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Domestizierung
Bester Freund seit langer Zeit

Biologie. - Auf der Erde tummeln sich mehr als 300 Hunderassen, sie alle, ab groß oder klein, stammen vom Wolf ab. Doch wann diese Domestizierung stattgefunden hat und wo, das ist umstritten. Eine neue Studie, die heute im Fachmagazin "Science" erscheint, soll diese Fragen nun klären.

    Sie heißen Albi, Higgins und Kira – die Hunde von Dr. Olaf Thalmann, der an der Universität im finnischen Turku forscht. Doch nicht nur privat, auch beruflich beschäftigt sich der Genetiker mit Hunden und ihren Vorfahren, den Wölfen, genauer, mit deren Erbgut. Bislang war unklar, wo diese wilden Tiere zu braven Haushunden domestiziert wurden, die dem Menschen nicht mehr von der Seite weichen, ihm bei der Jagd helfen, Haus und Hof verteidigen oder einfach nur einen geworfenen Stock zurückbringen. Die bisherigen genetischen Untersuchungen ließen auf einen asiatischen oder einen im Nahen Osten liegenden Ursprung der Domestizierung vor etwa 15.000 Jahren schließen. Doch in Europa fanden Forscher Hunde-Fossilien, die 30.000 Jahre oder älter sein könnten. Olaf Thalmann und seine Kollegen wollten diesen Widerspruch nun klären.
    "Wir haben Fossilien genommen, darunter die ältesten Hunde- und Wolfsfunde überhaupt, und haben diese mit neuzeitlichen Proben verglichen."
    Kleine Knochenstücke aus 18 unterschiedlichen Fossilien haben die Wissenschaftler in dieser bislang umfassendsten Studie untersucht. Die Knochen sind zwischen 1000 und 36.000 Jahre alt, darunter die beiden wohl ältesten Hunde, der Goyet- und der Altai-Hund, bei denen die Fachwelt aber streitet, ob es sich noch um Wölfe oder schon um Hunde gehandelt hat. Thalmann und sein Team wollten die Frage, wo der Hund domestiziert wurde, mit Erbgutanalysen beantworten. Dazu extrahierten sie die DNA aus den Mitochondrien.
    "Der Vorteil der mitochondrialen DNA ist, dass sie in viel größerer Anzahl in einer Zelle vorliegt als die DNA des Zellkerns. Sie ist deswegen auch in den alten Fossilien noch recht gut erhalten."
    Im Laufe der Jahrtausende zerfällt die DNA. Doch vom Erbgut der Mitochondrien war auch nach so langer Zeit noch genug für die Untersuchungen der Forscher übrig. Mit Hilfe des Computers entschlüsselten sie für jede der 18 alten Proben die jeweils etwa 16.000 Basenpaar lange mitochondriale DNA.
    "Wir haben die DNA der 18 alten Proben mit der von neuzeitlichen Proben aus Eurasien und Amerika verglichen, darunter 77 Hunde und 49 Wölfe."
    Olaf Thalmann und seine Kollegen erstellten darauf hin eine Art Stammbaum der Hunde und Wölfe. Dabei konnten sie die neuzeitlichen Hunde zu vier Gruppierungen zusammenfassen und das Ergebnis ihrer Studie ablesen:
    "Alle vier Gruppierungen der neuzeitlichen Hunde sind am engsten mit Hunde- oder Wolfs-Vertretern aus Europa verwandt und dabei spielt es keine Rolle, wie alt diese Vertreter sind."
    Für den Genetiker steht damit ziemlich sicher fest: die Domestizierung des Hundes hat in Europa stattgefunden. Und wie ging es von dort weiter? Dazu gibt es zwei Hypothesen. Thalmann:
    "Eine Hypothese besagt, dass der Haushund von Europa aus die anderen Erdteile bevölkerte. Eine zweite geht von mehreren unabhängigen Zentren der Domestizierung aus, entweder gleichzeitig oder später zu der in Europa. Wir können keine der beiden Hypothesen ausschließen."
    Aber zum Zeitpunkt der Domestizierung können die Wissenschaftler neue Erkenntnisse liefern. Anhand ihres aufgestellten Stammbaums soll der Beginn des Prozesses, der vom Wolf zum Hund, zwischen 18.800 und 32.000 Jahren liegen, und damit weiter zurück als manche Forscher angenommen hatten. Bleibt noch die Frage: Wer machte aus dem wilden Wolf den zahmen Haushund? Die Daten von Olaf Thalmann und seinem Team legen nahe, dass es die Jäger und Sammler waren, die sich so den besten Freund des Menschen an ihre Seite holten.