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Dolmetscher gesucht

Die EU hat mittlerweile 23 Amtssprachen - und so wird Brüssel zur Hochburg der Dolmetscher und Übersetzer. Mit mehr als 500 angestellten Dolmetschern und rund zweieinhalbtausend Freiberuflern hat die Europäische Kommission den größten Dolmetscherdienst der Welt. Zurzeit sucht Brüssel händeringend nach sprachkundigem Nachwuchs.

Von Julius Stucke |
    Seit 22 Jahren schon arbeitet Serge Leveneck als Dolmetscher für das europäische Parlament. Für den gebürtigen Elsässer, der aus vier Sprachen ins französische dolmetscht, ist die Arbeit bei der EU spannend:

    "Besonders für junge Leute, die anfangen. Man reist sehr viel. Also man muss schon neugierig sein. Die Themen, mit denen man arbeitet, ändern sich jeden Tag. Also, man arbeitet kaum zwei Tage hintereinander mit demselben Thema."

    Doch der offenbar abwechslungsreichen Arbeit zum Trotz - und obwohl die EU-Kommission gerade händeringend versucht, junge Dolmetscher anzuwerben - noch fehlt es an Nachwuchs. Ein Grund: Brüssels Image, meint Carlota Jovani, Referatsleiterin deutsche Sprache bei den Dolmetschern der Kommission:

    "Die Presse für Brüssel ist ja auch nicht immer unbedingt die Beste. Und da hat man dann einfach gesagt: 'Nein, das ist nicht interessant. Das sind diese Bürokraten. Das ist langweilig.'"

    Hinzu komme laut Jovani: Von denjenigen, die es in Brüssel versuchen, scheitern viele im Concours, der Aufnahmeprüfung für eine EU-Beamtenstelle, oder in den Akkreditierungstests für Freiberufler.

    Geprüft wird, ob die Kandidaten ihre jeweiligen Fremdsprachen unter realen Bedingungen beherrschen. Zu den verlangten Anforderungen gehört aber auch: sicheres Formulieren in der Muttersprache - ein Punkt der vielen deutschen Absolventen mittlerweile überraschend schwerfalle, so Jovani. Dolmetscher Serge Leveneck bemängelt, dass vielen jungen Bewerbern eine wichtige Eigenschaft fehle:

    "Ich glaube, dass die Bildung schlecht geworden ist; allgemeine Bildung. Also, es wird nicht geprüft, aber man brauch es einfach, um die gröbsten Fehler zu vermeiden. Kein Mensch auf der Welt versteht jedes Wort seiner eigenen Sprache - also auch nicht einer Fremdsprache. Und wenn man eine Kleinigkeit nicht versteht, nicht hört, hilft nur die allgemeine Bildung, um sicher zu sein, dass man den Sinn mindestens herauskriegt."

    Nachwuchs jedoch ist dringend notwendig. In den kommenden Jahren werden viele Dolmetscher, die in den 70ern in Brüssel angefangen haben, in den Ruhestand gehen. Mindestens 20 der knapp 60 deutschen Beamten - zusätzlich mindestens 50 Freiberufler, für die nun Ersatz gefunden werden soll.

    Die EU-Kommission sucht besonders Sprachen wie Deutsch, Englisch und Französisch - aber auch Spanisch und Italienisch. Denn diese sogenannten alten EU-Sprachen werden für Dolmetscherdienste öfter angefragt, als viele vermuten:

    "Es wird ganz gerne proklamiert, dass wir vor allem die neuen Sprachen suchen; sprich, die Sprachen, die sich aus der Osterweiterung ergeben haben. Aber de facto benötigen wir eigentlich alle Sprachen"

    Und was benötigt ein guter Dolmetscher neben Bildung und Sprache noch? Serge Leveneck meint: schauspielerisches Talent. Man müsse sich in den Redner hineinversetzen können, zum Ausdruck bringen, ob dieser gerade etwas erklärt, kritisiert, fordert oder auch zynisch ist.

    "Für mich ist es ein Spiel, man spielt mit den Wörtern, mit all dem, was man hört. Es ist wie im Theater. Man muss einfach spielen. Und auch die ganze Kommunikation ohne Wörter - die muss man auch weiterleiten. Also, es ist ein Job der Kommunikation."

    Und Carlota Jovani ergänzt: Man brauche auch Neugier, Lust auf andere Kulturen, Wissensdurst und Spontaneität.

    "Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen kompliziert. Wie sagt man so schön? - Die eierlegende Wollmilchsau. Aber das ist natürlich ein Beruf wie jeder andere, den man auch erlernen kann."

    Um speziell auch mehr Deutsche für diesen Beruf zu begeistern, soll im Herbst ein Werbevideo auf den Markt kommen - das dann möglichst viele neue Dolmetscher nach Brüssel lockt.

    Informieren können Interessenten sich unter: http://scic.ec.europa.eu/europa

    Weitere Informationen:
    http://europa.eu/languages/de/home