben Wissenschaftler bis heute erfolgreich geklont mit der Dolly-Methode. In der kommerziellen Tierzucht konnte sich das Klonen allerdings bislang nicht durchsetzen. Das Verfahren ist zu aufwändig und immer wieder kommen geklonte Tiere mit Fehlbildungen oder Organschäden zur Welt. Routinemäßig verwendet wird die Dolly-Methode hingegen bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Nutztiere.

    " Wenn Sie eine solche genetisch veränderte Zelle im Klonprozess einsetzen, dann können Sie sicher sein: Da kommt auch zu 100 Prozent ein transgenes Tier heraus. Vorher waren das nur ein bis drei Prozent. Also von 100 nur ein, zwei oder drei Tiere. Das ist natürlich ein gewaltiger Fortschritt und damit können wir die Arbeiten in diesem Bereich gewaltig pushen und nach vorne bringen."

    Auch in Edinburgh ist Dolly immer noch ein Thema. Die Wissenschaftler, die an Dollys Entstehung beteiligt waren, streiten sich vor Gericht um die Vaterschaft. Ingrid Schneider arbeitet am Forschungsschwerpunkt "Biotechnik, Gesellschaft und Umwelt" der Universität Hamburg:

    " In diesem Streit geht es nicht nur um wissenschaftlichen Ruhm. Es geht inzwischen auch um die Verwertung und kommerzielle Anwendung."

    Seit Jahren beschäftigt sich die Politologin mit dem Klonen und mit Biotechnologie-Patenten.

    " Patente sind ein Faustpfand, das man in der Hand haben möchte, um sich die exklusiven Rechte über die Anwendung zu sichern. Das heißt: Einmal gibt es den wissenschaftlichen Wettlauf. Der wird noch verstärkt um den Wettlauf um Patentrechte. Wer als erster beim Patentamt ist, kriegt den Zuschlag und alle anderen gehen leer aus."

    Biologisch gesehen ist der Mensch ein Säugetier. Wenn es möglich ist, Schafe, Rinder und Mäuse zu klonen, müsste es auch möglich sein, Menschen zu klonen. Dieses reproduktive Klonen - also das Klonen von Menschen - wird allerdings von allen seriösen Wissenschaftlern abgelehnt. Einige Exoten hielt das nicht ab, es dennoch anzukündigen. Keine ihrer zahlreichen Behauptungen konnte jedoch jemals bewiesen werden. Unter den Wissenschaftlern nahm man diese Selbstdarsteller nicht ernst. Doch dann kam der koreanische Tiermediziner Hwang Woo Suk.

    Hwang Woo Suk hatte genau das gemacht, was sich viele Forscher in Europa und den USA gewünscht hatten. Er hatte menschliche Embryonen geklont, um embryonale Stammzellen zu gewinnen - für medizinische Zwecke. Das so genannte therapeutische Klonen schien greifbar nahe. Doch dann erwiesen sich seine hoch gelobten Ergebnisse als Fälschungen. Viele Wissenschaftler waren geschockt. Aber der Schock dauerte nicht lange. Ingrid Schneider:

    " Nachdem klar war: Hwang hat es nicht geschafft, hat man nicht gesagt: Wir machen erstmal Pause. Jetzt arbeiten wir auf, was da eigentlich passiert ist, damit man das in Zukunft verhindern kann. Nein, das war nicht der Fall. Man hat den Wettbewerb erneut los gelassen. Wenn Hwang es nicht war, dann werde ich es vielleicht sein."

    Die Klonversuche mit menschlichen Zellen gehen weiter, in den USA, China, Großbritannien und Spanien. Die Forscher wollen immer noch durch Klonen menschliche embryonale Stammzellen gewinnen. Denn die gelten als Rohstoff für die Medizin der Zukunft.

    In den ersten zehn Jahren nach Dolly hat die Klontechnik allerdings keinerlei Einfluss auf die Medizin genommen. Verändert hat sich die Vorstellung der Wissenschaft, wie ein Lebewesen entsteht - zur Not aus dem Erbgut einer einzelnen Körperzelle.