Es gab Whistleblower, die sehr viel wussten. Und einen Ermittler bei der Welt-Antidopingagentur, der deren Informationen ganz genau ausleuchten wollte. Aber es gab auch einen Mann an der Spitze, der an einer Aufklärung offensichtlich kein großes Interesse zeigte. Weshalb die Ermittlungen lange verschleppt wurden.
Das Problem hatte auch einen Namen, sagte der ehemalige Chefermittler der WADA, Jack Robertson, heute in einem Interview mit der BBC und der von Spenden finanzierten Medienorganisation ProPublica: WADA-Präsident Craig Reedie. Der musste "förmlich gezwungen werden, damit ermittelt werden konnte”. Niemand habe gewusst, ob "er die Ermittlungen nicht gegenüber den Russen enthüllt” und die Indizien ausgerechnet jenen Funktionären zukommen lässt, die für das staatlich betriebene Dopingsystem gesorgt hatten.
Robertson, ein ehemaliger Drogenfahnder der amerikanischen Polizei, hatte im Februar unter ungeklärten Umständen die WADA verlassen und gießt nun Öl in ein Feuer, dass Thomas Bach geschürt hatte. Der IOC-Präsident beschuldigt die WADA, für das Entscheidungschaos kurz vor den Olympischen Spielen verantwortlich zu sein, nachdem er und das Exekutivkomitee gegen einen pauschalen Ausschluss aller russischen Sportler votiert hatten.
Robertson gab im Interview zu, dass er die Quelle für Hinweise war, die der ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt für seine Enthüllungsberichte verwendete. Die Filme dokumentierten erstmals das, was die WADA dank Reedie nicht belegt hatte: das Ausmass der Dopingaktivitäten in Russland.
Obwohl desillusioniert, sprach sich Robertson gegen eine Auflösung von Institutionen wie der WADA aus. Man brauche einfach "Leute an der Spitze, die Integrität wertschätzen”. Er und seine ehemaligen Kollegen seien "von der Führung betrogen worden”.