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Doping
Epo-Pille nachgewiesen

Doper freuen sich schon länger darauf. Die Pharmaforschung arbeitet an einem Mittel, das Effekte wie Epo nach sich zieht, aber nicht gespritzt, sondern nur geschluckt werden muss. Anfang dieser Woche wurde der erste Sportler damit erwischt – ein Geher aus Frankreich.

Von Tom Mustroph | 25.04.2015
    Bertrand Moulinet hat seinen Platz in den Betrügerchroniken sicher. Der Olympia-Achte in London über 20 Kilometer wurde mit dem Mittel Roxadustat, auch bekannt unter den Bezeichnungen FG4592 und ASP1517, erwischt. Er fühlte sich vermutlich sicher, weil das Medikament noch gar nicht auf dem Markt ist. Die Dopingjäger waren dieses Mal aber schneller als die Zulassungsbehörde.
    "Diese Substanzen befinden sich immer noch in klinischen Tests der Pharmaindustrie. WADA hat mit seinen Partnern aus der Pharmaindustrie daran gearbeitet, einen Test zu entwickeln",
    sagt Ben Nichols, Sprecher der Weltantidopingagentur WADA.
    Sie setzte schon im letzten Jahr das Mittel auf die Liste der verbotenen Substanzen. Bestellen konnte man es allerdings schon seit 2013. Es handelt sich um ein Pulver, das in Tablettenform verabreicht wird und Effekte wie Epo auslöst. Physiologisch wirkt es über die sogenannten Hypoxie induzierten Faktoren.
    "Sie sind insofern eine interessante therapeutische Substanzklasse, weil sie als Ersatz für Epo eingesetzt werden können, sie haben einen anderen Wirkmechanismus, erzielen aber einen sehr ähnlichen Effekt. Am Ende die Steigerung der Zahl roter Blutkörperchen",
    erzählt Mario Thevis, Dopinganalytiker am Kölner Kontrolllabor.
    "Sie wirken insofern, als dass sie dem Körper eine sauerstoffärmere Atmosphäre simulieren als sie tatsächlich existiert, und darauf reagiert der Körper mit einer gesteigerten Produktion von Erythropoietin, also körpereigenem Epo, was dann wiederum die Zahl der roten Blutkörperchen ansteigen lässt."
    Die Hemmschwelle für Doper wird noch zusätzlich gesenkt, weil das Mittel nicht wie herkömmliches Epo gespritzt werden muss. Schlucken reicht. Doping-affine Sportler sind daher schon vor der offiziellen Zulassung, und ohne dass überhaupt die Risiken und Nebenwirkungen erforscht sind, von dieser sogenannten "Sauerstoffpille" angezogen. Dopingjäger Thevis:
    "Das ist sicherlich auch ein Aspekt, der berücksichtigt werden muss. Denn alles, was nicht gespritzt werden muss, hat eine geringere Invasivität, das heißt die Hemmschwelle, wie Sie das gerade genannt haben, kann hier durchaus geringer sein. Und die Kontrollierbarkeit dieser Verabreichungsform ist deutlich einfacher, insbesondere für den nicht geübten, nicht therapeutischen Einsatz."
    Über das Dopingpotential ist man sich bei den Herstellern im Klaren. Die aktuellen Tests der Phase 3, die das Unternehmen Astellas gerade in Europa durchführt, firmieren offiziell unter den Namen "Alpen", "Pyrenäen" und "Dolomiten". Das sind die klassischen Gebirgszüge der Rundfahrten Tour de France, Vuelta a Espana und Giro d'Italia. Ist das schon offenes Dopingmarketing oder nur ein schlechter Scherz?
    Gut also, dass das Testverfahren anschlägt und auch juristisch robust scheint. Mario Thevis:
    "Die Substanz ist vergleichsweise leicht nachweisbar, da es sich hier um eine körperfremde Substanz handelt. Da ist eine vergleichsweise einfache Ja-Nein-Entscheidung möglich. Und da die Mengen, die eingesetzt werden müssen, um einen Effekt auf das Blutbild, also die Anzahl roter Blutkörperchen zu erzielen, relativ hoch sind, ist ein Nachweis auch über mehrere Tage im Sportlerurin vergleichsweise simpel."
    Eine Herausforderung für die Tester könnte allerdings eine Kombination aus Mikrodosen von klassischem Epo und kleineren Portionen der "Epo-Pille" darstellen. Eine neue Runde im ewigen Wettlauf von Dopern und Dopingjägern ist eingeläutet.